44.
Wie sich Lasarus so underdienstbar bey seinem herren gehalten unnd wie freündtlich er sich gegen dem gesind gehalten hab.

[238] Lasarus, von art nnd natur ein verstandener jüngling, übernam sich seiner kunst noch reichtum gar nichts. Er was gegen menigklich fründtlich, grůsbar und gantz gütiger milter wort; under dem gesind richtet er keinen zanck an,[238] sonder befliss sich yeder zeit friden zů machen. Er was nit geneigt, wie man yetz der jungen vil findt, die nůr gern har uff har machend, und wo sie etwas von den gesellen hören, tragen sie das den meistern zů ohren. So dann ein meister oder herr etwann auch sein pfenwert darzů sagt, mags den gesellen nit verschwigen bleiben; daraus dann nichts dann grosser hader und zanck erwachset; würt offt aus einem kleinen fewrlin ein grosse brunst. Dise ding zieren einen jungen gar übel, wiewol darneben ein yeder junger oder gesell von rechts wegen schuldig ist, wann er seines herren oder meisters schaden sicht, denselbigen zů wenden, so weit im müglich ist. Desselbigen dann Lasarus gantz wol geneigt was. Er übernam sich auch seiner kunst und arbeit gar nichts gegen den gesellen; wann schon etwann ein alter gesell minder arbeiten kunt dann er, so was dannocht sein ehrerbietung gegen demselbigen von wegen seines alters nicht dest weniger.

An einem yeden feyrtag zů morgen was er alwegen der erst auff, seubert und butzet seinem herren die schůch, demnach auch den gesellen, so im an älte vorzugen. Darnach schicket er sich zů der kirchen, batt gott den almechtigen umb seine milte gnad und güte, das er ihm den heiligen geist mittheylen wolt, damit er sein handwerck und die sprachen, welcher er sich understanden hett, gnůgsamlichen ergreiffen und lernen möcht. Alsbald er sein gebett follendet, fügte er sich wider in seins herren haus, sich mit andren goltschmidtgesellen, so sein herr hett, auff künstlichen stucken fleissig übet deren auch keiner nichts vor im verbergen noch heimlich halten was. Das bracht er alles mit seiner underdienstbarkeit zůwegen. Auff die wercktag befliss er sich sonderlich, das er des morgens frü zur schůlen ging, so er zůvor gott umb seine milte gnad gebetten het, das er im seinen heyligen geist mittheylen wolt.

Sein emsigkeit und grosser fleiss brachten in in gar kurtzer zeit dahin, das er allen andren jünglingen seines alters weit an dem fleiss und an der lehr vorgienge. Derhalben er dann von etlichen tollköpffen gehaßt, aber von denjenigen, so auch fleissig und verstanden waren, in allen ehren gehalten; wie dann semlichs bey aller welt in gemeinem brauch ist, das[239] die eselsköpff keinen künster umb sich leiden mügen, sie müssen fantasten, schwindelköpff, wintmüller und derengleichen seltzame namen haben, so doch dieselbige schmerschneider nit einer moren zwagen künden. Ob sie schon zů zeiten viel gůt haben, so ist es gewisslich von iren älteren erkündiget und erspart, oder aber müssend sich mit des armen Judas hanttierung behelffen, die armen leut schinden und schaben, das marck aus den beinen schmeltzen. Sunst, wo sie sich mit ir handarbeit neren solten, müsten sie bettlen gon. Kumpt auch wol zů zeiten darzů, das sie aus dem gewalt gottes durch fewrsnodt oder kriegsleuff umb hab und gůt kumen; alsdann thet erst wol, wann sie etwan ein künstlich handwerck gelernt hetten, damit möchten sie die leibsnarung wol bekumen.

Eins můs ich hier zůsetzen, wie etwan die künstlichen hantwercker ein uffenthalt unnd fristung irs lebens durch ir kunst bekummen haben. Ich hab selb von einem waidlichen und fürnemen edelman gehört, welcher durch die Türcken mit vilen andren Christen gefangen worden. Hatt sich von ungeschicht begeben, das im ein schreibtäfelin zůgestanden, in welchem manches edelmans wappen verzeichnet gewesen. Als man nůn angefangen die Christen zů blündern, auszůziehen und zů seblen, haben die Türcken obgemelte schreibtafel bey im funden und nit anderst vermeint, dann er sey seiner handt ein maler, habend in von stund an nebent sich gefürt und einem grossen herren überantwurt. Die andren Christen alle haben müssen har lassen und also erbärmklich umb ir leben kumen. Dise schreibtafel ist disem edelman bass kumen, dann het er einen sack mit talern bey im gehabt.

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Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 238-240.
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