38.

Wie Angliana und Florina für den graffen kommen und was er mit inen geredt hab, und wie des graven diener den jäger im wald sehr verwundt und zerrissen fanden.

[364] Oben habt ir gehört, wie der graff seiner tochter unnd Florina gebot, des morgens umb primzeit zů im in sein gemach zů kommen. Als aber jetz die stund kommen, sind sie beide mit erschrocknem hertzen für deß graffen gemach gangen. Der hatt jetz schon von seinen dienern, welche er inn den waldt den jeger zů sůchen geschickt hat, vernomen, daß der schalck gantz übel verwundt unnd gar zerrissen in dem wald todt leg; ob ihm diß aber von einem bären oder schwein geschehen, möchten sie gar nit wissen. So hatten sie auch sein pferdt funden gantz erschrocken in dem wald mit zerrissnem zaum gantz irrsam lauffen, seinen spieß ein gůten weg von im auffrecht in einer hecken stecken. Von disen zeichen der graff wol abnemen kond, wie die sach müßt geschaffen sein; sagt seinen dienern, sie solten hinziehen; er het gnůgsame kundtschafft zů gedencken, wie es dem jeger gangen wer.[364]

Als nun die diener von im gangen waren, ist sein tochter sampt irer lieben Florina hineingangen, dem graffen ein seligen tag gewünschet, der in beiden keinen danck gesagt, sonder mit schnartzen worten sein tochter Angliana angefaren. ›Tochter,‹ sagt er, ›warumb hastu mich, deinen vatter, so gantz in wind geschlagen, mich so schandtlich betrogen und übergeben, umb eines armen hirten son getrachtet, so dir doch wol deines gelichen ein namhaffter und theurer ritter het werden mögen! Nun aber hast du mir meinen stammen und nammen verkleinet. Des kanstu nimmer gegen mir geleügnen; dann ich des einen ring und brieff hab, welichs dir der verschmehet hirtenson bei deiner nerrin hat zugesandt. Solichen betrognen anschlag hat dein schöne und liebe gespyl do zůgegen dem hirtenson gerahten. Den lohn aber, so du, Florina, mit verdient, bist du noch gentzlich von mir warten. Das aber ist mein gůthat, so ich dir und Lewfriden bewisen hab. Doch bin ich gůter hoffnung, dem ungetreuwen jüngling seye schon sein verdienter lohn worden.‹

Darauff sagt Angliana: ›O vatter, mich gegen euch zů verantworten ist nit müglich. Dann ich můß gestohn, das ich mir den jüngling von wegen seiner tugend und adelichen sitten, auch ritterlichen gemüts halben erwölt hab; bin aber doch in alle weg so gantz behůtsam gefaren, das mir noch euch nymer schand noch schaden darauß het erfolgen mögen. So hatt mir auch an dem gantzen hoff mein lieb und gunst, so ich dem jüngling getragen, niemant können abmercken, allein mein liebste junckfraw Florina. Sobald aber sie meiner liebe wargenommen, hat sie mich mit grossem ernst understanden davon abzůkeren; aber alles gar nichts an mir verfahen mügen. Darumb, allerliebster herr und vatter, solt ir in dem niemant die schuld geben dann mir allein. Bitt auch umb aller liebe und trew willen, so ir mir ye getragen, eh dann ir von solicher liebe gewißt haben, wo ir dem jüngling pein oder marter angericht oder vileicht gar umbracht haben, wöllend mir nit mer barmhertzigkeyt beweisen dann im und mich in gleicher straff halten. Dann so ich nit erfaren mag, wo der jüngling hinkommen ist, würt mich kein mensch nymermer davon bringen, im in steter versprochnen trew unnd[365] freundtschafft nachzůfolgen. Dann mich kein natürlich speiß noch tranck mymermer erquicken noch auffenthalten soll, ich erfar dann, wohin doch mein allerliebster jüngling hinkommen sey. Verflůcht sey der tag, an dem die schandtlich nerrin in mein zimmer kommen! Dann sie ist ein ursach an dem, das Lewfrid so erbermbklich hat sein leben verlieren müssen. Ich weyß, das der edel jüngling noch durch sein mannliche hand ritters orden wird überkommen und erlangt haben. Wer wolt mir darnach unrecht geben haben, so ich ihn für meinen liebsten ehgemahel an euch begert het! Dann unser vergleichung, zůsagen und versprechen hat sich nie anderst begeben, dann das sich Lewfrid in allen mannlichen und dapffern sachen hat understanden zů üben, damit er alle zeit von euch, allerliebster herr und vatter, het mügen geprisen werden. Das dann warlich zů vil malen von euch geschehen ist, und ich auch selb offt von euch gehört hab, dardurch dann mein liebe gegen im nit wenig zůgenommen.‹

Diß alles redt Angliana vor irem vatter mit kleglichem seüfftzen und weinen. Dabey er wol abnam, das sie nymmer fröliche tag haben noch gewinnen wird, es were dann sach das sie den jüngling erfaren möcht. Jedoch understund er etwas mit ir zů versůchen und sagt also: ›Tochter, züh hin mit deiner junckfrawen und wiß, das Lewfrid nit umbkommen, sonder noch im leben ist! Wo er aber hinkommen, dem frag ich nit fast nach. Er aber hůt sich bey meiner höchsten ungenad, nymermehr an meinen hoff zů kommen. Sonst müst er von meiner hand den todt leiden.‹

Also schied Angliana mit grossem jamer unnd windenden henden auß ihres vatters gemach, ging in ir schlaffkammer, warff von ir all ire köstlichen kleinot, ketten und ring, legt an schwartze trawrkleyder. Sie ließ auch kein andere junckfraw mehr zů ihr dann allein Florina und Cordula. Von denen zweyen ward sie besuchet, welche junckfrawen sie offt understůnden von irem fürnemen abzůwenden, ir auch gar vil und mancherley gůter speiß und tranck zůtrůgen, deren aber sie gar nit versuchen noch geleben wolt. Allein sucht sie ir zeit zů vertreiben mit traurigen gedichten, deren sie etlich von ir selb und irem Lewfriden dichtet, wiewol sie noch nit[366] mocht wissen, wo er hinkommen was. Jetzund tichtet sie, als wann er von irem vatter uff das möhr auff ein schiff verkaufft were; darnach macht sie ein geticht, als wann er inn ein kercker verschlossen were und sie teglich vor der thüren des kerckers seß und im gern seiner gefencknüß ein gesellin geben wolt. Diß was ir arbeyt und kurtzweil, damit sie ir zeit verzeren thet.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 364-367.
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