60.

Wie der graff sampt dem Walter und anderen seiner diener von dem freyherren angerandt ward, zwen des groffen diener erstochen, Walter gefangen und der graff an einen baum gebunden, aber von dem Lewfrid wider erlößt ward.

[417] Lewfrid der ritter ließ semlicher warnung gar nit mercken, domit im das nit für ein verzagnüß zůgemessen wird.[417] Eines tags begab sichs, das der graff mit ettlichen seinen dieneren auff ein schloß reiten thet, auff welchem er lang nit gewesen was. Er aber ward durch einen denmarckischen roßteuscher dem andren freyherren verkundtschafft, welcher vormals umb sein tochter Angliana geworben hat; demselbigen ward auch für gantz gewiß angesagt, wie Lewfrid der ritter auch mit seim schweher, dem graffen, reitten wird. Der freyherr versamlet bald ein geschwader reütter; denen befalch er, sich eilens wol beritten zů machen, deßgleichen sich mit harnasch und wehr wol zů verwaren; dann sie můßten ein mannlich reuterstuck begohn. Diß alles ward nach seinem befelch außgericht, bracht inn einer eil auff zehen pferd zůsamen.

Der graff, Lewfriden schweher, versahe sich gar nit; dann ihm von keinem feind gar nicht zů wissen was, dieweil er mit allen seinen umbsassen inn gůtem friden war. Er nam zů ihm vier seiner diener, deßgleichen Leuwfriden unnd Walthern, also das er nur selbsibend auß seiner gewarsame reitten thet. Nun wolt sich unglück machen; dann als sie auff ein halbe meil geritten waren, fiele dem graffen ihn, wie er etlich brieff, an welchen ihm vil gelegen was, daheimen vergessen hett. Er wolt semliche brieff keinem diener befelhen zů reychen; dann er sorget, die sach möcht nit nach seinem willen außgericht werden. Darumb befal er dem ritter Lewfriden, die sach zů versehen. Nun was keiner under in allen in sein harnasch angethon dann der ritter Lewfrid. Der reit schnel und behend wider zůruck.

Er aber was nit gar ein halbe meil von seinem schweher, dem graffen, kommen, do hat sie der freyherr in einem wald auff einer wegscheiden angefallen, und ehe dann sie gewarnet worden, hat er im zwen seiner diener erstochen und mit lauter stimm gerůffen: ›Es sey dann sach das ir euch allsampt gefangen geben, sonst můßt ir heut den todt von uns leiden.‹

Der graff, welcher sich ab einem so schnellen überfal größlichen entsetzet, dann er den schnellen todt seiner diener[418] vor augen gesehen, so was niemans mer bey im dann zwen seiner diener und Walter, die waren auch gantz erschrocken; so was sich auch do nit lang zů bedencken, dann sie waren mit gewapneten reysigen gantz umbringet. Derhalben begereten sie der stangen. Der freyherr eilet allein auff den Walther; dann er in gleicher form was wie Lewfrid der ritter, darumb meynet in entlichen Lewfriden sein. Er nam allein den Walter und beyde des graven diener, fůrt die mit im. Den graffen aber befalhe er an einen baum zů binden und sagt: ›Dieweil ihr disen baurenson mir haben fürgesetzt und im ewer tochter vor mir geben, wil ich euch zů einer schmach also ston lassen.‹ Die andren seine diener fůren mit den gefangnen darvon.

In disem schimpff kompt der ritter Lewfrid geritten und ersicht in dem ersten anblick seinen herren an dem baum gebunden ston und den freyherren noch bey im halten. Ritter Lewfrid sahe an der gestalt seines herren wol, das seine sach nit recht geschaffen was; so hat im auch der freyherr zůvor getrawen. Darumb macht er wenig umbstend, sunder zucket von stund an sein gůtes schwert und sagt: ›Gnediger herr, wer hat euch soliche schmach bewisen? Das zeigend mir an! Ich wil das mit meinem ritterlichen schwert rechen oder mein leib und leben darob verlieren.‹

Der freyherr, welcher ein stoltz und gar neidiger man was, den ritter zůstund an seiner sprach erkandt und sahe wol, das er nit den rechtschuldigen angriffen und gefangen hat. Er sagt auß grossem hochmůt zů Lewfrid: ›Du beürischer ritter, dir solle auff disen tag kein anders noch bessers widerfaren. Darumb so saum dich nur nit lang!‹ Der ritter zucket behend sein scharpffes und gůtes schwert, hewe damit gantz krefftiglich nach dem freiherrn. Der zucket sein haupt auß dem streich, also das Lewfrid sein verfelen thet und hiewe seinem roß ein grossen teil von seinem haupt hinweg. Darvon das pfert gantz ergrimmet und in grossen schmertzen und zorn hin durch den walt gantz schnell lauffen thet.

Lewfrid eylet im mit verhengtem zaum auff dem fůß nach, so lang das dem gaul anfing schwach zů werden und under im niderfallen thet. Ritter Lewfrid sagt auß grossem zorn:[419] ›Herr, ir müssend euch auff disen tag gefangen geben, und nur bald. Sunst můßt ir mir eüver leben in disem waldt lassen; davor wirt euch niemant gefristen.‹ Der freyherr understund sich mit gewalt zů weren, schrey domit seinen dienern zů; die aber waren zů weit von im. Ritter Lewfrid ergrimmet so gar über in, das er in nit mer begert gefangen zů nemmen, sunder schlůg mit gantzer seiner krefft zů; damit macht er den herren so gantz matt, das er sich nit mer wehren mocht. Alsobald begert er der stangen.

Also nam in Lewfrid gefangen; doch so můßt er im zůvor sein schwert überantwurten und von hand geben. Also fůrt er in behend wider zů seinem herren. Da ward er erst aller sachen bericht, wie es mit den zweyen dienern gangen was; do lieff im erst sein hertz von zorn über. Also můßt im der freyherr eylens geloben und schweren, ihnen beyden nachzůfolgen. Also fůrten sie in auff das schloß, das dann nit gar ein fierteil einer meylen von disem ort was.

Doselbs vermeynt Lewfrid seinen gesellen und andren zwen diener zů finden; dann er gedacht, sein herr het die von im gesandt und wer erst darnach mit den andern zweyen knechten angriffen worden. Als aber er vernemmen ward, das Walter gefangen was, schwůr er bey seinem ritterlichen orden, das er nimmer růwen noch rasten wolt, sein gesell wer dann seiner gefencknüß ledig und loß, und wo ein semlichs nit auff dieselbig nacht geschehe, so wolt er den landtherren mit seiner eygnen hand umbbringen. Dises alles sagt er dem freyherren under augen, davon er sich nicht wenig entsatzte. Er begert zůhand, das man im papeir und ein schreibzüg geben solt, so wolt er eylens einen brieff schreiben und denselbigen seinem burgfogt zůschicken, damit die gefangnen nit in harte gefencknus gelegt wirden. Diß ward gantz eylens volstrecket, wie er begert hat.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 417-420.
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