1.

Wie ein gůt frumm mann am Kochersperg einem gůten einfaltigen ein walfart verdinget zů Sant Veiten zů wallen.

[5] Dieweil wir yetzund auch auff einer fart oder reiß sind, so manet mich gleych ein gůter schwanck, daß ich euch denselbigen erzell.

Es ist menicklich wol bewißt, daß am Kochersperg, nit weit von Straßburg gelegen, gar vil gůter, frommer, einfaltiger baursleüt wonen, von deren einem ich euch hie schreiben will. Derselb gůt mann kam in ein seer grosse kranckheit, durch welche er lange zeit hart und übel gekrenckt ward. In solchen seinen nöten kam im zů gedancken, wann er ein walfart zů Sant Veiten, so daselb am gebirg gelegen, verhieß mit einem silbrin opffer, verhofft er gentzlich, sein sach wurd besser werden. Also gelobt und versprach er die fart; sobald er von solcher kranckheit aufkem, wolt er die fart vollbringen.

Als er aber in kurtzer zeit darnach wider gesundt worden, ist im tag unnd nacht die gelübt, so er gethon hat, vor augen gewesen und im sinn gelegen. Und als er im yetz endtlichen fürsatzt, die fart und opffer zu leisten, hat in die arbeit mit hauff überfallen. Alsbald er seine acker geseyt,[5] müßt er in den reben anfahen zů wercken; unnd was der arbeit so vil, daß der gůt mann kaum der weil nam, daß er aß unnd tranck. Zůletsten kam im zů sinn, damit er sant Veiten nit mit seinem langen auflentzen unwillig machte, wolt er einem gůten frommen mann von seinetwegen die fart verdingen außzerichten. Also fand er einen nach seinem gefallen; denselben fertiget er ab mit opffer, wachß und einem gůten feißten hanen; diß alles befalch er im sant Veiten zů bringen.

Bald macht sich der gůt gsell auff die fart, gieng in grosser andacht dem gebirg zů. Wer im bekam, den fragt er, wo auß er den nechsten zů Sant Veiten kem. Er ward von yedermann treüwlich gewisen. Nun ligt ein groß kloster unden an dem berg, für das můßt er hingon. Das kloster nennt man zů Allenheiligen; darinn wonen etlich münch. Er ward den berg hinauf gewisen zů Sant Veiten, zog also mit grosser mhü und angst hinauf. Zůletst gedacht er in im selbs: ›Nun bin ich warlich nit weiß genůg, daß ich mit solcher grossen mhü den hohen berg heraufsteig. Nun sagt man doch, das kloster heiß zů Allenheiligen; sind nun all heiligen in dem kloster, so můß sant Veit auch gwißlich bey inn seyn, und wurd in yetzund nit anheimisch finden.‹

Mit disen gedancken wendet er sich umb und den berg wider hinab, als wann man in gejagt hett, kam also an deß klosters porten und laut an der glocken gar ernstlich. Der portner kam eylentz lauffen, schloß die porten auf, fragt den gůten gesellen, was sein begeren und geschefft weren. ›Lieber,‹ sagt der waller, ›sind nit all heiligen da innen?‹ Der portner sagt eylentz ja; dann er hat den feißten hanen bey im ersehen unnd meint, er wolt in allen heiligen bringen zů einem opffer. ›Lieber portner,‹ sagt der waller, ›gang hineyn zů allen heiligen und heiß mir nur sant Veiten heraußkommen; dann ich hab gelt unnd disen hanen, so im zůgehören.‹ – ›Lieber gůter gesell,‹ sagt der portner, ›wilt du zů sant Veiten, můst du dich noch mer den berg hinauf strecken, dann du findest in nit hie innen.‹ – ›Wie wer dann das ein ding?‹ sagt der waller; ›solten alle heiligen bey einander dinnen sein und wolten eben sant Veiten außgesündert haben? Wie wer[6] daß ein ding?‹ Der portner meint, der waller trib sein speywerck, erzürnt sich über in und sagt: ›Du hörst mich wol, was ich sag. Sant Veit hat in unserm kloster nichts zů thůn; wir hand all heiligen zů patronen.‹ Darauff sagt der waller: ›So behalt du dir deine all heiligen, so wil ich sant Veiten behalten.‹ Damit zog er wider sein straß heimwertz zů.

Als er aber nun zu seinem bauren kam, empfieng er in freündtlich und fragt, ob er die fart außgericht hett. Der waller sagt ja. ›Wo hast du dann den gemalten brieff zum warzeichen?‹ Der waller besan sich kurtz und sagt: ›Ich kam auff den berg in sant Veiten kirch; do was sant Veit nit anheimisch, sonder was unden im kloster bey allen heiligen; also gieng ich herab in das kloster, hieß mir sant Veiten herfürkommen; also richt ich mein sach auß, gab im das opffer. Das nam er, den hanen aber hat er mir geben und geschenckt, laßt dir darbey vil gůts sagen. Er aber hat kein brieff, so er mir hett geben können; dann sy waren all oben auff dem berg.‹ Also glaubt im der gůt einfaltig baur, gab im seinen lon und ließ in lauffen. Der gůt waller was wol content; dann er hat drey schantzen mit einer karten gewunnen.

In disem stuck sollen wir dreyerley warnemmen. Erstlichen die groß einfalt, mit deren die welt umbgadt; dann so einem etwas kranckheit oder trübsal zůhanden gadt, findt man gar vil, so deß rechten, waren und gebanten wegs verfelen, gedencken wenig an Christum, unseren seligmacher; dann der ein růfft zů disem, der ander zů yenem heiligen, so doch Christus im evangelio Joannis 10. gantz klärlich mit außgetruckten worten sagt: ›So ir etwas den vatter bitten in meinem nammen, das wil er thůn.‹ Item: ›Ich bin der weg, das leben und die warheit; niemant kumpt zum vatter dann durch mich.‹ Und an einem andren ort sagt er, Matthei 11: ›Kömpt här zů mir, alle die ir müyselig unnd beladen sind! Ich wil euch erquicken.‹ – Zum andren ist sich auch gnůg zů verwundren, daß die welt so einfeltig ist, so daß einer meint, er wölle vil verheissen, ob er das gleichwol nit thůn kan, wölle er das einem andren befelhen außzůrichten; als dann zů vil malen geschicht, daß einer einem anderen verdingt ein anzal für in zů betten, fasten oder also zů wallen bin und wider. Es laßt[7] sich aber nit also verstreichen; sunst wer Adam im paradeiß wol bestanden, als er den apfel aß; dann er sagt: ›Das weib gab mir, und ich aß.‹ Also wolt sich auch das weib mit der schlangen verantworten. Da halff aber kein außred, es můßt ein yegklichs sein burd selb tragen. – Zum dritten ist auch ein grosser mißbrauch entstanden mit den opffern. Die sind hin und wider getragen worden in die reichen gottsheüser, namlich gůt feißt hennen, hanen und kapaunen; wem aber die zů trost kommen, weißt gott wol; dann die geschnitzten unnd gemalten heiligen hand sy nicht genossen. Darneben aber haben wir die lebendigen heiligen wenig bedacht, auff welche wir billich sehen solten. Die aber haben grossen hunger und mangel in iren kranckheiten leyden můssen, so doch Christus spricht Matthei 23: ›Was ir gethon habt den geringsten under disen meinen brüderen, das habt ir mir gethon.‹ Darumb lassen unser walfarten und opfer gericht seyn zů den lebendigen heiligen! Von disem gnůg.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 5-8.
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