Es thät ein Mägdlein früh aufstehn.

[172] Es thät ein Mägdlein früh aufstehn,

Ihren Herzallerliebsten zu suchen gehn,

Und sie sucht ihn unter der Linden,

Aber sie könnt ihren Liebsten nicht finden.


Da kam gegangen ein Herrchen fein,

Der sprach: was thut sie da ganz allein,

Oder zählt sie die grünen Bäume

Und alle die gelbgoldenen Rosen?


Ich zahle die grünen Bäume nicht

Und alle die gelbgoldenen Rosen nicht,

Ich hab meinen Liebsten verloren,

Kann keine Zeitung von ihm hören.


Hat sie ihren Liebsten verloren,

Kann keine Zeitung von ihm hören?

Er lebt auf Seelands Auen

Und verkehrt mit andern schönen Frauen.
[173]

Lebt er auf Seelands Auen,

Verkehrt er mit andern schönen Frauen;

So mag der Himmel sein Leitsmann sein,

Und aller schönen Frauen, die bei ihm sind.


Was zog er aus seinem Ermel?

Ein Kettlein roth von Gold;

Schönes Kind die will ich ihr schenken,

Will sie an ihr Lieb nicht mehr denken.


Und wäre noch einmal so lang das Ding,

Daß sie vom Himmel zur Erde hing,

Viel lieber will ich sie missen,

Als eine andere Lieb mir erkiesen.


Da ward dem Junker sehr leicht zu Muth,

Schönes Kind, seh sie sich vor, was sie thut.

Sie ist ja mein bräutelich Mägdelein,

Will mein Lebstage keine andere frein.


Blaues Buch.

Quelle:
Ludolf Wienbarg: Holland in den Jahren 1831 und 1832. Erster und Zweiter Theil, Hamburg 1833, S. 172-174.
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