Fünfter Auftritt.

[14] Die Vorigen, Livius Drusus, Volk. Kleon verschwindet in der Menge.


METELLUS. Was rufen sie da hinten?

OPIMIUS. »Nieder, nieder mit Gracchus!« Für sich. Meine Meute bellt! Laut. Livius Drusus der Allwissende kommt; nun werden[14] wir's hören. Ist der Mann, von dem heute jeder Säugling in Rom spricht, – ist er da, oder nicht?

DRUSUS kommt von der Säulenhalle her; Volk drängt nach, füllt die Halle und die zu ihr hinaufführenden Stufen. Ob er da ist? Consul und Censoren, zweifelt nicht mehr; mit diesen meinen Augen hab' ich ihn eben gesehn! Er trat vor seine Thür, grüßte die gaffende Menge so mit der Hand, und mit einem ganz verwünschten Lächeln sagte er: Ich bitt' euch, Freunde, gönnt mir ein wenig Platz; nur so viel, um auf meinen beiden Füßen zur Versammlung zu gehen und zu meinen Mitbürgern zu sprechen! Heute gelt' ich noch für einen schlechten Bürger: morgen hoff' ich euer Tribun zu sein!

OPIMIUS lacht laut auf.

METELLUS. Volkstribun! Ist er toll?

OPIMIUS. Er ein Volkstribun! Nie, so lang' ich lebe!

DRUSUS lächelnd. Nun, fürchte noch nichts für dein Leben, Opimius! Sie machen ihm Platz, um zur Versammlung zu gehn – aber sie sehen auf ihn hin, wie man auf's Schlachtopfer sieht. Auf den Prellsteinen stehen sie, von den Dächern rufen sie's herunter: Wir wollen keine Gracchen mehr! Fort mit ihm ins Gefängniß!

VOLK nah und fern. Fort mit ihm in's Gefängniß!

METELLUS nach einer Weile, laut. Still! Er hat mittlerweile mit seinen Schreibern die Tribüne erstiegen; die Senatoren und Censoren nehmen links auf ihren Sitzen Platz, die Lictoren stellen sich rechts und links neben die Tribüne.

AGRICOLA. Still! Der Consul will reden.

LICTOR dem Metellus gewinkt hat. Im Namen des Consuls: alles Volk schweige![15]

METELLUS. Senat und Volk hab' ich hier versammlet, um unter dem Schutz der Götter über die Klagen der Bundesgenossen zu beschließen. Lucius Opimius will reden; ich ruf' ihn auf.

OPIMIUS steht auf. Eh' ich zur Sache rede, – noch ein anderes Wort! Ich stehe hier auf und klage.

METELLUS. Vor wessen Gericht, gegen wen? Verworrener Lärm und Bewegung im Hintergrund. Einzelne Stimmen: »Gracchus!« Der Ruf pflanzt sich bis in den Vordergrund fort; Alles blickt nach hinten.

OPIMIUS. Vor dem versammelten Volk, gegen Gajus Gracchus, den Quästor der Republik. Das Gesetz verachtend, hat er den Proconsul verlassen, sich vom Heer entfernt. Hier in Rom ist er erschienen – Bricht ab, nach hinten blickend. Die Menge in der Säulenhalle ist auseinandergewichen, Gracchus sichtbar geworden; mit Pomponius tritt er zwischen den Säulen vor.

METELLUS. Nun, so begründe die Klage! Wenn du's beweisest, daß Gracchus gekommen ist – Gracchus steigt die Stufen herunter, bleibt endlich auf dem freien Raum vor der Tribüne stehen; allgemeine Stille.


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Gracchus der Volkstribun. Berlin [1872], S. 14-16.
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