Vom Berge bis über die See

[82] Es baute der Ritter ein ragendes Haus

Vom Berge bis über die See.

Sein Liebchen schaute zum Söller hinaus,

Die schöne Dorothee.


Im Winde wehte die Lockenflut

Vom Berge bis über die See.

Da sang sie hinaus ihren Übermut,

Die schöne Dorothee.


»Ade, graubärtiger Wassermann,

Vom Berge bis über die See!

Dein stürmisch Werben reicht nimmer hinan

Zur schönen Dorothee.


Laß springen die Wogen und brüllen so wild,

Vom Berge bis über die See.

Sie prallen zurück vom Felsenschild

Der schönen Dorothee.


Ich schlage die Harfe und lache laut

Vom Berge bis über die See,

Ich bin ja des stattlichen Ritters Braut,

Die schöne Dorothee!«
[83]

Da ward so weiß wie die Kreidewand,

Vom Berge bis über die See,

Des Wassermanns Angesicht und verschwand

Der schönen Dorothee.


Doch einst in schauriger Regennacht,

Vom Berge bis über die See,

Wie Nebel schlich es zur Kammer sacht

Der schönen Dorothee.


Es hauchte und drückte und würgte sie tot/

Vom Berge bis über die See.

Nun lag erblichen im Morgenrot

Die schöne Dorothee.


Eine Seele entführte der Wassermann

Vom Berge bis über die See,

Zu salzigem Schaume die Seele zerrann

Der schönen Dorothee.

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 82-84.
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