XIII.

Ausgang und Flucht.

[377] Mit Heubner und Bakunin in Freiberg. – Gefangennahme der provisorischen Regierung in Chemnitz – Von Chemnitz nach Weimar. – Liszts Direktion des ›Tannhäuser‹. – Steckbriefliche Verfolgung. – Fünf Tage in Magdala. – Über Jena und Koburg in die Schweiz.


Ich begleitete den Aufstand noch bis zu seinem letzten Erlöschen.

Richard Wagner.


In der Frühe jenes 9. Mai (Mittwoch) war Wagner nach nächtlicher Fahrt in Begleitung jenes Kommando-Mitgliedes nach Freiberg gelangt, wo am Nachmittag zuvor die Chemnitzer Kommunalgarde, gezwungen von den Freischaren und der Volksmasse, eingerückt war und Nachtquartier erhalten hatte. In Verbindung mit der Freiberger Bürgerwehr und den Freischaren rückte sie nun auf der Straße nach Dresden aus. ›Aber kaum war der einige tausend Mann starke Zug eine Stunde weit marschiert, so langte die Nachricht von der Besetzung der Altstadt Dresdens durch die Truppen an, und nun wälzte sich die ganze Masse wieder nach Freiberg zurück. Die Chemnitzer Kommunalgarde zog bald wieder ab und auf einer Seitenstraße nach Hause; die Freischaren blieben zurück. Bald kam auch die flüchtige provisorische Regierung, durch Heubner allein repräsentiert, an. Er wollte um jeden Preis die Stadt verteidigt wissen; vergebens beschwor ihn eine städtische Deputation, dies nicht zu tun. Er wendete sich an die Volksmasse und an die Freischaren, die mittlerweile durch die aus Dresden Abgezogenen verstärkt worden waren, und erhielt natürlich deren Zustimmung.‹1 Die bewaffnete Menge ward in der Stadt einquartiert; sie requirierte noch die Waffen- und Mäntelvorräte der dortigen, nach Dresden kommandierten Reitergarnison; dann beruhigte sie sich allmählich, teils aus Ermüdung, teils nach möglicher Befriedigung ihrer Wünsche und Forderungen.

[378] Daß Wagner von Freiberg aus der provisorischen Regierung auf dem Wege nach der Hauptstadt entgegengefahren sei, berichtet Dinger unter Berufung auf detaillierte Aktenaussagen. Heubner kam in demselben Wagen mit Bakunin und dem Hofpostsekretär Martin, einem ›bekannten Polenfreunde, der bereits früher in eine politische Untersuchung verwickelt und zu schwerer Strafe verurteilt, jedoch nicht nur vollständig begnadigt, sondern auch in seinen Posten wieder eingesetzt war‹.2 Tzschirner und Todt waren nicht mit dabei; sie hatten ihr Wort, mit Heubner zusammenzutreffen, nicht erfüllt. Nach Bakunins Aussage sei ihnen Wagner, der die Reise auf eigene Hand gemacht, zwischen Tharandt und Freiberg begegnet: ›er versicherte uns, das ganze Vogtland und Chemnitz sei für unsere Sache‹.3 Ein weiterer Teilnehmer der Expedition, Professor Semmig, unter dessen roter Fahne einst Arnold Ruge in Leipzig gepredigt,4 erzählt aus der Erinnerung noch einige Details dieser Fahrt. Er hatte den Auszug der provisorischen Regierung bereits von Dresden aus mitgemacht; dort habe ihn der ihm schon längst von Leipzig her bekannte Bakunin angeredet und mit sich fortgezogen. ›Wir gingen zu Fuße bis Tharandt, wo Herr Heubner einen Wagen nahm. Es ist mir, als ob erst eine Weile nachher unterwegs Richard Wagner zu uns in den Wagen stieg. Heubner und Bakunin nahmen den Rücksitz ein, ich ihnen gegenüber; Herr Heubner sagte zu mir: »Herr Kapellmeister Wagner.« An ein Gespräch war nicht zu denken; vor uns, um uns, hinter uns nichts als bewaffnete Scharen, – welche Aufregung! Aber aller Lärm um uns her, alles Stürmen und Waffenrasseln der Massen umher ward übertäubt von den flammenden Reden Wagners. Niemals habe ich einen Menschen in solcher Erregung gesehen; an diesem Morgen ging für ihn alles in der politischen Revolution auf. »Krieg« und immer »Krieg« rief er, das war das einzige, was er auf den Lippen und im Kopfe hatte; es war ein solcher Sturm von Worten, daß ich mich unmöglich auf alles besinnen kann. Aber um nichts gebe ich den Eindruck hin, den mir Richard Wagner zurückgelassen hat, um nichts die Erinnerung an diesen Moment, wo, umringt von waffenstarrenden Scharen, der gewaltige Komponist der »Nibelungen« mir als Rienzi, als Tribun des Volkes, erschien. Wohl länger als eine halbe Stunde währte dieser Paroxysmus, und so war ich von dem Redegewitter des neben mir sitzenden – soll ich sagen: Wotan oder Siegfried – ergriffen, daß ich nicht ein einziges Wort an ihn richten konnte Es bleibt dieser Moment mir eine der packendsten Erinnerungen aus diesen furchtbar stürmischen Stunden.‹5

In der Nähe der Stadt verließ Heubner den Wagen, wie er selbst berichtet: ›Ich ging mit meinem Begleiter ein Stück Weges nach Freiberg, [379] ohne den Wagen wieder zu besteigen. Hier bin ich, ohne die Chemnitzer Kommunalgarde zu treffen oder zu sehen, sofort mit meinem Begleiter Bakunin und dem Kapellmeister Wagner, der von Tharandt aus mit mir gefahren war, in meine Wohnung gegangen.‹6 Übereinstimmend damit berichtet Frau Heubner, daß ihr Gatte mit zwei Freunden ins Haus gekommen sei, deren einen er ihr als den Russen Bakunin, den anderen als ›Kapellmeister Wagner‹ vorstellte. Hieran schließt sich die Erzählung Stephan Borns, wonach ihn Wagner, als den Führer der von ihm kommandierten Dresdener Truppen, im Hause Heubners mit einer ›begeisterten Umarmung‹ empfangen habe.7 Während sich Heubner zu weiteren Besprechungen mit den städtischen Deputationen auf das Rathaus begab, seien Wagner und Bakunin (nach der weiteren Aussage der Frau Heubner) in der Wohnung verblieben und auf einem Sofa im Nebenzimmer ermüdet eingeschlafen. ›Schließlich trat ein Unbekannter ins Zimmer und frug nach der provisorischen Regierung, der an beide gewiesen ward. Wagner ermunterte sich zuerst, weckte dann Bakunin und strich sich das Haar von der Stirn mit den Worten: »schön geträumt!«‹ Er folgte nun Heubner auf das Rathaus und traf ihn, während dieser soeben vom Balkon aus in ernster Ansprache sich an die versammelte Bevölkerung wandte.8 Die Freiberger Behörden verharrten jedoch dabei, daß sie den kühnen Führer beschwöre, die Stadt nicht den Schrecknissen einer Belagerung auszusetzen. In der Tat konnte man es sich nicht verhehlen, daß bei der geringen Entfernung Freibergs von Dresden es an Zeit gebrechen würde, sich hinreichend auf den bald zu gewärtigenden Angriff vorzubereiten.9 Heubner und die Barrikadenkommandanten berieten noch spät abends gemeinschaftlich: Freiberg ward aufgegeben und Chemnitz zum Sitze der provisorischen Regierung ausersehen.10 Nach Dinger habe Wagner noch mit Heubner und Bakunin zu Abend gespeist; und es wäre seine Schilderung der Chemnitzer Zustände gewesen, die ihre Entscheidung für Chemnitz bestimmt habe. ›Beide forderten ihn auf, sie in ihrem Wagen zu begleiten; allein Wagner nahm dies Anerbieten nicht an. Die rein politischen Gespräche [380] der Flüchtlinge behagten ihm nicht (!), er stand von ihrem Tische auf und promenierte auf dem Marktplatz. Eine zufällig vorüberfahrende Extrapost, die nach Chemnitz zurückkehren wollte, sprach er an und fuhr nach Chemnitz, wo er vor Heubner und Bakunin eintraf. In Chemnitz wohnte zum Glück sein Schwager Wolfram, ein angesehener Kaufmann und nebenbei Kommandant der Kommunalgarde.‹ So Dingers Bericht, der dafür keine Quelle angibt. Die Behauptung, Wagner seien – in dieser Situation! – die ›rein politischen Gespräche der Flüchtlinge‹ lästig gewesen, und die darin bekundete Annahme über die Gesinnung des Meisters hat der Erzähler allein zu verantworten; sie gehört zu den vielen kleinen Zügen, an denen seine Darstellung so reich ist und von denen ein einziger genügt, um das Bild Wagners zu entstellen. Stephan Born seinerseits tut sich in seinen Erinnerungen etwas darauf zugute, er habe Wagner sowie Heubner und Bakunin geraten, bei ihrer nächtlichen Ankunft in Chemnitz doch ja nicht in einem Gasthof abzusteigen, weil sie dort leicht in aller Stille aufgehoben werden könnten. Wagner sei diesem Rate gefolgt und habe sich zu seinem Schwager ins Quartier begeben: ›Heubner und Bakunin aber gingen in das Hotel und wurden dort richtig gefangen genommen.‹

Die näheren Umstände dieser Gefangennahme sind an verschiedenen Orten mit allen Einzelheiten berichtet Heubner war mit Bakunin und dem Postsekretär Martin noch in derselben Nacht (vom 9. zum 10. Mai) den bewaffneten Scharen vorausgeeilt, um das Nötige anzuordnen ›Daß sie allein, ohne Schutz gekommen waren, sollte ihr Verderben sein. Sie hatten mit den dortigen Führern alles besprochen und sich gänzlich erschöpft zur Ruhe gelegt, als einige Elende (deren einer sogar selbst kurz vorher eine Subskription für Waffen, Pulver und Blei zur Ausrüstung des Zuzugs nach Dresden eröffnet hatte) die Bedeutung dieser letzten Stützen der Bewegung wohl erkennend und auf eine reiche Belohnung seitens des Hofes rechnend, bei Nacht in den unbewachten Gasthof drangen, die Wehrlosen überfielen und verhafteten und sogleich über Altenburg und Leipzig nach Dresden brachten.‹11 Alle Nachrichten von einer ›verzweifelten Gegenwehr‹ der Gefangenen sind nicht etwa bloß übertrieben, sondern einfach unwahr und erdichtet. ›Wir legten uns zu Bette‹, berichtet Heubner selbst. ›Wenn von einem gefahrvollen Unternehmen und von nicht unbedeutender Gegenwehr bei der Verhaftung erzählt wird, so ist dies eine weidliche Flunkerei. Leute zu überwältigen, in deren Augen seit sechs Tagen und sechs Nächten kein Schlaf gekommen, wenn sie endlich in solchen versunken sind, ist kein Heldenstück.‹12 Der Verräter, welcher die Polizei führte, die wehrlosen Flüchtlinge dingfest zu machen, war ein früherer Chemnitzer Demokrat, Dr. Becker mit Namen.13 Herr von [381] Beust behauptet in seinen Memoiren, man habe ihm tags zuvor mitgeteilt, welche Richtung die Führer des Aufstandes nehmen würden, um ihnen den Weg zu verlegen; er habe aber davon keinen Gebrauch gemacht, – offenbar um das mit der Gefangennahme des ebenso heldenmütigen als aufopferungsvollen Mannes verknüpfte Odium zu vermeiden und sich einer wohlfeilen Großmut zu rühmen. Charakteristisch ist es, daß man es nicht wagte, die Gefangenen auf dem nächsten Wege nach Dresden zu führen; man hielt ihren Transport auf dem Umwege über Altenburg und Leipzig und ihre Auslieferung an preußische Truppen für geratener. Wie Wagner bei der Nachricht zumute war, klingt noch aus den brieflichen Worten nach, die er ein Vierteljahr später (9. August) an Uhlig richtet. ›Heubners, Röckels und Bakunins Schicksal kümmert mich sehr. Diese Leute durften allerdings nicht gefangen werden! Hier kann man nur gerecht und entsprechend urteilen, wenn man die Zeit aus ihren großartigen Gesichtspunkten betrachtet. Wehe dem, der im großartigsten Sinne handelte, und für seine Handlungen dann von der – Polizei beurteilt wird. Das ist ein Jammer und ein Hohn, den nur unsere Zeiten bieten können‹

Die erste Frage seines Schwagers Wolfram an Wagner soll gewesen sein: ›Hast du dich am Aufstande beteiligt?‹ Auf diese Frage habe ihm Wagner ganz gelassen entgegnet. ›Nein, ich bin nur Neugieriger gewesen‹, ihm darauf seine Erlebnisse erzählt und hinzugefügt, daß er, wenn alles vorüber sei, sofort wieder nach Dresden zurückkehren würde. Es fällt uns allerdings schwer zu glauben, der Meister habe diese letztere Äußerung buchstäblich so getan – aus mehr als einem Grunde. Zunächst hat sich wohl der Leser aus allem der Katastrophe Vorhergehenden hinreichend davon überzeugt, wie sehr sich der Künstler noch vor ihrem Eintritt innerlich und äußerlich von seiner, durch eine Selbsttäuschung einst ihm aufgedrungenen Stellung losgesagt hatte: was konnte er vollends unter den nun eingetretenen Bedingungen und Verhältnissen noch von ihr verhoffen? Sollte er wirklich eine ähnliche Absicht verlautbart haben, so sprach daraus ersichtlich nur das Bewußtsein von der Unanfechtbarkeit seines Verhaltens in dem stürmischen Verlauf der letzten Begebenheiten, und die entschiedene Abneigung, den Konsequenzen dieses Verhaltens sich durch eine heimliche Flucht zu entziehen War er sich doch, selbst im Sinne der nunmehrigen Beherrscher der Situation, keiner gesetzwidrigen Handlung bewußt, wenn man ihm nicht seine stets offen und unverhohlen bekannten Sympathien zum Vorwurf machen wollte. Zu irgendwelcher direkter Betätigung seinerseits war es ja – mit einiger Ausnahme jener an die sächsischen Soldaten gerichteten Aufforderung – nicht gekommen. Und gerade diese war in dem allgemeinen Tumult so spurlos vorübergegangen, daß sie in den, von den unwesentlichsten Einzelheiten wimmelnden ›Akten‹ nicht einmal erwähnt zu sein scheint, so daß wir, ohne [382] die übereinstimmende Erinnerung zweier verläßlicher Augenzeugen,14 bis auf den heutigen Tag nichts davon wissen würden, da sich Wagner ihrer begreiflicherweise nachmals in seinen Schriften und Briefen nicht erst noch besonders gerühmt hat. Unmöglich konnte, in den Augen aller Beteiligten, ihres guten Rechtes sich Bewußten, die bloße nackte Tatsache der Besiegung der Volkspartei in einem ihr aufgedrungenen Kampfe15 eben diesen heldenmütig geführten Kampf gegen die Übermacht zu einem Verbrechen stempeln. Dies war auch die Ansicht Röckels, der um die gleiche Zeit, durchdrungen von der heiligen Berechtigung seiner Sache, selbst unter den brutalsten Mißhandlungen (vgl. Anhang) keinen Augenblick an seiner baldigen Freilassung16 zweifelte. Mit Mühe gelang es daher Wolfram, in besserer Würdigung der gefährlichen Lage seines Schwagers, ihn zur Flucht zu bereden und ihn bei einbrechender Dunkelheit im eigenen Wagen fortzubringen. Er drang dabei sogar auf die Befolgung der Vorsichtsmaßregel, daß Wagner den geschlossenen Wagen bereits in der Remise heimlich besteigen mußte; der Kutscher, welcher anschirrte, hatte keine Ahnung davon, daß außer seinem Herrn noch ein Passagier mitfuhr.17 Über Altenburg gelangte Wagner so nach Weimar, wohin ihn gerade in diesen Maitagen auch unter ordnungsmäßigen Umständen sein Weg geführt haben würde, um der dortigen Aufführung seines ›Tannhäuser‹ beizuwohnen.

So traf er am Sonntag, den 13. Mai, in der freundlichen Ilmstadt ein und nahm daselbst in Liszts Absteigequartier, dem Hotel Erbprinz, Wohnung. Schnell erfolgte zwischen beiden Freunden eine Verständigung hinsichtlich der überraschenden Umstände der diesmaligen Anwesenheit Wagners; und alsbald sehen wir in Liszts Kopfe die Ideen kreisen, um helfend, fördernd, entscheidend in die schwierige Situation einzugreifen. Er denkt an Pariser, an Londoner Erfolge, und gleich vom folgenden Tage, dem 14. Mai,[383] ist ein Brief an seinen früheren Sekretär und Konzertbegleiter Gaëtano Belloni in Paris datiert, worin er seine Dienste zu solchen Zwecken mit Feuereifer in Anspruch nimmt. ›Lieber Belloni‹, so lautet dieses Schreiben,18Richard Wagner, Kapellmeister von Dresden, ist seit gestern hier. Das ist ein Mann von bewunderungswürdigem Genie, ja ein so schädelspaltendes Genie (un génie si trépantique), wie es für dieses Land paßt, eine neue und glänzende Erscheinung in der Kunst. Die letzten Dresdener Ereignisse haben ihn zu einem Entschlusse genötigt, bei dessen Ausführung ich ihm mit allen meinen Kräften zu helfen fest entschieden bin. Nachdem ich lange darüber mit ihm beraten, sollen Sie hören, was wir ausdachten und was sich auch durchaus realisieren muß. Zuerst wollen wir einer großen, heldisch bezaubernden Musik Erfolg verschaffen, deren Partitur seit einem Jahr vollendet ist. Vielleicht geht dies in London? Chorley19 z.B. könnte ihm in diesem Unternehmen sehr förderlich sein. Käme Wagner im nächsten Winter mit diesem Erfolge in der Tasche nach Paris, so würden sich ihm, mit was er immer anklopfte, die Pforten der Oper öffnen. Ich habe wohl nicht nötig, Ihnen gegenüber in nähere lange Erörterungen einzutreten, Sie verstehen und müssen sich informieren, ob es in diesem Augenblick in London ein englisches Theater gibt (denn die italienische Oper würde unserem Freunde nichts nützen!) und ob einige Aussichten sind, daß ein großes und schönes Werk von Meisterhand dort Erfolg haben könnte. Beantworten Sie mir das so schnell als möglich. Später, d.h. gegen Ende des Monates, wird Wagner durch Paris kommen. Sie werden ihn sehen und er wird mit Ihnen direkt sich unterhalten über die Richtung und Ausdehnung des ganzen Planes und herzlich für jede Gunst dankbar sein. Schreiben Sie bald und helfen Sie mir wie immer. Es ist ein edles Ziel, zu dessen Erreichung alles geschehen muß.‹

Aufs neue führte ihn Liszt der Fürstin Wittgenstein zu; über den mächtigen Steinbau der Ilmbrücke schritt er mit ihm durch das dunkle Nadelgehölz der bewaldeten Anhöhe auf schattigen Stufen den Pfad zur Altenburg hinauf, von deren Gemächern eines nachmals von Liszt zum Sanktuarium für die ihm überwiesenen Originalpartituren der Werke Wagners von den ›Feen‹ bis zum ›Lohengrin‹ bestimmt wurde.20 Noch ungewiß über den [384] eigentlichen Charakter der ihm drohenden Verfolgung verbrachte Wagner hier in der verschwiegenen Abgeschiedenheit von Weimar und Eisenach21 einige bedeutungsvolle Tage, die ihn mit steigender Gewißheit der hingebenden Neigung Liszts und dessen für jeden seiner Wünsche weitgeöffneten Herzens versicherten. Er sah und hörte ihn eine Probe des ›Tannhäuser‹ dirigieren und war erstaunt, durch diese Leitung sein anderes Ich wiederzuerkennen. ›Was ich fühlte, als ich diese Musik erfand, fühlte er, als er sie aufführte; was ich sagen wollte, als ich sie niederschrieb, sagte er, als er sie ertönen ließ. Wunderbar! durch dieses seltensten aller Freunde Liebe gewann ich in dem Augenblicke, wo ich heimatlos wurde, die wirkliche langersehnte, überall am falschen Orte gesuchte, nie gefundene Heimat für meine Kunst.‹

Als einen besonders ›auffälligen Beleg‹ dafür, wie sehr Wagner die revolutionäre Erhebung in Deutschland ›vom rein idealen Standpunkte aus‹ erfaßte, finden wir den Umstand angeführt, daß Wagner seinem Freunde das Verlangen kundgab, dieser möge ihn beim Weimarischen Hofe und insbesondere der kunstsinnigen Herzogin und Großfürstin Maria Paulowna vorstellen. ›Gewiß ein recht naives Begehren für den Dresdener regierungsfeindlichen Republikaner und Revolutionär‹, fügt ein Beurteiler der Sachlage22 hinzu, der eben durch dieses, keineswegs ironisch gemeinte Urteil eine Befangenheit in politischen Begriffen und Gegensätzen an den Tag legt, wie sie Wagner durchaus fern lag. Vielmehr brauchte er Liszt gar nicht erst zu versichern, daß seine unbemäntelte Sympathie mit der in Dresden zum Ausbruch gekommenen Bewegung und die darin kundgegebene Gesinnung ›weit entfernt sei von jenem lächerlich fanatischen Charakter, der in jedem Fürsten einen verfolgungswürdigen Gegenstand erblickt‹. Überdies vermögen wir über die Richtigkeit der Angabe, wonach das Verlangen nach einer solchen Vorstellung von Wagners Seite ausgegangen sei, von uns aus nicht zu entscheiden. Es dünkt uns jedoch aus inneren wie aus äußeren Gründen bei weitem wahrscheinlicher, der Wunsch nach persönlicher Bekanntschaft des Künstlers sei von seiten der hochgestellten Frau selber verlautbart worden. Die Tatsache einer Begegnung zwischen der Großfürstin und dem bereits politisch verfolgten Schöpfer des ›Tannhäuser‹, während seines mehrtägigen Aufenthaltes in Weimar und Eisenach, wird uns in Wagners Briefwechsel mit Liszt mehrfach bestätigt. Wagner spricht darin ausdrücklich und wiederholt von dem ›schönen Eindruck, den jene fürstliche Frau in ihrer warmen Teilnahme auf ihn gemacht‹23 und von der ›höchsten Unbefangenheit, mit der er sich ihr genähert [385] habe‹.24 Doch soll die Begegnung nicht in Weimar selbst, sondern im Schlosse zu Eisenach stattgefunden haben, wohin die Großfürstin am 16. Mai für einige Tage verreiste und wo ›die strenge Etikette der Residenz nicht zu walten brauchte‹.25 In dieselben Tage fällt auch sein erstmaliger Besuch der – damals noch nicht restaurierten – Wartburg. Von ihren Zinnen, die er bei seinem Wiedereinzug in die Heimat vor sieben Jahren im Vorüberfahren mit so warmer Freude von weitem begrüßt hatte, warf er nun den letzten Abschiedsblick auf das Deutschland, an dem seine Kunst mit allen Wurzeln und Fasern ihres Wesens hing. Der hellste Sonnenschein lag über dem grünen Thüringerlande, diesem traulichen Flecken der heimatlichen Erde, welcher er, bereits verfolgt, auf lange den Rücken wenden mußte.

In die Zeit seines Weimarer Aufenthaltes fällt eine dreitägige Abwesenheit Liszts infolge einer unaufschiebbaren Reise, die dem Bedrohten leicht hätte verhängnisvoll werden können. Unmittelbar nach seiner Abreise von Chemnitz hatte sich Minna nach Dresden zurückbegeben. Dort ließ sich plötzlich (am Dienstag den 15. Mai?) ein Polizeirat M... bei ihr melden und teilte ihr mit, er habe Befehl, Wagner zu verhaften und seine Papiere durchzusehen Drei Tage dürfe er den Haftbefehl, resp. Steckbrief, zurückbehalten und werde gern von dieser Befugnis Gebrauch machen. Inzwischen möge sie dem Herrn Kapellmeister schreiben: ›wolle er kommen, so möge er kommen; wo nicht, so solle er nur ja bleiben‹. In größter Angst schrieb sie nun sofort an Wagner, er möge wegen des drohenden Steckbriefes Deutschland eiligst verlassen. Statt dessen traf ein Brief des letzteren mit der Mitteilung ein, er wolle vor seiner Abreise noch von ihr Abschied nehmen, und befinde sich bis dahin in seiner Zurückgezogenheit auf Spaziergängen in einer angenehmen ländlichen Umgebung den Umständen gemäß wohl. Ganz bestürzt habe sie ihrem ersten Brief alsbald einen zweiten nachgesendet, darin nochmals das Vorgefallene berichtet und noch dringender zu schleuniger Flucht aus Deutschland geraten. Wiederum sei nun von seiner Seite eine briefliche Mahnung eingetroffen, worin er sie baldigst zu sich berief, ohne der ihm angekündigten drohenden Gefahr mit einem Worte zu gedenken. Bei Liszts Rückkehr – am Freitag, den 18. Mai – löste sich das Mißverständnis; beide Briefe Minnas waren gar nicht an ihn gelangt. Sie waren an Liszts Adresse gerichtet gewesen und während dessen Abwesenheit eingetroffen; sein Kammerdiener hatte mit der übrigen eingelaufenen Korrespondenz [386] auch die beiden für Wagner bestimmten Briefe fürsorglich aufbewahrt.26 Daß Eduard Genast, der Regisseur des Weimarischen Theaters, von Anbeginn ein treuer Verehrer Liszts und sein tüchtiger Helfer bei der Einstudierung des ›Tannhäuser‹ (vgl. S. 321f.), mit ins Vertrauen gezogen sei, wäre von vornherein anzunehmen, auch wenn sein EnkelDr. Merian-Genast uns nicht versicherte: die Töchter des braven, aber in politischer Beziehung besonders ängstlichen Mannes hätten sich noch genau des Abends erinnert, wo ihr Vater den berühmten Dresdener Kapellmeister mitbrachte und den jungen Mädchen die Aufgabe zufiel, in seiner Abwesenheit den Gast zu unterhalten. Wiederholt habe nämlich Genast an diesem Abend ›in höchster Erregung‹ das Haus verlassen, was ja nur im Interesse seines Gastes geschehen sein könne. Angeblich sei nun Genast bei einem dieser Ausgänge, im Auftrage Liszts, zum Großherzogl. Staatsminister v. Watzdorf geeilt, demselben wohlwollenden und verfassungsgetreuen Herrn, der als Reichskommissär und Abgesandter der Frankfurter Zentralgewalt mit seiner eindringlichen Mahnung von Beust so hochmütig abgewiesen worden war (S. 354). Nach Watzdorfs eigenem Bericht habe man ihn in der Tat eines Abends aufgesucht und die Frage an ihn gestellt, wie er sich zu einem am Dresdener Aufstande Beteiligten verhalten, ob er ihn im weimarischen Lande dulden würde. Darauf habe der Minister sehr ernst geantwortet: ›Ich würde ihn, sobald der Steckbrief einläuft, sofort verhaften lassen, und wenn sich dieser Mann im weimarischen Lande befinden sollte, so raten Sie ihm, es so schnell als möglich zu verlassen!‹ Doch soll die Persönlichkeit, welche Watzdorf bei diesem Anlaß sondierte, in Wahrheit keineswegs Genast, sondern – Wagner selbst gewesen sein. So meldet es, im Gegensatz zu jener internen Genastschen Familientradition, eben jene ›Dame des weimarischen Adels‹, welcher [387] Dr. Merian-Genast das wenige wirklich Authentische seiner Nachrichten verdankt. Damit stimmt denn auch, was Kietz direkt aus des Meisters Munde erfuhr ›Er sei damals – wohl in den Tagen von Liszts Abwesenheit in Sorge zum Minister v. Watzdorf gegangen, um ihn zu fragen, wessen er gewärtig sein dürfe, wenn ein Steckbrief für ihn nach Weimar käme. Der Minister hätte ihm die Antwort gegeben: »Dann muß ich Sie ausliefern; aber das sage ich Ihnen, daß ich Ihnen dann meinen besten Wagen zur Verfügung stelle«.‹

Inzwischen waren die drei Tage Vorsprung, deren er sich durch die Einsicht jenes Dresdener Polizeirats zu seiner Rettung hätte bedienen können, erfolglos verstrichen und der ›Steckbrief‹ (im ›Dresdener Anzeiger‹, Nr. 139 vom Sonnabend, den 19. Mai, zwei Tage nach dem Semperschen Steckbrief) zur Publikation gelangt. Da infolgedessen ein weiteres Verweilen in dem, bereits durch die Dresdener Nachrichten unruhig und erregt gewordenen Weimar für den Flüchtling weder ratsam noch sicher war, beratschlagten beide Freunde noch am späten Abend des 18. Mai, in welches Asyl er sich – bei der verzögerten Ankunft Minnas – bis zu dem von ihm festgehaltenen Zusammentreffen begeben könne. Die Beratungen beider Meister fanden auf Liszts Zimmer im Hotel zum ›Erbprinzen‹ statt, und im ›Erbprinzen‹ fand sich denn auch die Hilfe. Liszt fiel plötzlich ein, daß in derselben Etage des Gasthofs ein zuverlässiger, politisch lebhaft interessierter Mann, der Jenaer Professor der Medizin Dr. Siebert wohne. Dieser wurde sofort in das Geheimnis eingeweiht, und versprach alles zu tun, um Wagner in Jena einen Paß zu verschaffen Bis dahin könne der Verfolgte nirgends besser aufgehoben sein, als bei seinem Freunde und Gesinnungsgenossen, dem Ökonomen J. Wernsdorf im Kammergut Magdala, etwa drei Stunden von Weimar. Dorthin sollte er möglichst unauffällig am andern Morgen gebracht werden. Noch in später Abendstunde eilte dann noch ein Bote Liszts nach der Altenburg; mit einigen Zeilen an die Fürstin, um in treuer Sorge für das Wohl des Freundes auch dessen eingeschmolzene Barschaft für seine weitere Reise zu ergänzen.27 Am frühen Vormittag des 19. Mai konnte Wagner in einem Einspänner Weimar verlassen und über Oberweimar und Mellingen seine Fahrt nach Magdala antreten.

Wir überlassen nunmehr dem Kammergutspächter von Magdala, J. Wernsdorf, als einem zuverlässigen Zeugen, der die Vorgänge treu in seinem Gedächtnis bewahrt hat, die schmucklos schlichte Erzählung des Folgenden.28 ›Es [388] war um die Mittagsstunde des 19. Mai 1849, als ein Einspänner aus dem benachbarten Weimar auf meinen Hof fuhr. Aus dem Wagen stieg ein Herr in den dreißiger Jahren von mittlerer Größe, bekleidet mit einem leichten braunen Rocke, dem ein graues Reisetäschchen am breiten grünen Bande umhing. Der Herr überbrachte mir, in mein Zimmer eingetreten, nach kurzer Begrüßung einen Brief, der die wenigen, in flüchtiger Eile geschriebenen Worte enthielt: »Sie erhalten hierbei den Herrn Professor Werther aus Berlin und verfahren mit ihm nach Abrede.« Trotz der fehlenden Unterschrift erkannte ich in den mir wohlbekannten Schriftzügen als Autor des Schriftstückes einen politischen Gesinnungsgenossen, den nun (1886) verstorbenen Hofrat Professor Dr. Siebert aus Jena. Aus Veranlassung früherer Unterredungen mit Dr. Siebert gelegentlich ähnlicher Fälle war mir aus den wenigen Worten sofort verständlich, daß der Überbringer jener wenigen Zeilen ein politischer Flüchtling sei, der bei mir Bergung suche und für dessen Sicherheit und Verpflegung ich nach Kräften zu sorgen aufgefordert wurde. Als ich meinen Gast auf sein Zimmer geführt hatte, wandte sich derselbe rasch zu mir und sagte: »Ich kann wohl offen gegen Sie sein? Ich bin der Kapellmeister Wagner aus Dresden. Denken Sie sich, heute soll in Weimar mein Tannhäuser gegeben werden, da muß ich Weimar den Rücken kehren und mich vor der Polizei verstecken.«29 Ich versicherte meinem werten Gaste, er sei mir unter jedem Namen willkommen und daß ich unter allen Umständen ängstlich dafür Sorge tragen würde, damit er nicht von der Polizei belästigt würde; schließlich bat ich ihn, mit meiner einfachen häuslichen Einrichtung fürlieb zu nehmen.‹ Wernsdorf erwähnt noch erläuternd des Umstandes, daß ihm zu jener Zeit, unter eifrigen landwirtschaftlichen und politischen Beschäftigungen, sowohl der Name Wagners als der des ›Tannhäuser‹ völlig unbekannt gewesen sei, und nimmt dann seine Erzählung wieder auf: ›Mein lieber Gast erschien, nach längerer Ruhe, auf das Glockenzeichen zum Mittagessen in meinem Familienkreise. Nachdem ich Gelegenheit genommen hatte, meinen Schützling als Professor Werther aus Berlin mit meinem Tischgaste, dem Dr. med. Rostock bekannt zu machen, sprach letzterer von einer großen Volksversammlung, die nachmittags in unserem Wohnorte stattfinden sollte. [389] Nach dem Mittagsmahle insinuierte mir Wagner den Wunsch, dieser Versammlung heimlich beizuwohnen. Diesem Begehren kam mein Verwalter in mustergültiger Weise nach, indem er meinem Gaste und mir einen ziemlich bequemen Platz gegenüber der auf einem Brunnen errichteten Rednerbühne verschaffte, wo wir, teils durch die Flügel eines halb offenen Schuppentores, teils durch die Fässer der Bierwirtschaft, den Blicken der erwartungsvollen Volksmenge entzogen, den Volksrednern die Worte von den Lippen nehmen und alle weiteren Vorgänge ungestört und ziemlich genau beobachten konnten. Das Hauptthema der fulminanten Reden war der Aufruf zu bewaffneter Hilfe und Unterstützung der bedrängten Freiheitskämpfer in Baden, wo damals der Aufstand in vollem Flor war. Bei Gelegenheit einer längeren Redepause forderte Wagner mich zu einem Spaziergange auf; wir zogen uns zu diesem Zwecke allmählich zurück, und kaum waren wir unter Gottes freiem Himmel, als er in die Worte ausbrach: »Diese Volksversammlung mißfällt mir sehr, denn sie bleibt für die eigentlichen Zwecke der Redner völlig wirkungslos. Der übergroße Enthusiasmus der Redner teilt sich auch nicht im geringsten Maße der anwesenden Menge mit: am Fuß der Tribüne sitzen ungefähr zwanzig gedungene Claqueurs, die Beifall klatschen, auch dann, wenn gar nichts zu klatschen ist; die große Menge zeigt nicht die mindeste Teilnahme und scheint für die Brandreden völlig verständnislos.« Wir vermieden auf dem Heimwege natürlich jede weitere Teilnahme an der fruchtlosen Versammlung.‹

›Als ich‹, fährt Wernsdorf fort, ›im weiteren Verkehr dem Künstler das Bedauern aussprach, daß ich ihm kein besseres Instrument als meinen ziemlich altersschwachen Flügel zur Benutzung bieten könne, antwortete er: »Ich vermisse das nicht, denn ich spiele am liebsten das Orchester.« Was er damit meinte, wurde mir erst klar, als ich mit allem Hochgenuß seine unsterblichen Werke »Tannhäuser« und »Lohengrin« in Weimar unter Liszts genialer Leitung gehört hatte. Wagner brachte mit mir und meiner Frau den 21. Mai sehr still zu; wir lasen und plauderten abwechselnd über die Weimarer Verhältnisse. über seine Dresdener Beziehungen verhielt er sich schweigsam, obwohl er wissen konnte, daß ich ihm einiges Verständnis entgegengebracht hätte. Nachdem wir uns ungefähr eine Stunde dem Schlafe ergeben hatten, erwachte ich durch das Rollen eines Gefährtes, das plötzlich unter meinem Fenster hielt. Ich vermutete das Ankommen des Wagens sofort als im Zusammenhang mit meinem Gaste stehend, – ob im Guten oder im Bösen? Ich vermutete das Letztere. Vorsichtig am leise geöffneten Fenster lugend, hörte ich eine weibliche Stimme sprechen: »Sind wir denn schon am Ziele?«, worauf der Kutscher erwiderte: »Hier ist das Kammergut!« Da die Polizei sich wohl nur selten weiblicher Hilfe bedient, so waren meine Befürchtungen schnell beseitigt und ich suchte die Pforten des Hauses schnell zu öffnen. Auf [390] der dunkeln Straße hielt eine Chaise, aus der sich schweigend eine Dame bog. Ich kam ihr mit der Frage entgegen: »Suchen Sie vielleicht den Professor Werther aus Berlin?« Zögernd versetzte sie, dem ungewohnten Namen gegenüber: »Ja!« Auf meine Bitte stieg sie aus, überließ mir ihre leichten Reiseeffekten und betrat mit mir den Hofraum, welchen ich sorgfältig wieder verschloß. Hier konnte ich ihre Frage: »schläft mein Mann?« mit »Ja!« beantworten. Meine gute Frau, die keine Ahnung hatte, daß sie die Gattin eines politischen Flüchtlings empfing, hieß die angebliche Frau Professor Werther herzlich willkommen, und ich ging mit der Lampe in der Hand, um ihren Gemahl zu wecken. Als ich diesem in seinem Zimmer zurief: »Stehen Sie auf, lieber Wagner, die Frau Kapellmeister ist soeben gekommen!« fuhr er, wild und verstört um sich schauend, in die Höhe und rief sehr unwillig und überlaut: »Was? das Weib?« – Er sprang mit einem Satz aus dem Bette, blieb aber stehen, indem er sich mit der flachen Hand vor die Stirn schlug und in viel milderem Tone, als wollte er sein Ungestüm gleichsam beschwichtigen, hinzufügte: »Gott – heute ist ja mein Geburtstag!« Die Begrüßung der beiden Gatten war ziemlich kühl. Doch saßen wir, allerhand plaudernd, beim schnell bereiteten Tee bis um die dritte Morgenstunde beisammen. Das Ehepaar zog sich darnach in sein Zimmer zurück. Erst am Mittag erschien es wieder in unserer Mitte. Nach Tische wagte ich die beiden Exulanten auf einem wenig betretenen Pfade in einen angenehmen Buchenwald zu geleiten, von dem sie gegen Abend wieder heimkehrten. Das war wohl die traurigste und trostloseste Geburtstagsfeier, die Meister Wagner je erlebt hat. Frau Wagner verließ uns schon am Morgen des 23. Mai.‹

Auffallend ist in Wernsdorfs Bericht die Darstellung, als sei Wagner von dem Erscheinen Minnas überrascht gewesen. Entweder hatte Wagner, wie über anderes, so auch über den eigentlichen Zweck seines Verweilens in Magdala gegen ihn geschwiegen, oder er hat den rechten Zusammenhang vergessen, und dem ihm eingeprägt gebliebenen Bilde seines aus dem ersten festen Schlaf aufgeschreckten Gastes diese nachträgliche Deutung untergeschoben. Auch mit Wagners Geburtstag hatte ihr Eintreffen nichts zu tun; sie kam nicht etwa, um ihn zu beglückwünschen. Die kühle Begrüßung, deren der Erzähler ausdrücklich Erwähnung tut, beruhte auf dem bereits in der letzten Dresdener Zeit eingetretenen und durch die jüngsten Ereignisse verstärkten Verhältnisse der Spannung und Entfremdung, in welchem sich Minna damals zu ihrem Gatten befand; sie hätte das in den letzten Jahren immer entschiedener unmöglich gewordene Dresdener Anstellungsverhältnis am liebsten noch ferner aufrecht erhalten, und betrachtete die persönliche Beteiligung Wagners an den politischen Vorgängen als ein beklagenswertes ›Unglück‹. Durch ein zunehmend schroffes und ungerechtes Urteil über den Wert und die Bedeutung seines Schaffens, ja seiner gesamten künstlerischen Persönlichkeit, [391] deren notwendigen Wesensäußerungen gegenüber sie wiederholt die Partei seiner heftigen Antagonisten ergriff, hatte sich ihr beiderseitiges, von Hause aus friedliches, heiteres und glückliches Zusammenleben in ein bedauerliches Mißverhältnis umgewandelt, so daß Wagner (nach G. Kietz) einmal bei Tisch in den erregten Ausruf ausbrach: ›Andere sind glücklich, sie haben ihre Feinde außer dem Haus, während ich (mit deutlichem Hinweis auf seine Frau) meinen ärgsten Feind mit mir am Tische habe.‹ Trotzdem hat er sie ihre fortgesetzte Verkennung seines wahren Wesens, ihre unmögliche Forderung noch weiterer Konzessionen an die Welt, von der er sich zur freien Entfaltung seines Genius mit zwingender Notwendigkeit lossagen mußte, zu keiner Zeit durch eine lieblos gleichgültige Abwendung von ihr entgelten lassen; und es ist gewiß ein ergreifender Zug treuer Anhänglichkeit an seine Lebensgefährtin, daß er um eines letzten Abschiedes willen unter so gefahrvollen Umständen selbst Freiheit und Leben aufs Spiel setzte. ›Die entscheidende Stunde schlug‹, so berichtet er selbst; ›ich mußte fliehen und alles hinter mir zurücklassen Einen einzigen Wunsch hatte ich: ehe ich Deutschland ganz verlassen sollte, mein Weib noch einmal zu sehen! Alles wäre mir gleichgültig gewesen, ich hätte mich fangen lassen, – ohne diesen Trost wollte ich aber nicht fortziehen. Nicht um mir diesen Trost zu geben, oder um aus meiner Umarmung noch einmal Trost zu empfangen, entschloß sich aber endlich meine Frau, meinen Bitten nachzugeben, – sondern nur um einem eigensinnigen Menschen es recht zu machen, damit er endlich fortgehe – allerdings um sich zu retten. Ich kann nie die Nacht vergessen, in der ich in meinem Zufluchtsorte geweckt wurde, um meine Frau zu empfangen; kalt und vorwurfsvoll stand sie vor mir und sprach die Worte: »Nun, ich komme, wie Du es durchaus verlangt hast; jetzt wirst Du zufrieden sein! Reise nun fort, ich kehre ebenfalls noch diese Nacht wieder um!«30‹ So sicher war sie in dieser Beziehung ihrer Sache gewesen, daß sie gleich im voraus bei ihrer Abreise den Termin ihrer Rückkehr fest bestimmt hatte und ihm als einen der maßgebenden Gründe für die kurze Dauer ihres Besuches anführte, ihre Schwester könnte sich über die Verzögerung ängstigen. Und so zartfühlend ging er seinerseits auf diesen ihren Skrupel ein, daß er sofort mit ein paar fliegenden Zeilen an Cäcilie Avenarius das vorgeschobene Hindernis aus dem Wege räumte.31 Und dabei war sein gegenwärtiger Abschied nach beiderseitiger Auffassung als ein Abschied auf längere Zeit [392] gedacht! Wer konnte damals voraussehen, daß sich ihm sobald schon eine gastliche Stätte dauernd auftun wurde? Bei der Ungewißheit seiner nächstbevorstehenden persönlichen Schicksale und voraussichtlich wechselnden Aufenthalte konnte er sie als Flüchtling unmöglich an sich binden wollen Unter dem Eindruck der anmutig ländlichen Umgebung Magdalas war ihm vielmehr der Gedanke gekommen ›ihr mit ihrer Familie irgendwo im Weimarischen, vielleicht auf einem großherzoglichen Gute, ein bescheidenes, aber freundliches Asyl zu gewinnen, wo sie mit dem Rest ihres beiderseitigen geretteten Hausstandes sich und vielleicht auch ihm selbst – für die Zukunft – eine neue Heimat bereiten könne‹.32

Den ihm durch Liszt abschriftlich übersandten Steckbrief teilte er seinem freundlichen Gastgeber noch vor seiner Abreise mit den Worten mit. ›Denken Sie, welche Gemeinheit! Die Steckbriefe sind wirklich da: mittlere Statur, braunes Haar, trägt eine Brille! ... Nun, so kann jeder aussehen!‹ Inzwischen waren denn auch die Beratschlagungen der Freunde in Weimar und Jena über seinen weiteren Fluchtplan ins reine gekommen. Ein Brief Liszts brachte die Meldung, daß er in Jena erwartet werde, von wo er weiter, mit Umgehung der Eisenbahnen, die Reiseroute zunächst über Koburg durch Franken nehmen sollte. ›Bis zum Saume des Waldes, der Magdala von Jena trennt‹, schließt Wernsdorf seinen Bericht ›gab ich meinem scheidenden Gast das Geleite. Hier übergab ich den Flüchtling einem zuverlässigen Führer und verabschiedete mich von ihm mit dem Wunsche, daß er alle Fährlichkeiten seiner Weiterreise glücklich überstehen möge.‹ Am Donnerstag den 24. Mai, am Tage nach Minnas Abreise, traf Wagner in Jena ein; hier fand er Liszt und den diesem befreundeten, als talentvoller Improvisator bekannten Professor O. L. B. Wolff wetteifernd um sein Wohlergehen besorgt, während ein Professor Dr. Widmann ihm behufs der Weiterreise seinen Paß darbot.33 Einen kurzen Bericht über diese vier Reisetage finden [393] wir in dem Briefe an Professor Wolff,34 dem er für alle ihm erwiesene Güte dankt: er sei so voller Andenken daran, daß er keinen Griff in seine Taschen tun könne, ohne an Freund Wolffs Fürsorge und Teilnahme erinnert zu werden. ›Leider bin ich langsam genug gereist: von Koburg aus konnte ich erst am Sonnabend früh weiter nach Lichtenfels fahren; glücklich bin ich aber überall unbeachtet durchgekommen. Nur in Lindau, wo ich um Mitternacht ankam, verlangte man mir am Tore den Paß ab; am Morgen erhielt ich ihn, mit einem Visum nach der Schweiz versehen, ohne Beanstandung zurück.‹ Am Montag den 28. früh gelangte er über den Bodensee nach Rorschach: eine halbe Stunde nach Ankunft des Dampfschiffes ging der Eilwagen nach Zürich, von wo aus er bereits am folgenden Tage (in dem erwähnten Briefe an Wolff) den zurückgebliebenen Freunden über seine Reiseschicksale berichtete.

Nach allen aufregenden Katastrophen der letzten Wochen die erste Rast in der Stille des gastlichen Zürich: das war der Abschluß des verhängnisvollen Maimondes, dessen Beginn ihn noch unter dem lastenden Druck seines Dresdener Amtsverhältnisses antraf. Mit diesem und jedem ihm ähnlichen war es nun für immer vorbei. Keine Macht der Welt konnte ihn je wieder in eine Hofkapellmeister-Uniform bringen. ›Mit nichts kann ich das Wohlgefühl vergleichen, das mich – nach Überstehung der nächsten schmerzlichen Eindrücke – durchdrang, als ich mich frei fühlte, frei von der Welt marternder, stets unerfüllter Wünsche, frei von den Verhältnissen, in denen diese Wünsche meine einzige, verzehrende Nahrung gewesen waren! Als mich, den Geächteten und Verfolgten, keine Rücksicht mehr band zu einer Lüge irgendwelcher Art, als ich jede Hoffnung, jeden Wunsch auf diese jetzt siegreiche Welt hinter mich geworfen, und mit zwanglosester Unumwundenheit laut und offen ihr zurufen konnte, daß ich, der Künstler, sie, diese so scheinheilig um Kunst und Kultur besorgte Welt, aus tiefstem Grunde des Herzens verachte; als ich ihr sagen konnte, daß in ihren ganzen Lebensadern nicht ein Tropfen wirklichen künstlerischen Blutes fließe, daß sie nicht einen Atemzug menschlicher Gesittung, nicht einen Hauch menschlicher Schönheit aus sich zu ergießen vermöge: – da fühlte ich mich zum ersten Male in meinem Leben durch und durch frei, heil und heiter, mochte ich auch nicht wissen, wohin ich den nächsten Tag mich bergen sollte, um des Himmels Luft atmen zu dürfen.‹

Fußnoten

1 Korrespondenz aus Freiberg vom 10. Mai in der Augsburger Allg. Zeitung vom 17. Mai, S. 2115.


2 Korrespondenz der Augsb. Allg. Zeitung vom 16. Mai, S. 2099.


3 Dinger, S. 185/86.


4 Augsb. Zeitung vom 16. Mai, S. 2099.


5 Dinger, S. 226/27.


6 Dinger, S. 185.


7 Der junge Stephan Born († in Basel als Redakteur der ›Baseler Nachrichten‹ und außerordentlicher Professor der vgl. Literatur an der Universität) traf mit Richard Wagner auf der Flucht in Freiberg in der Wohnung Heubners, Mitgliedes der provisorischen Regierung zusammen: ›Da stürzte ein begeisterter Mann mit offenen Armen auf mich zu, küßte mich und brach in die glühenden Worte aus: »Nichts ist verloren! Die Jugend, ja die Jugend wird alles wieder gut machen, alles retten!« Es war Richard Wagner, der meine Ankunft in dieser Weise begrüßte, und er umarmte mich noch einmal. Ich hatte ihn nie vorher gesehen, ich war später häufig bei ihm in Zürich, ich sehe ihn immer noch vor mir in jenem Augenblick der ersten Begegnung‹ (Born, Erinnerungen eines Achtundvierzigers).


8 Dinger, S. 186: ›Nach der Rede, welche Heubner vom Balkon des Rathauses in Freiberg hielt, umarmte ihn Wagner coram publico.


9 Röckel, S. 54.


10 Augsb. Allg. Zeitung, S. 115.


11 Röckel, S. 54.


12 Dinger, S. 205.


13 Ebenda, S. 205/6.


14 Kietz und Römpler (S. 360/61). Die eigene Erinnerung Wagners stimmt damit überein. Die wirklich in jenen Akten enthaltenen Beschuldigungen sind sehr übersichtlich zusammengestellt in dem Artikel ›Wagner-Akten‹ von Ludwig Schmidt (Zeitschrift der internationalen Musikgesellschaft, III. Jahrgang 1901, S. 1/8).


15 S. 351 dieses Bandes.


16 ›Erst ganz allmählich faßte ich den Gedanken, daß ich mich in den Händen erbitterter Feinde befand, denen gerade diese Berechtigung nur ein weiteres Motiv zur schonungslosen Verfolgung sein mußte‹. ›Auch einem Metternich und einem Kaiser Franz war es nie in den Sinn gekommen, sich selbst so tief zu erniedrigen, daß sie ihre politischen Gegner – den Zuchthäusern überliefert hätten‹ (Röckel, S. 77, 95). Bekanntlich ward dieses Los sowohl Heubner als Röckel zuteil, im sächsischen Zuchthause zu Waldheim, wo letzterer elf Jahre seines Lebens verbrachte (zwei davon in der völligen Einsamkeit einer düsteren Parterrezelle, ohne irgendeine andere Beschäftigung als die des Spinnrades!) und i. J. 1859 auch, gelegentlich einer Visitation, den persönlichen Besuch seines erbitterten Gegners, des Grafen Beust, in seiner Zelle erlebte und dessen schweigende artige Verbeugung mit gleicher Münze zu erwidern nicht unterließ (Röckel, S. 166).


17 Dinger, S. 187.


18 Franz Liszts Briefe, herausgegeben von La Mara. Band I, S. 75/76.


19 Henry Chorley, geb. 1808 oder 1809, als Schriftsteller und Musikkritiker am ›Athenäum‹ in London von großem Einfluß, den er aber hinsichtlich Wagners stets nur im nachteiligsten Sinne ausgeübt hat.


20 Wagner ließ sie bei seinem Abschiede von Deutschland durch seine Frau an Liszt übersenden (vgl. Briefwechsel zwischen Wagner und Liszt, Bd. I, S. 19.) Sie erhielten in dem Raume, den Liszt sein Heiligtum nannte, in kunstvoll geschnitzter Kassette auf schlankem Säulentischchen ihren, den Besuchern der Altenburg wohlbekannten Ehrenplatz, zu welchem der Hausherr seine Gäste nur mit besonderer Feierlichkeit zu führen pflegte.


21 Liszt an Schumann (5. Juni 1849): ›Wagner hat sich hier und in Eisen ach einige Tage aufgehalten. Ich erwarte täglich Nachrichten von ihm aus Paris, wo er wohl sicherlich seinen Ruf und seine Karriere glänzend vergrößern wird‹ (Liszts Briefe I, S. 19).


22 J. Wernsdorf in seinem Aufsatz ›Sieben Tage aus dem Leben Richard Wagners‹, in der Zeitschrift ›Chorgesang‹ 1886, Nr. 1 und 2.


23 Briefwechsel mit Liszt, I, S. 124. –


24 Ebendaselbst I, S. 27.


25 Näheres und Sicheres über diese ›gerade für jene bewegten Tage interessante Zusammenkunft‹ sei aber erst zu erwarten, wenn das Weimarer Archiv den reichhaltigen Nachlaß der Großfürstin der Öffentlichkeit übergeben dürfe und die zahlreichen Tagebuchbände des damaligen Erbgroßherzogs Karl Alexander sich öffnen (Richard Wagner als Flüchtling in und bei Weimar, von Dr. Hans Merian-Genast, in der Frankfurter Zeitung Nr. 44 vom 13. Febr. 1902).


26 Vgl. Dinger, S. 187–188, der jedoch den von ihmin extenso wiedergegebenen Vorfall durchweg in verzerrter Fassung berichtet. Offenbar ist er ihm so dargestellt worden; von welcher Seite her, geht aus der Erzählung selbst deutlich hervor.A1 Wagner habe in seinem Briefe, ohne jegliche Erwähnung von Flucht und Verfolgung überglücklich (!) geschrieben, er befinde sich inmitten einer reizenden landschaftlichen Umgebung äußerst wohl (!); Minna möge sogleich zu ihm reisen, um dort mit ihm spazieren zu gehen (!) u. dgl. Von dem Verlangen Wagners, vor einer voraussichtlich längeren Trennung von ihr Abschied zunehmen (als nächster Veranlassung seines Schreibens) weiß Herr Dinger nichts zu berichten. Mit dem geringsten Aufwande an kritischer Befähigung hätte er die – ihm offenbar auch nicht im Hinblick auf eine Veröffentlichung vorgetragene – mündliche Erzählung von den gröbsten Überladungen befreien können, die doch durch eine dereinstige Vergleichung der Briefe Wagners an Minna dem unvermeidlichen Schicksal aller ähnlichen kurzlebigen anekdotischen Trivialitäten nicht entgehen können. (Zusatz zur 5. Ausgabe: Diese Briefe sind inzwischen im Druck erschienen. Man vergleiche in ihnen Band I, S. 73/74, deren Inhalt im wesentlichen auf S. 392 vorliegenden Bandes reproduziert ist!).


27 ›Pouvez-vous‹, so heißt der Wortlaut dieser noch erhaltenen Zeilen ›remettre au porteur 60 thalers? Wagner est obligé de fuir, et je ne puis pas lui veniren aide pour le moment. Bonne et heureuse nuit!‹ (Liszts Briefe an die Fürstin Wittgenstein, herausgegeben von La Mara, Bd. I, S. 35).


28 Vgl. den bereits erwähnten Aufsatz: ›Aus Richard Wagners Leben‹ von Ökonomierat Wernsdorf, in der, vom Weimarer Hoforganisten Gottschalg redigierten Zeitschrift ›Chorgesang‹ 1886.


29 Vgl. Liszt an C. Reinicke (30. Mai 1819): ›Wagner qui devra probablement perdre sa position à Dresde, par suite des derniers événements, est venu passer quelques jours avec moi ici. Malheureusement a nouvelle de son Steckbrief est arrivée le jour de la représentation du »Tannhäuser«; ce qui l'a empêché d'y assi'ster.. A l'heure qu'il est, il doit être arrivé à Paris, où il trouvera sûrement un terrain plus favorable au déploiement de son génie dramatique. Le succès aidant, ainsi que je l'ai souvent dit, il finira même par être reconnu pour un grand compositeur allemand en Allemagne, à la condition de faire d'abord représenter ses ouvrages à Paris ou à Londres‹ etc. (Briefe Liszts, I, S. 76).


30 Briefe an Minna Wagner, I, S. 73/74.


31 ›Liebste Cäcilie!‹ In Kürze zwei Zeilen! Minna bleibt auf meine Bitten noch einen oder zwei Tage bei mir, dann erst wird sie zu Euch kommen. Wärst Du wohl so gut, dies ebenfalls nach Dresden, an Natalie zu berichten, damit diese sich über Minnas verzögertes Ausbleiben nicht ängstige? Bald erfährst Du mehr von mir! Leb' wohl und habe Dank für Deine Liebe! Tausend Grüße von Deinem R. W. (Habe im übrigen keine Angst: Minna selbst hat sich davon überzeugt, daß ich vollkommen sicher bin!) Magdala, 22. Mai 49.A2


32 Briefwechsel mit Liszt, I, S. 19, wo den obigen Sätzen noch der andere vorausgeht: ›zumal liegt mir daran, daß sie aus Sachsen und namentlich aus dem verfl– Dresden fortkäme‹.


33 Die unmögliche Behauptung Dr. Dingers, Wagners Frau sei ›über eine Woche umhergereist (!), um für die Flucht ihres Gatten einen fremden Paß geliehen zu bekommen; endlich habe sich ein Dr. Widmann zur Hilfe erboten, mit dessen Paß und Namen es Wagner gelang die Schweiz zu erreichen‹ (Dinger, S. 189), widerlegt sich selbst durch die nachstehenden exakten Daten; 21. Mai: Ankunft Minnas in Magdala; 23. Mai: ihre Abreise; 21. Mai. Wagner bereits in Jena; 25. Mai: mit dem Widmannschen Passe auf der Reise nach Koburg. Für eine achttägige Reise durch Thüringen in Paßangelegenheiten findet sich zwischen dem 23. und 24. Mai keine Zeit; mit der Gewinnung des fraglichen Passes hat sie offenbar überhaupt nichts zu tun gehabt und alles darauf Bezügliche ist Fabel.


34 Abgedruckt im Briefwechsel zwischen Wagner und Liszt, I, S. 18.


A1 Nämlich von Minnas jüngster Schwester Natalie (vgl. über die Briefe an Minna Wagner I, 229/30).


A2 Dieses Briefchen befand sich mit den anderen Briefen des Meisters an seine Schwester nachweislich bis z. J. 1885 im Avenariuschen Familienbesitz und ist später spurlos daraus verschwunden; eine vorher davon genommene Abschrift wurde uns durch die Direktion des Eisenacher Wagner-Museums gütigst zur Verfügung gestellt. Über die – ganz unmaßgebliche – feminine Autorität der Dingerschen Angaben vgl. S. 387 dieses Bandes.

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 2, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 377-394.
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