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[117] Original: im Mozarteum in Salzburg

Beilage: einige Zeilen von Sophie Haibel


An den Musiklehrer Friedrich Schwaan in Rostock


Salzburg, am 18. Mai 1834.


Vielgeliebter Freund!


Jetzt erst weiß ich, wie unendlich lieb und werth Sie meinem Herzen geworden sind, da ich Sie, Ihre liebe Frau und Herrn Weber in einer so großen Gefahr wußte. Ja, ich war untröstlich und glaubte Sie schon alle in jener Welt; denn, sagte ich mir, wäre dies der Fall nicht, so würde mir doch einer von ihnen schreiben. Ja ja, es ist nicht anderst, sie sind alle todt! So[117] jammerte ich laut. Meine gute Schwester suchte mich zu trösten; allein es war nicht möglich. Ich fühlte gar zu sehr meinen wahrscheinlichen Verlust. Ach, wie glücklich war ich aber auch, endlich Ihren Brief vom 1. Mai zu erhalten. Ich wollte meinen Augen nicht glauben. Gott Lob und Danck, daß Sie, Ihre liebe Gattin und mein Freund Weber so von meinem gütigen Schöpfer geschützt waren! Täglich will ich ihm, dem Allmächtigen, dafür danken und ihn bitten, mir Sie alle noch recht lange zu erhalten. Ganz gewiß ging ein Brief an mich von Ihnen verloren, wodurch ich in diesen Kummer versetzt wurde.

Von meinen Söhnen kann ich Ihnen nur so viel sagen, daß ich für dieses Jahr noch nicht so glücklich seyn kann, sie an mein Herz zu drücken, weil mein Wolfgang in Lemberg die Kapellmeisterstelle beim Theater annehmen mußte und es, wie Sie leicht denken können, nicht schicklich ist, sogleich Urlaub zu begeren. Nun läßt er mir die Hoffnung, daß er gewiß mit Urlaub aufs Jahr kommen wird. Gott gebe, daß ich alsdann noch am Leben bin und ich sie beide segnen und an mein mütterliches Herz drücken kann. Seit 27 Jahren waren wir nie alle drei beisammen. Ob ich das große Glück erleben werde, weiß nur Gott allein, in deßen Wille ich mich mit Demuth und Andacht ergebe. Ihrem Wunsche gemäß, etwas Schriftliches von ihm zu haben, werde ich ihm schreiben, und zweifle nicht, daß er Ihren Wunsch erfühlen werde.

Es ist sehr gütig von Ihnen, daß Sie mir Ihre Briefe postfrei überschicken wollen; allein diesmahl hätten Sie es nicht thuen sollen, weil ich allzulange in meiner gespanden Erwartung verbleiben muste. Hätten Sie nur überlegt, daß man gewiß herzlich gerne in solchen Umständen zwanzigfaches Postgeld geben würde, um nur Nachricht von seinen geliebten Freunden zu erhalten. Und nun leben Sie wohl! Küßen Sie Ihre theuere Gattin! Grüßen Sie aufs Freundschaftlichste Herrn D[irektor] Weber, und behalten Sie lieb Ihre treue

Freundin Constanza

Etatsräthin von Nissen.


[Nachschrift:] Ihr Brief kam mir ganz frei in die Hand. Ihren Rath zu befolgen, schicke ich meinen an D. Coiths Sohn et Compagnie nach Wien.

Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 117-118.
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