b) Salomo und die Fledermaus. (Aus Kleinasien.)

[335] Salomo, der Sohn Davids, der König der Menschen und Tiere, versammelte eines Tages alle Vögel der Erde.

»Gebe mir ein jedes eine seiner Federn,« befahl er. »Ich bin alt und brauche ein weiches Bett, um meinen durch die Last der Jahre geschwächten Körper auszuruhen; aus euren Federn werde ich mir ein weiches Bett machen.« Alle Vögel des Himmels, der Adler und der Geier, die Turteltaube und die Amsel, die Wachtel und das Eebhuhn, der Sperling und die Grasmücke, nahmen eine ihrer Federn und brachten sie dem König Salomo dar. Die Fledermaus, sagte sich: »Was nützt eine Feder dem Bett des Sohnes Davids?« Und sie riß sich ihr ganzes glänzendes Gefieder aus und brachte es dem Herrscher. »Sei vor allen gesegnet,« rief Salomo. Dann überlegte er sich, daß in kommenden Jahrhunderten die Fledermaus das Ziel des Spottes anderer Vögel sein würde, und sagte: »Fliege zur Nachtzeit aus, so werden die Vögel und die Menschen dich nicht in der Finsternis bemerken.«

Und seit der Zeit ist die Fledermaus der Vogel der Nacht.


  • Literatur: La Tradition I (1887), p. 293, mitget. von Jean Nicolaïdes.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 335.
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