X. Verschiedenes.

[85] 1. Estnische Sage aus der Insel Oesel.


Eines Tages lag ein Mädchen schlafend in der Schworbe (Halbinsel) beim Meeresufer. Als sie erwachte, gewahrte sie, wie eben eine Heerde Meerkühe aus dem Wasser der See trat, am Ufer weidete und im Begriff war, in ihr Kornfeld zu gehen. Um dieses zu verhüten, lief sie auf die Kühe zu, welche sofort ins Wasser rannten und darin verschwanden. Nur sieben Stück, welche sie beim Laufen von den übrigen abgeschnitten hatte, konnten nicht mehr ins Meer zurück und blieben bei den Menschen. Von diesen stammen alle Kühe mit graublauer Farbe ab.


  • Literatur: Holzmayer, Osiliana S. 54.

2. Lettische Sage.


Die nicht gehörnten Kühe stammen von einer Kuh aus der Herde einer der »heiligen Jungfrauen«. Diese weideten ihre üppigen, milchreichen Kühe auf der Erde. Wenn man ihnen ein Tuch überwirft, zwingt man sie zu bleiben. Bei solch einer Gelegenheit habe sich eine durch eine Kuh losgekauft. Ähnlich sollen die blauen Kühe, die es früher nicht gegeben habe, von einer Kuh stammen, die die Meerjungfrauen zurücklassen mußten, als sie beim Weiden ihrer Meerkühe am Meeresstrande ertappt wurden.


  • Literatur: Lerchis-Puschkaitis VII, 641 f.

3. Aus Finnland.


Das Pferd hatte einen Rausch. Der Mann schindet es auf dem Felde. Hinter der Stalltür wiehert das Pferd. Der Mann bedeckt es mit einer weißen Sackleinwand. So ist der Schimmel entstanden.


  • Literatur: Mündlich aus Kehkalahti. Frdl. Mitt. von Prof. K. Krohn.

4. Aus Frankreich (Béarn).


Der Häher war zum Tode verurteilt worden. Die Vögel rissen ihm die Federn aus und wollten ihn hängen. Da kam der Kuckuck, bewies die Unschuld des Hähers und befahl all denen, die ihn gerupft hatten, ihm eine ihrer Federn einzustecken. (Hierdurch soll das verschiedenfarbige Gefieder des Hähers erklärt werden.)


  • Literatur: Sébillot, Folklore 3, 160.

5. Sage der Batak (Sunda-Inseln).


Imbulu Man war ein federloser Vogel, der seine Federn von andern Vögeln bekam und daher Naga portuppuwan heißt, d.h. Naga, mit dem bekleidet, was zusammengebracht wurde.


  • Literatur: Journ. of the Anthr. Inst. of Gr. Brit. a. Irel. 26, 159.

6. Sage der Maori (Neuseeland).


Mani bat einige Vögel, für ihn Wasser zu holen, auch den creadion carunculatus, ihm Wasser zu holen. Da dieser sich weigerte, warf er ihn ins Wasser.

Danach wollte er den »hihi« schicken, auch dieser gehorchte nicht; so wurde er ins Feuer geworfen und seine Federn verbrannt.

Nun wurde der toto-ara gebeten, Wasser zu holen; der tat es, und er wurde durch weiße Stirnfedern belohnt.

Auch der Kokako ging und füllte seine Ohren mit Wasser, brachte es Mani, der trank es und dehnte die Füße des Vogels in die Länge als Belohnung für seine Freundlichkeit.


  • Literatur: White, Ancient Hist. of the Maori 2, 120.

[86] 7. Sage der Maori.


Mani tättowierte die Schnauze des Hundes mit seinem Tättowierungsinstrument und machte sie schwarz. Die Seeschwalben (Sterna frontalis) nahmen sich das Muster ab und übertrugen es mit Rot auf den Himmel, was man gelegentlich sehen kann. Sie haben auch die Röte verursacht, die oft auf dem Menschengesicht scheint.


  • Literatur: White, Ancient History of the Maori, 2, 126.

8. Aus Schleswig.


Eine phantastische Sage von den Brassen, einem schönen Fisch mit goldenen Schuppen und perlenähnlichen Erhöhungen auf dem Oberkiefer, ist die folgende: Fischern in Schleswig, die gar nichts gefangen hatten, erschien einst die schwarze Gret (die dänische Königin Margarete) und befahl ihnen, die Netze noch einmal auszuwerfen, doch sollten sie den besten Fisch, den sie fangen würden, wieder ins Wasser werfen. Sie fingen nun eine Menge Fische, darunter einen, der Perlen auf der Nase, Flossen von Smaragd und statt der Schuppen Goldmünzen trug Der eine Fischer wollte ihn wieder ins Wasser setzen, der andere aber versteckte ihn, um ihn zu behalten. Allein der Fisch ließ sich nicht verbergen, sondern färbte alle anderen Fische golden, und sie wurden so völlig zu Gold, daß der Kahn von ihrer Schwere untersank. Der gewissenhafte Fischer konnte sich durch Schwimmen retten, der andere aber ertrank. Seitdem sind die Brassen in jenen Gewässern so schön gefärbt.


  • Literatur: Menzel, Gesch. d. dtsch. Dichtung 1, 87 = Biernatzky, Volksbuch auf 1844, S. 87. Müllenhoff Nr. 215.

9. Estnische Sagen (Vgl. ob. S. 77).


Zwei Jäger gingen im Walde. Der eine klagte dem andern, er habe kein Glück und könne weder einen Vogel noch ein anderes Tier fangen. Der andere Jäger sagte, er solle Hirschschlingen aufstellen, dann werde Gott ihm schon ein Tier schicken. Der Jäger tat auch so, und nach kurzer Zeit war ein Hirsch in der Schlinge. Gleich setzte er sich hin, um den Hirsch abzubalgen. Da kam jener Jäger zu ihm, welcher ihm diesen Rat gegeben hatte, und sagte: »Sieh, ich sagte: Gott wird dir ein Tier schicken, wenn du eine Schlinge machst und aufstellst, und nun hat er eins geschickt.« – »Gott mir geschickt?« entgegnete dieser, »nein! ich selbst habe den Hirsch mit meiner Schlinge gefangen.« Kaum hatte das der gottlose Jäger gesagt, da sprang der Hirsch auf, obwohl ihm ein Stück Haut abgebalgt war, und lief in den Wald.

Seit der Zeit ist die Haut des Hirsches auf den Stellen weiß, wo er abgebalgt war.


b) Es lebte ein fauler Mann, der nicht arbeiten, aber wohl essen wollte. Er gab Gott allein die Schuld, daß er hungern mußte. Eines Tages kam ein alter, grauer Mann zu ihm, fragte, was Gott getan habe, daß er ihm so fluche, und gab ihm dann eine Schlinge und hieß dieselbe im Walde aufstellen. Der faule Mann tat es. Am anderen Morgen fand er einen Hirsch in der Schlinge. Der Mann tötete den Hirsch und fing an ihn zu enthäuten. Vom Magen des Tieres hatte er die Haut schon abgezogen, da kam wieder der alte, graue Mann zu ihm und sagte: »Hatte ich nicht recht? Ich sagte, du solltest arbeiten und Schlingen aufstellen, dann würde Gott dir schon zu essen geben. Nun hat Gott dir den Hirsch gesandt. Danke ihm dafür!« Der Mann aber sagte: »Ich selbst habe die Schlingen aufgestellt, und[87] also habe ich selbst den Hirsch gefangen.« Darauf sagte der Greis: »Wenn du ihn selbst ge fangen hast, so halte den Hirsch auch selbst fest,« und berührte den Hirsch mit seinem Stabe. Sofort wurde der Hirsch wieder lebendig und lief in den Wald. Der Greis aber war verschwunden.

Seit der Zeit soll die Haarfarbe des Hirsches unter dem Bauch weiß sein.


  • Literatur: Aus dem hdschr. Nachlaß von J. Hurt.

10. Lettische Sage.


[Ein fauler, ewig unzufriedener Mensch wird von einem alten Mann zum Arbeiten aufgefordert, dann werde ihm Gott alles geben, was er brauche. – Der Mensch fängt im Walde einen Elch und ist gerade dabei, ihm das Fell abzuziehen, als derselbe Alte hinzutritt:] »Nun, sagte ich es dir nicht: mühe dich selbst ab, und Gott wird dir geben!« – »Was hat denn Gott mir gegeben? Ich allein habe die Beute gemacht!« – Da berührte der Alte mit seinem Wanderstab den Elch, der sprang auf die Beine und rannte im Nu in den Wald zurück.

Seit der Zeit hat der Elch einen weißen Bauch zum Zeichen dessen, wieweit in alten Zeiten dieser Jäger mit dem Abfeilen gekommen war.


  • Literatur: Živaja Starina 5, 436.

11. Sage der Eskimos an der Beringstraße.


Der Rabe machte zwei Tiere aus Lehm, denen er Leben gab; aber da sie nur stellenweise trocken waren, als sie das Leben bekamen, blieben sie braun und weiß, und so entstand das zahme Renntier mit dem gefleckten Fell. Der Mensch fand diese sehr schön, und der Rabe sagte ihm, sie würden selten sein. So wurde nun auch ein Paar wilde Renntiere gemacht, und als sie auf dem Bauche weiß und trocken waren, bekamen sie Leben. Daher ist der Bauch, des wilden Renntiers der einzige weiße Fleck, den es hat. Der Rabe sagte dem Menschen, dieses Tier würde sehr zahlreich sein und viel getötet werden.


  • Literatur: Nelson, The Eskimo about Bering Strait, 454.

12. Altaische Sage.


Many (altaisch für Katze, Felis manul) hatte sieben Söhne; der Älteste hieß Borsuk (russ. barsuk = Dachs) ... Sie waren Tierhändler und gingen auf die Jagd; einst trafen sie das Tier Mujgak (Edelhirsch) ... Borsuk erfaßte den Mujgak am Bein. M. schlug den B. an die Stirn und verwundete ihn. Späterhin vernarbte die Wunde, aber die Stelle bedeckte sich mit weißem Fell; daher hat der Dachs seine Blässe.


  • Literatur: Potanin, Očerki 4, 176 a. In einer Var. ebd. S. 177 f. ist der Schluß mit der Ätiologie vom Erzähler vergessen.

13. Aus Rußland.


Der Kuckuck war einst eine Königin, die sich in einen Vogel verwandelte und zum Fenster hinausflog. Hierbei streifte man ihr einen Schuh ab. Daher hat der Kuckuck jetzt einen roten und einen gelben Fuß.


  • Literatur: Etn. Sbornik 6 (Abt. 1), S. 123.

14. Sage der Athapasken.


Ein Fuchs ging mit leerem Magen seines Weges. Plötzlich sah er eine Schar junger Gänse mit ihrer Mutter. Er lief ihnen nach und sang im Laufen: »Ehe ich zum Schlafen gehe, werde ich euren zarten Brustknochen haben.« So kamen sie[88] ans Wasser, und die Gänse, die zuerst dort ankamen, sprangen hinein. Langsam ging ihnen der Fuchs am Wasser nach, in solcher Wut, daß er am ganzen Körper rot wurde, die Schwanzspitze ausgenommen.


  • Literatur: Journ. of Am. Folklore 16, 181.

15. Sage der Bungee.


Weese-ke-jak hört, wie alle seine Geschöpfe murren, und beruft sie zu einer Versammlung. Er kann sich aber vor dem Lärm der Geschöpfe nicht verständlich machen. Der lauteste Schreier ist der Frosch.

Da verlor Weese-ke-jak die Geduld, und wütend über die Frechheit des Frosches nahm er eine klebrige Masse und warf sie auf das Maul des Frosches in der Meinung, damit sein Quaken für immer zu enden. Aber es half nicht. Der Frosch blies das Klebrige wieder aus, nur ein Teil blieb an seinem Maul hängen; daher rührt der weiße Streifen um sein Maul, den er noch heute hat.

[Aus Rache läßt Weese-ke-jak dann die große Flut kommen.]


  • Literatur: Journ. of Am. Folklore 19, 340.

16. Sage der Cherokee.


...... Der Spieler Messing hat verloren und flüchtet sich in Gestalt einer Frau. Die Verfolger wollten gerade einen anderen Weg einschlagen, als der grüne Hornkäfer (horned green beetle), der über dem Kopfe der Frau gekreist hatte, auf ihre Stirn herunterschoß, und da klang es wie Messing: »ûñtsaiyĭ.« Da wußten sie, daß es Messing war, und wollten sich auf ihn stürzen, aber er sprang in seiner wirklichen Gestalt auf und lief so schnell davon, daß er ihren Blicken bald entschwunden war. Der Käfer hatte ihn so sehr gestoßen, daß etwas Messing abgefärbt war, und noch jetzt kann man das an des Käfers Stirn sehen.


  • Literatur: Mooney, Myths of the Cherokee, S. 314.

17. Sage der Shuswap.


Erklärung, warum der Spieler Lumme einen weißen Ring um den Hals hat, s. oben S. 17.


18. Sage der Tillamook.


Der Kopf eines Häuptlings ist abgeschlagen worden. Die Söhne gingen an den Ort, wo der Körper ihres Vaters lag. Sie legten den Kopf wieder an seine Stelle und wuschen ihn im Flußwasser. Da wurde er wieder lebendig. Sie ließen ihn tanzen und singen, aber wenn er sich bewegte, fiel der Kopf wieder ab. Sie versuchten ihn mit verschiedenen Pflanzen anzubinden. Endlich nahmen sie Zederbast, der ihn festhielt. Seitdem hat ihr Vater einen roten Kopf behalten. Er wurde zum Specht.


  • Literatur: Journ. of Am. Folklore 11, 138.

19. Sage der Tsimshian.


[In Matlakatla (südl. von Fort Simpson) lebt der berühmte Jäger Jehūchklanē. Dessen Frau wird, als sie am Strande ein Otterfell wäscht, von einem Walfisch entführt. J. macht sich auf, sie zu retten, und nimmt dazu eine große Menge Tabak und Gift mit sich. Dann bindet er sich ein langes Tau um den Leib und befiehlt einem Sklaven, ihn dort, wo der Walfisch untergetaucht ist, hinabzulassen. Er erreicht eine Höhle, die nicht vom Wasser erfüllt ist, und macht blinde Gänse sehend, indem er ihre Augen mit einer Seekrautwurzel bestreicht. Sie rufen: »Die Augen sind geöffnet, die Augen sind geöffnet.« Und so schreien sie[89] auch heute noch.] Ihre Freude erhöhte Jehūchklanē durch eine Gabe von Tabak, den sie sofort zu kauen begannen. Hiervon rührt die braune Färbung Unter dem Schnabel her. Die Gänse berichteten nun dem Manne, daß der Walfisch vor kurzem mit der Frau vorbeigekommen wäre und daß er ihnen aufgetragen hätte, Wache zu halten; sie aber dächten nicht daran, ihm etwas zuleide zu tun. Doch werde er noch einen schlimmen Stand haben bei der großen Muschel, dem Einhornfisch und der Heilbutte. Wenn er aber zurückkäme, so solle er sich vor ihnen nicht fürchten; sie würden zwar zum Schein immer mit Stöcken auf ihn losschlagen, er solle aber nur schnell vorübergehen, dann würden sie immer hinter ihm her in den Sand hauen. Jehūchklanē ging darauf weiter und kam bald zu der großen Muschel, der er etwas Tabakssaft in die geöffnete Schale spie. Daher schmeckt auch diese Muschel immer innen nach Tabak. Die Muschel klappte aber, sowie der Tabakssaft hineinkam, schnell ihre Schalen zusammen, so daß J. darüber hinweggehen konnte. Nun kam er zu dem Einhornfisch (Cottus sp.?), auf den er ebenfalls etwas Tabakssaft spritzte. Als dieser nun zwischen den Steinen herumhüpfte, trat er ihm auf den Kopf, wodurch dieser ganz breit gedrückt wurde. Danach kam J. zur Heilbutte, die so schlüpfrig war, daß er nicht herübergehen konnte. Auch dieser gab er etwas Tabak, der ihr so gut gefiel, daß sie sich herumdrehte und die rauhe Seite nach oben kehrte. Dann kam er zum Kranich, der vor einer kleinen Zweighütte auf dem Bauche lag, dem Feuer zugewandt. Ihm blies er die Asche ins Gesicht, wodurch die graue Färbung am Bauche entstand. Durch etwas Tabak machte er auch ihn sich zum Freunde; als er aber infolge des Rauches husten mußte, kam das Walfischvolk herbei und erkundigte sich nach der Ursache des Geräusches. Der Kranich aber nahm den Mann als eine kleine Laus unter die Flügel, und da die Walfische ihn suchten und sagten, daß sie ihn röchen, breitete er seine Flügel aus, um zu zeigen, daß er nichts verberge. Nachdem sich die Walfische entfernt hatten, kroch J. wieder aus seinem Versteck hervor. Der Kranich sagte ihm nun: »Fürchte dich nicht vor mir, wenn du zurückkommst. Ich werde zwar nach dir stoßen, aber immer nebenbei.« Zum Dank dafür gab ihm der Mann noch einen schönen Scharbenknochen, aus dem er sich einen spitzen Schnabel machte, mit welchem er tief ins Wasser eintauchen konnte. [Es gelingt ihm dann, seine Frau zu befreien. Als die Walfische die beiden verfolgen, wirft er das mitgenommene Gift ins Wasser. Davon starben sie, einige sanken unter, andere blieben auf dem Wasser liegen, den Bauch nach oben gekehrt; einer liegt auch heute noch, in einen Stein verwandelt, bei Fort Simpson am Strande.]


  • Literatur: A. Krause, Die Tlinkit-Indianer, S. 275.

20. Aus Britisch-Guayana.


Nach einem Kampfe fanden die Vögel, daß der sonst kühne kleine Bentevi .... (saurophagus sulfuratus) nicht zum Kampfe aufgelegt gewesen war. Er hatte sich ein weißes Tuch um den Kopf gebunden, als ob er krank wäre, und war zu Hause geblieben. Dafür zwangen ihn die großen Vögel, das Tuch immer zu tragen. Der Vogel hat noch die weißen Flecken am Kopf und rächt sich noch, indem er die großen Vögel angreift, wo er kann.


  • Literatur: Im Thurn, Among the Ind. of Guiana, S. 382.

21. Aus Polynesien (Mangaia, Hervey-Inseln).


[Ina will über das Wasser gelangen und ruft einen kleinen Fisch (avini).]

Der kleine Fisch gab sogleich sein Einverständnis zu erkennen, indem er ihre[90] Füße berührte. Ina stieg auf seinen schmalen Rücken, aber schon auf halbem Wege bis zum Rand des Felsenriffs konnte er die ungewohnte Last nicht mehr tragen, kippte um, und Ina fiel ins Wasser. Voll Zorn darüber schlug sie den avini mehrmals; daher rühren die schönen Streifen, die der Fisch an der Seite hat, und die »Inas Tättowierung« genannt werden.

..... Ina rief den Fisch paoro, der etwas größer ist als der avini, stieg auf seinen Rücken und begab sich ein zweites Mal auf die Reise. Aber auch der paoro konnte die Last nicht lange aushalten, ließ Ina in das seichte Wasser fallen und schwamm weiter. Ina schlug den paoro voll Zorn, so daß er die schönen blauen Flecken erhielt, die nun den Fisch so schmücken.

Danach versuchte Ina es mit dem api, der ursprünglich weiß war, aber weil er Ina am äußeren Rand des Riffes abwarf, wurde er schwarz durch ihren Zorn.

[Es wird dann ein vergeblicher Versuch mit der See zunge gemacht, der Ina durch einen energischen Fußtritt ein Auge durch den Kopf auf die andere Seite treibt; seitdem muß dieser Fisch flach schwimmen, da die eine Seite augenlos ist.

Einem Haifisch gelingt es endlich, Ina hinüberzubringen. Als sie Durst hat, schlägt sie eine Kokosnuß an seinem Kopf auf; seitdem hat der Haifisch eine Erhöhung am Kopf.]


  • Literatur: Gill, Myths and Songs of the South Pacific, S. 91 ff.

22. Aus Melanesien.


Eine Ratte und ein Purpurhuhn (porphyrio) gingen zusammen spazieren und fanden einen gaviga-Baum (eugenia) mit reifen Früchten. Sie standen darunter und stritten sich, wer von ihnen hinaufklettern solle. Die Ratte sagte: »Huhn, klettere hinauf«, und das Huhn sagte: »Du«. So stritten sie. bis die Ratte hinaufkletterte. Da bat das Huhn sie: »Bruder, gib mir die schwarze reife!« Aber die Ratte fraß sie und warf den Stein hinunter. Das Huhn bat wieder: »Bruder, gib mir diese dort, sie ist sehr reif.« So bat das Huhn wieder und wieder um Frucht, und die Ratte behandelte es immer gleich.

Da bat das Huhn zum letztenmal: »Bruder gib mir diese, sie ist rot und reif.« Da nahm die Ratte sie und warf sie auf die Stirn des Huhns, und da blieb sie stecken.

»He, Bruder«, sagte das Huhn, »du hast mich zum besten gehalten, Bruder, aber komm(schnell herunter, ganz schnell!« Dann nahm es ein entfaltetes (unfolded) Blatt der dracaena, und als die Ratte den Stamm herunterkam, stand es in Bereitschaft und warf das Blatt scharf auf den Rumpf der Ratte, wo es stecken blieb. So ist nun der Schwanz der Ratte ein entfaltetes dracaena-Blatt, das das Huhn ihr ansteckte, und auf der Stirn des Purpurhuhns ist noch die rote gaviga-Frucht, die die Ratte darauf warf.


  • Literatur: Codrington, The Melanesians, S. 360.

23. Aus Australien (an der Vereinigung der Flüsse Page und Isis).


Der weiße Kakadu entstand folgendermaßen. Ein Stück weiße Rinde wurde von einem Baum genommen und in die Höhe geworfen. In der Luft verwandelte es sich in einen Kakadu.


  • Literatur: Journ. of the Anthrop. Institute of Gr. Brit. a. Ireland 7, 257.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 85-91.
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