A. Erlangung des Feuers durch ein einzelnes Tier


A. Erlangung des Feuers durch ein einzelnes Tier.

[96] 1. Sage der Andamanesen.


Die Nachkommen des ersten Menschen erregten den Zorn Pu-lugas, des Schöpfers. Da schickte er eine große Flut, welche alles Lebende vernichtete mit Ausnahme zweier Männer und zweier Frauen, welche sich in einem Kanoe befanden. Als sie landeten, fanden sie alles vernichtet, doch Pu-luga erbarmte sich ihrer, er rief die Tiere wieder ins Leben. Doch litten sie schreckliche Not, da sie kein Feuer hatten. Einer ihrer verstorbenen Freunde erbarmte sich über sie; er flog in Gestalt eines Vogels nach dem Himmel und versuchte einen Feuerbrand im Schnabel wegzutragen, ließ ihn jedoch auf Pu-luga fallen, der neben dem Feuer schlief. Darob geriet der Schöpfer in Zorn und schleuderte das brennende Scheit gegen den Eindringling, traf ihn aber glücklicherweise nicht. Das Holz fiel auf die Erde und gereichte den Menschen, welche ihre traurige Lage bejammerten, zum Troste.


  • Literatur: Globus 50, 136 aus Man, On the Aboriginal Inhabitants of the Andaman Islands.
    Andree, Flutsagen S. 27 aus Journal Anthropol. Instit. 12, 166. Dort wird der Vogel Eisvogel genannt.

[96] 2. Sage der Tlingit.


Es gab kein Feuer auf der Erde; es war auf einer Insel mitten im Meere. Dahin flog El [= Jēlch, der Rabe] in seiner Elsterhaut [? wohl gemeint: Rabenhaut], ergriff einen Feuerbrand und eilte zurück. Aber die Entfernung war so groß, daß der Feuerbrand und sein halber Schnabel beinahe verbrannt waren, ehe er das Festland erreichte. In der Nähe des Ufers ließ er den Feuerbrand fallen, und die Funken flogen auf Felsen und Bäume. Darum gibt es darin Feuer.


  • Literatur: Journal of Am. Folklore 20, 293. Vgl. Krause, Die Tlinkit-Indianer, S. 263.

3. Sage der Ts'ets'ā'ut.


Der graue Bär benutzte die Feuersteine als Ohr schmuck. Darum war er der einzige, der Feuer hatte. Ein kleiner Vogel wollte das Feuer haben und flog zum Hause des grauen Bären. Als dieser ihn bemerkte, sagte er zu ihm: »Bitte komm her und lause mich!« Der Vogel tat es, flog auf seinen Kopf und las die Läuse ab. Dabei näherte er sich den Ohren des Bären mehr und mehr. Zuletzt biß er den Faden durch, an dem der Ohrschmuck hing, und nahm diesen unbemerkt fort. Dann flog er weg. Als der graue Bär seinen Verlust bemerkte, wurde er böse, löschte sein Feuer aus und versuchte den Vogel zu fangen. Dieser spottete und sagte: »Nun wirst du im Dunkeln leben, wirst kein Feuer haben!« Der Bär erwiderte: »Das macht nichts. Ich kann meine Nahrung riechen. Aber du wirst nichts sehen können und mußt dir am Tage Nahrung suchen, wenn es hell ist.« Es wurde dunkel, aber der Vogel blieb ruhig auf dem Baume sitzen, bis es wieder Tag wurde. Dann flog er über die ganze Welt. Dabei flogen Stückchen des Feuersteinschmucks hierhin und dorthin. Auch gab er den Vögeln und den Ts'ets'ā'ut Feuersteine, aus denen sie nun Feuer schlagen konnten.


  • Literatur: Boas, Journ. of Am. Folklore 9, 262. Wie die Varianten 4 und S. 103, 4 lehren, ist der Feuerstein fälschlich statt des Feuers selbst eingesetzt worden.

4. Sage der Indianerstämme am Port River.


Der Coyote (Weltschöpfer) brachte das Feuer in die Welt. Denn den Menschen wurde die Kälte sehr empfindlich. Der Coyote ging weithin gen Westen an eine ihm bekannte Stelle, wo Feuer war. Er stahl etwas von dem Feuer, das er in seinen Ohren heimbrachte. Damit zündete er auf seinen Bergen ein Feuer an, und als dann die Indianer den Rauch emporsteigen sahen, kamen sie und holten auch Feuer, das sie heute noch haben und an dem sie sich wärmen.


  • Literatur: Globus 26, S. 56.

5. Sage der Menomoni.


Manabuch stiehlt als Kaninchen dem alten Manne und seinen zwei Töchtern, die ihn ins Haus bringen, das Feuer. Er läuft so schnell mit dem Feuerbrand, daß sein Fell sehr verbrennt.


  • Literatur: Amer. Anthropologist 3, 254.

6. Sage der Nez Percés.


Einst, ehe noch Menschen auf der Erde waren, lebten Tiere und Bäume und liefen umher und sprachen wie Menschen. Damals besaß die Fichte das Geheimnis des Feuers und bewahrte es ängstlich vor allen andern, so daß auch in der größten Kälte sich niemand an einem Feuer wärmen konnte, wenn er nicht eine Fichte war. Da kam ein ungewöhnlich kalter Winter, und alle Tiere waren in Gefahr zu erfrieren, weil sie kein Feuer hatten, aber all ihre Versuche, das Geheimnis zu erfahren, waren vergebens, bis dem Biber ein glücklicher Gedanke kam.

[97] An einer Stelle des Grande Ronde-Flusses, in Idaho, wollten die Fichten eine große Versammlung abhalten. Sie hatten sich ein großes Feuer gemacht, um sich daran zu wärmen, wenn sie in dem eiskalten Wasser gebadet hatten. Ringsherum hatten sie Posten aufgestellt, um alle Tiere und sonstigen Eindringlinge abzuhalten, ihr Feuergeheimnis zu stehlen. Der Biber aber hatte sich unten am Ufer ganz in der Nähe des Feuers verborgen, ehe die Posten aufgestellt waren, und wurde daher nicht von ihnen bemerkt. Nach einiger Zeit rollte eine glühende Kohle das Ufer hinunter gerade auf den Biber zu, der ergriff sie, barg sie in seiner Brust und lief fort, so schnell er konnte. Die Fichten erhoben ein lautes Hallo hinter ihm her und verfolgten ihn. Sobald sie ihm ganz nahe kamen, schoß der Biber von einer Seite auf die andere und täuschte seine Verfolger; wenn er aber ein Stück voraus war, so lief er geradeaus. Daher ist der Grande Ronde Fluß an einigen Stellen seines Laufs voller Windungen, an anderen garnicht.

Nachdem nun die Fichten eine lange Zeit gelaufen waren, wurden sie müde und ließen nach mit der Verfolgung. Es blieben so viel auf einmal am Ufer stehen, daß sie, wie noch heute zu sehen ist, ein Dickicht wurden, das der Jäger kaum zu durchdringen vermag. Nur einige liefen noch weiter, bis sie, eine nach der anderen, die Verfolgung doch aufgaben, und diese stehen nun einzeln am Ufer entlang. Eine Zeder aber lief mit den vordersten Fichten, und als auch sie einsah, daß sie den Biber nicht mehr einholen könnte, sagte sie zu den anderen: »Wenn wir auch den Biber nicht fangen können, so will ich doch noch auf den Hügel dort laufen und sehen, wie weit er voraus ist.« Das tat sie und sah gerade noch, wie der Biber in den Big Snake-Fluß tauchte, in den der Grande Ronde sich ergießt, so daß man also an eine weitere Verfolgung nicht denken konnte. Sie sah, wie der Biber den Fluß durchschwamm und am anderen Ufer einigen Weiden Feuer gab, dann weiter lief und es den Birken und noch anderen Bäumen gab. Seitdem haben nun alle, die Feuer brauchen, es aus dem Holz dieser Bäume geholt, weil sie das Feuer in sich haben und es leichter von sich geben als alle anderen, wenn man es nach alter Weise gegeneinander reibt.

Die Zeder steht noch allein auf dem Hügel, wo sie die Jagd aufgab, nahe an der Vereinigung des Grande Ronde und des Big Snake. Sie ist schon sehr alt, so alt, daß der Gipfel kahl ist, aber noch steht sie als Zeugin dieser Geschichte. Wie weit die Jagd ging, sieht man daraus, daß es 100 Meilen in ihrem Umkreis keine andern Zedern gibt. Die alten Leute zeigen sie den Kindern und sagen: »Seht, da steht die alte Zeder, wo sie aufhörte, den Biber zu jagen!«


  • Literatur: Journal of Am. Folklore 4, 327.

7. Sage der Nishinam.


Nachdem der Präriewolf die Welt und ihre Bewohner geschaffen hatte, fehlte noch etwas, das Feuer. Im Lande, das im Westen lag, gab es viel Feuer, aber niemand konnte es holen, es war so sehr weit und so gut versteckt. Da schlug die Fledermaus vor, die Eidechse solle hingehen und Feuer stehlen. Die Eidechse ging also hin, aber es wurde ihr sehr schwer, es nach Hause zu bringen, da jedermann etwas davon stehlen wollte. Endlich kam sie an den westlichen Teil des Sacramentotales und mußte sehr vorsichtig sein, damit hinüber zu kommen, damit das Land nicht in Brand geriete. Sie reiste des Nachts, damit die Diebe das Feuer nicht stehlen könnten, und damit das trockene Gras kein Feuer finge. Eines Nachts, als sie beinahe schon an den Hügeln an der Ostseite des Tales angelangt war, hatte[98] sie das Unglück, einer Schar Kraniche zu begegnen, die des Nachts beim Schwatzen aufgeblieben waren. Sie kroch heimlich an einem Holzklotz entlang mit dem Feuer in der Hand, aber die Tiere entdeckten sie und machten Jagd auf sie. Sie hatten so lange Beine, daß an Entkommen nicht zu denken war, darum mußte sie das Gras in Brand setzen und in die Berge hinein brennen lassen. So hatte sie schnell ein Riesenfeuer und mußte laufen, was sie konnte, um nicht von ihm eingeholt zu werden. Als die Fledermaus das Feuer kommen sah, wurde sie halb blind davon, da sie es nicht kannte, und ihre Augen schmerzten sehr. Sie rief der Eidechse zu, daß ihre Augen herauskommen würden, und bat sie, sie ihr mit Pech zu bedecken. Die Eidechse nahm etwas Pech, rieb es aber so dick auf die Augen, daß sie gar nichts sehen konnte und so in großer Verlegenheit war. Sie hopste, sprang und flog, flatterte hier und dort hin, verbrannte sich Kopf und Schwanz, da flog sie nach Westen und rief laut: »monu', shu-lé-u-lu« (blase, o Wind!). Der Wind hörte es und blies ihr in die Augen, aber er konnte nicht alles Pech abblasen, und darum sieht die Fledermaus bis heute so schlecht. Und weil sie im Feuer war, sieht sie so schwarz und versengt aus.


  • Literatur: Folklore Record 5, 135.

8. Sage der Çātlō'ltq.


Ein alter Mann hatte eine Tochter, welche einen wunderbaren Bogen und Pfeil hatte, mit dem sie alles erlegen konnte, was sie haben wollte. Sie aber war träge und schlief beständig. Darüber ward ihr Vater böse und sprach: »Schlafe nicht immer, sondern nimm deinen Bogen und schieße in den Nabel des Ozeans, damit wir das Feuer erhalten.« Der Nabel des Ozeans war aber ein ungeheurer Wirbel, in welchem Hölzer zum Feuerreiben umhertrieben. Die Menschen hatten damals noch kein Feuer. Das Mädchen nahm nun ihren Bogen, schoß in den Nabel des Ozeans und das Reibefeuerzeug sprang ans Land. Da freute sich der Alte. Er entzündete ein großes Feuer, und da er es für sich allein behalten wollte, baute er ein Haus mit einer Tür, die wie ein Maul auf und zuschnappte und jeden tötete, der hereintreten wollte. Die Menschen aber wußten, daß er das Feuer im Besitze hatte, und K·ē'u, der Hirsch, beschloß, es für sie zu rauben. Er nahm harziges Holz, spaltete es und steckte sich die Splitter in die Haare. Dann band er zwei Boote zusammen, bedeckte sie mit Brettern und tanzte und sang auf denselben, während er zum Hause des alten Mannes fuhr. Er sang: »O, ich gehe und werde das Feuer holen.« Die Tochter des alten Mannes hörte ihn singen und sagte zu ihrem Vater: »O, laß den Fremden ins Haus kommen, er singt und tanzt so schön.« K•ē'u landete nun und näherte sich singend und tanzend der Tür. Er sprang dabei auf die Tür zu und stellte sich, als wolle er ins Haus hineingehen. Da schnappte dieselbe zu, und während sie sich wieder öffnete, sprang er ins Haus hinein. Dort setzte er sich ans Feuer, als wolle er sich trocknen, und sang weiter. Er ließ dabei seinen Kopf über das Feuer sinken, so daß er ganz rußig wurde und das Holz, das in seinen Haaren steckte, sich endlich entzündete. Da sprang er hinaus, lief von dannen und brachte den Menschen das Feuer.


  • Literatur: Boas, Indianische Sagen von der nordpazifischen Küste, S. 80.

9. Sage der Tlatlasik•oala.


Zu jener Zeit gab es kein Feuer. Deshalb sandte Kutē'na Lē'lek·oista aus, das Feuer zu holen, welches Natlibikā'q versteckt hielt. Dieser nahm eine glühende Kohle in den Mund und wollte davonlaufen. Natlibikā'q aber merkte es und[99] fragte: »Was hast du denn da im Munde?« Da jener nun nicht antworten konnte, schlug er ihn auf den Mund, so daß das Feuer herausfiel. Da sandte Kutē'na den Hirsch aus. Dieser steckte sich trockenes Holz ins Haar, lief zum Hause Natlibikā'qs und sang vor der Tür stehend: »Ich komme, das Feuer zu holen, ich komme, das Feuer zu holen.« Dann ging er hinein, tanzte zuerst um das Feuer herum und steckte endlich seinen Kopf hinein, so daß das Holz Feuer fing. Dann lief er davon, aber Natlibikā'q verfolgte ihn, um ihm das Feuer wieder fortzunehmen. Der Hirsch hatte sich für diesen Fall vorgesehen; als Natlibikā'q ihn beinahe eingeholt hatte, nahm er etwas Fett und warf es hinter sich auf den Boden. Sogleich verwandelte sich dasselbe in einen großen See, der den Verfolger zwang, einen weiten Umweg zu machen. Nichtsdestoweniger setzte Natlibikā'q die Verfolgung fort. Als er den Hirsch beinahe eingeholt hatte, warf dieser einige Haare hinter sich auf die Erde, und sie verwandelten sich sogleich in einen dichten Wald junger Bäume, in den Natlibikā'q nicht eindringen konnte. Er mußte rund herum gehen, und so gewann der Hirsch einen Vorsprung. Aber wieder hätte sein Verfolger ihn beinahe erreicht, wenn er jetzt nicht vier Steine hinter sich geworfen hätte, die sich in vier hohe Berge verwandelten. Ehe Natlibikā'q diese übersteigen konnte, hatte der Hirsch Kut'ē'nas Haus erreicht. Natlibikā'q stand nun vor der Tür und bat: »O, gebt mir wenigstens die Hälfte meines Feuers wieder,« aber Kutē'na hörte nicht auf ihn, und er mußte unverrichteter Dinge zurückkehren. Dann gab Kutē'na den Menschen das Feuer.


  • Literatur: Boas, ebd. S. 187.

10. Sage der Hē'iltsuk.


Der Hirsch hieß als Mann Tlēk·k'umē' und Āsanōistē'sela (== Fackel[anō'] träger), weil er das Feuer stahl mittels Holzes, das er an seinen Schwanz gebunden hatte.


  • Literatur: Boas, ebd. S. 241.

11. Sage der Tlingit.


Am Anfange hatten die Menschen kein Feuer. Yētl aber, der Rabe, wußte, daß K·'ōky, die Schnee-Eule, die fern draußen im Ozean wohnte, es bewachte. Er hieß alle Menschen (die damals noch die Gestalt von Tieren hatten), einen nach dem andern, gehen, um das Feuer zu holen; aber keinem gelang es. Endlich sagte der Hirsch, welcher damals noch einen langen Schwanz hatte: »Ich nehme Fichtenholz und binde es an meinen Schwanz. Damit werde ich das Feuer holen.« Er tat, wie er gesagt, lief zum Hause der Schnee-Eule, tanzte um das Feuer herum und brachte endlich seinen Schwanz demselben nahe. Da entzündete sich das Holz, und er lief davon. So geschah es, daß sein Schwanz verbrannte, und seither hat der Hirsch einen Stumpfschwanz.


  • Literatur: Boas, ebd. S. 314.

12. Sagen der Nutka (Erweiterungen).


a) Ein Häuptling in Tokoā'ath besaß das Feuer und das ewige Leben. Tlehmamit, einer der Häuptlinge der Ky'äimi'mit, wünschte dieselben zu rauben. Daher gingen alle Tiere zu des Häuptlings Haus und begannen zu tanzen. Der Hirsch Ā'tucmit hatte etwas Zederbast an seine Wade gebunden. Beim Tanze stand er dicht bei der Otter. Diese furzte, der Furz entzündete sich und setzte den Zederbast an der Wade des Hirsches in Brand. Da lief dieser hinaus, und die Leute nahmen ihm das Feuer ab. Er war aber ein wenig verbrannt.[100] Der Bär sprang auf den schweren Querbalken, der das Dach des Hauses trägt, so daß derselbe zerspaltete und die Ky'äimi'mit sehen konnten, was darinnen war. Sie fanden darin die Kiste mit dem ewigen Leben. Ehe sie dieselbe aber ergreifen konnten, riß der Häuptling sie ihnen fort und zog mit all seinen Habseligkeiten, dem ewigen Leben und den Lachsen, von dannen. Da die Ky'äimi'mit das ewige Leben nicht bekamen, müssen die Menschen sterben.


b) Im Anfange besaßen die Wölfe allein das Feuer. Die Ky'äimi'mit wünschten sehr, dasselbe zu erlangen. Nachdem sie schon viele vergebliche Versuche gemacht hatten, sprach der Häuptling Tlehmamit, der Specht, zu Ā'tucmit, dem Hirsche: »Geh du zu des Wolfes Hause und tanze! Wir alle wollen für dich singen. Binde Zederbast an deinen Schwanz, und wenn du dich dann dem Feuer zuwendest, wird der Bast sich entzünden.« Der Hirsch rief: » Patlitlka'na Tlehmamit!« und lief fort in das Haus des Wolfes, wo er tanzte, bis der Bast an seinem Schwänze Feuer fing. Er wollte hinausspringen, aber die Wölfe fingen ihn, ehe er entfliehen konnte, und nahmen ihm das Feuer wieder fort. Dann schickte Tlehmamit den Vogel Tsatsī'skums aus und sagte: »Der ganze Stamm soll für dich singen, und du wirst das Feuer bekommen.« Dann gingen alle Ky'äimi'mit in das Haus der Wölfe, allen voran Tlehmamit und Kwo'tiath. Ehe sie eintraten, sangen sie:

A. Erlangung des Feuers durch ein einzelnes Tier

(Eine Quarte, bzw. Oktave heruntergezogen.)


Im Hause sangen sie:


A. Erlangung des Feuers durch ein einzelnes Tier

Sie tanzten umher, und die Wölfe lagen am Feuer und sahen ihnen zu. Einige Vögel tanzten auf die Dachbalken hinauf. Die Wölfe bemerkten es nicht, da sie dem Tanze unten beim Feuer zuschauten. Endlich kamen diese an das Reibe-Feuerzeug, das im Dachbalken aufbewahrt war. Sie nahmen es, tanzten zurück und gaben es Tlehmamit und Kwo'tiath, während die anderen drinnen weiter tanzten, bis jene glücklich nach Hause gelangt waren. Als Kwo'tiath nach Hause kam, rieb er das Feuerzeug, bis Funken herauskamen Er steckte es auf seine Wange und verbrannte dieselbe. Seither hat er ein Loch in der Wange. Als die Tänzer wußten, daß Kwo'tiath zu Hause angekommen war, stießen sie einen Schrei aus und flogen von dannen. So verloren die Wölfe das Feuer.


  • Literatur: Boas, ebd. S. 102.

Seltener als bei den Indianern Nordamerikas scheint die Sage vom Feuerholen in Südamerika vorzukommen. Ehrenreich, Die Mythen und Legenden der südamerik. Urvölker, S. 57, erwähnt eine Tupi-Sage, nach der das Faultier ursprünglich im Besitz des Feuers war. Ein schwarzer Fleck auf dessen Rücken bezeichnet die Stelle, wo die Kulturheroen (Zwillinge) das Feuer hervorlockten. Bei den Kaingang wird das Feuer als solches von einem Heros entführt, der sich in eine Elster verwandelt und so am Feuerplatze der Sonne eine Kohle raubt. Eine dritte Sage s.u. S. 106.

Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 96-101.
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