Vierunddreißigstes Capitel.
Von der Abwägung des Lebens.

[55] Man liest vom König Alexander, daß er den Aristoteles zum Lehrer hatte, von dessen Gelehrsamkeit er vielen Nutzen zog und viele Tugenden von ihm lernte. Unter andern fragte er seinen Meister, ob er nicht etwas ihm und Andern Ersprießliches sagen wolle. Dieser aber sprach: Mein Sohn, höre fleißig zu, und wenn Du meine Lehren behalten wirst, wirst Du zu großen Ehren gelangen.[55] Sieben Dinge sind es, welche ich Dich lehren will. Erstlich darfst Du nie die Richtscheid überspringen: zweitens nicht mit dem Stahl das Feuer erhitzen, drittens mußt Du nie an einem Kranze pflücken, viertens kein Vogelherz essen, fünftens wenn Du Dich einmal auf den Weg gemacht hast, nicht umkehren, sechstens nie auf der öffentlichen Straße wandeln, siebentens keine schwatzhafte Schwalbe in Deinem Hause lassen. Der König befleißigte sich aber gar wunderbar dieser sieben Lehren und zog aus ihnen sein Lebelang Nutzen.

Quelle:
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. 3. Auflage, Unveränderter Neudruck Leipzig: Löffler, Alicke 1905, S. 55-56.
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