[199] 45. Der Fischerssohn.

Es war einmal ein armer Fischer, der sollte der Königin Fische zu ihrem Geburtstage bringen. Er saß den ganzen Tag am Ufer des Flusses und fischte, fing aber keinen einzigen. Voll Verzweiflung ging er in den Wald und wollte sich erhängen. Da kam ihm ein Jäger entgegen, der war der Teufel; der Fischer aber erkannte ihn nicht. Der Jäger fragte diesen, warum er so traurig sei. Der Fischer antwortete: »Heute soll ich der Königin ein Menge Fische bringen, habe aber keinen einzigen gefangen und bin noch dazu so arm, daß ich nicht leben kann.« Der Jäger sprach: »Wenn du mir in zwölf Jahren das bringst, was jetzt in deiner Hütte ist, ohne daß du es weißt, so sollst du zu Haus eine Menge Geld und Fische vorfinden.«

Vielleicht ist's ein Huhn auf dem Miste, das ich nicht weiß, dachte sich der Fischer und willigte ein. Als er nach Hause kam, sah er, daß seine Frau einen Knaben bekommen hatte und daß in seinem Zimmer eine Menge Geldsäcke und Fische waren. Nun wußte er, daß der Jäger sein Kind gemeint hatte und er war sehr betrübt. Als aber der Knabe heranwuchs, da ward ihm noch ängstlicher. Noch waren drei Tage bis zum zwölften Geburtstage des Fischerssohnes, da ging er zum Pfarrer, erzählte ihm die Geschichte und fragte ihn um Rath. Der Pfarrer gab dem Fischer ein Gebet und sprach: »Dieses Gebet muß dein Sohn diese drei Tage hindurch ohne Unterlaß beten.« Das geschah, und der Vater wachte[199] auch des Nachts bei seinem Sohne, um das Einschlafen zu verhindern.

Am dritten Tage kam des Fischers Weib gelaufen und schrie händeringend: »Feuer! Feuer!« denn es brannte das Haus. Der Fischer lief schnell davon, um zu löschen, und währenddem schlief der Knabe ein. Da kam der Teufel, nahm ihn, fuhr mit ihm in die Luft und flog weit fort. Als der Knabe erwachte, rief er: »Jesus, Maria und Josef!« Da ließ ihn der Teufel los und er fiel zu Boden. Nun befand er sich auf einer öden Ebene. Weit und breit war kein Haus und Baum zu sehen, nichts als Himmel und Erde. Als er weiter ging, kam er zu einem schönen Schlosse, vor dem zwei steinerne Löwinnen stunden. Er trat hinein, ging durch alle Zimmer und sah niemanden. Als er wieder den Rückweg einschlug, begegnete ihm eine schwarze Frau, die er um ein Nachtlager und etwas Speise und Trank bat. Diese sagte: »Ich gebe es dir, wenn du mich erlösen willst, denn ich bin eine verzauberte Prinzessin.« Der Fischerssohn meinte: »Wenn ich das kann, so will ich's gerne thun.« Da sprach die schwarze Frau: »Du kannst mich sehr leicht befreien, doch höre was du thun mußt: In der Nacht wird ein Riese kommen, er wird mit dir spielen und wird etwas fallen lassen, das darfst du aber unter keiner Bedingung aufheben.« Nach diesen Worten ging die Frau fort. In der Nacht öffnete sich die Thür des Zimmers, wo der Fischerssohn schlief, und ein Riese kam herein. Auf die Frage des Fischerssohnes, was er wolle, sagte der Riese: »Ich bin gekommen, um mich zu unterhalten.« »Und ich ebenfalls«, sprach der Fischerssohn. Und sie spielten dann Karten miteinander. Da ließ der Riese eine Karte fallen und sprach zum Fischerssohn: »Hebe sie auf.« Der aber sagte trotzig: »Du hast viel längere Arme und Finger als ich, kannst sie selber aufheben.« Der Riese schwieg und holte dann Würfel hervor. Und während sie spielten, ließ er abermals einen fallen und befahl dem Fischerssohne, denselben[200] aufzuheben. Dieser antwortete dasselbe wie früher, worauf der Riese zornig wurde, den Fischerssohn packte, ihm Kopf, Hände und Füße abriß und ihn so jämmerlich zurichtete.

Da schlug es zwölf, der Riese war weg und der Fischerssohn wieder lebend und unbeschädigt. Am Morgen kam die Frau schon zum vierten Theil weiß zu ihm, dankte ihm und ermahnte ihn, er möge ausharren. In der Nacht kamen zwei Riesen, mit denen er Karten und Würfel spielte und sich wieder weigerte, die hinabgefallene Karte und den Würfel aufzuheben. Die beiden Niesen nahmen ihn, quälten ihn noch mehr und zerstückelten ihn. Da schlug es zwölf, die beiden Riesen waren fort und der Fischerssohn war wieder lebendig und unverletzt. Am Morgen kam die Frau halb weiß, halb schwarz, dankte ihm und empfahl ihm, nochmals auszuharren. In der dritten Nacht kamen drei Riesen, die mit ihm dasselbe wiederholten, was die andern gethan hatten, und ihn zuletzt in tausend Fetzen zerrissen. Als es aber zwölf schlug, war alles fort und der Fischerssohn lebend und gesund. Jetzt kam die Prinzessin und dankte ihm freundlich.

Sie fanden bald Gefallen aneinander und heirateten sich. Und in der Folge ward der Fischerssohn sogar König. Da sagte er einst zu seiner Frau: »Ich möchte gern einmal nach Hause.« »So gehe denn«, sprach sie, »aber du darfst niemand sagen, daß du die schönste Frau unter der Sonne besitzest.« Er reiste wirklich nach Hause. Als er einmal betrunken war, sagte er, er besitze die schönste Frau unter der Sonne. Gleich erschien seine Frau, zog ihm das königliche Gewand aus, und er war wieder der alte Fischerssohn. Da sagte sein Vater: »Mache dich auf und reise deiner Frau schnell nach.« Der Fischerssohn ging fort; er kam zu einem kleinen Häuschen, aus dem eine alte Frau heraustrat. Der Fischerssohn sprach zu derselben: »Ich bitte Euch, könnt Ihr mir nicht sagen, wo die Königin wohnt.« »Ich kann es Euch nicht sagen«, erwiederte die Alte, »aber wenn Ihr warten wollt, bis mein[201] Mann, der Mond, nach Hause kommt, der wird's wohl wissen.« Nach einiger Zeit kam der Mond, und der Fischerssohn fragte ihn um den Wohnort der Königin. Dieser sagte: »Ich weiß es nicht, aber die Sonne wird es wissen.« Nun ging der Fischerssohn wieder weiter und kam bald zu einem Häuschen, in dem die Sonne wohnte. Hier mußte er auf sie warten, und als sie nach Hause kam und der Fischerssohn sie fragte, sprach sie: »Das weiß ich nicht, aber der Wind wird es wissen.« Nun ging der Fischerssohn wieder fort und kam bald zum Häuschen des Windes. Dieser sprach: »Ich weiß es auch nicht; hier aber hast du ein Schachterl, dort wo der Deckel desselben aufspringt, ist die Königin.« Der Fischerssohn bedankte sich, und als er aus dem Hause hinaustrat, wurde er vom Winde in die Luft gehoben und flog fort, ohne daß er es spürte. Er ward vom Winde bis zu einem großen Schlosse getragen, bei welchem der Deckel des Schachterls plötzlich aufging. Er trat hinein, aber schon auf halbem Wege kam ihm die Königin entgegen, die ihn sogleich erkannte. Sie hatte aber während der Zeit einen andern geheiratet; das theilte sie ihm mit und sprach: »Ich gebe heute eine große Tafel, zu der ich viele Gäste eingeladen habe; thue so, als ob du ein fremder Gast wärest und dann wird sich heute alles ausgleichen.« Der Fischerssohn fand sich bei der Tafel wirklich ein. Da mußte jede Person etwas erzählen, also auch die Königin. Sie sprach: »Ich hatte einmal einen Schlüssel, verlor ihn aber. Ich ließ mir daher einen neuen machen; doch da fand sich der alte wieder. Welchen soll ich nun behalten, den alten oder den neuen?« Und alle sprachen einstimmig: »Den alten, den alten.« »Gut«, sagte sie, »hier sitzt mein früherer Gemahl.« Und alle mußten ihn anerkennen, und von nun an lebten sie bis zu ihrem Tode bei einander.[202]

Quelle:
Vernaleken, Theodor: Kinder- und Hausmärchen dem Volke treu nacherzählt. 3.Auflage, Wien/Leipzig, 1896 (Nachdruck Hildesheim: Olms, 1980), S. 199-203.
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