5. Das Füchschen und die Krähe.

[170] Der Fuchs hatte keine Speise zum Essen, keine Maus zum Jagen, ihn hungerte gewaltig und wusste sich doch nicht zu helfen. Da sah er auf dem Aste eines[170] Baumes eine Krähe sitzen, die einen Käse im Schnabel hielt. Das Füchschen wedelte mit dem Schwanze, drückte die Öhrchen ein, setzte sich am Fusse des Baumes nieder und sprach: »Ei Krähe, Brüderchen, die Federn an deinen Flügeln sind schön. Ich habe auch gehört, dass, wenn du krächzest, deine Stimme schön sei und wenn du singst, deine Töne schön seien; singe mir doch etwas; denn man sagt ja: Einen schönen Gesang zu hören, ist dem Ohre angenehm.«

Die Krähe freute sich über das Lob des Fuchses, blähte sich auf und sperrte den Mund auf, um zu singen. Da fiel der Käse herab. Das hungrige Füchschen nahm ihn, und nachdem er ihn aufgegessen, sprach er: »Von deinem Gekrächze ist mein Magen satt geworden; zum Dank für die Bewirtung will ich dir jetzt ein Sprichwort sagen, du behalte es:


Des Schmeichlers Wort höre nicht!

Auf der Schlechten Rat achte nicht!

Schmeichlerischen Worten glaube nicht!

Auf den Weg eines, der von einem anderen Volke ist begieb dich nicht.«104

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1898, S. 170-171.
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