Buruti-Mensch und Buruti-Geist.

[295] Buruti-Mensch hatte zwei Kinder, von denen das älteste etwa fünf Jahre alt war. Nun war Buruti-Mensch einst ausgegangen und hatte ihre beiden Kinder zurückgelassen. Als dann die Mutter ausblieb, weinten jene und das älteste sagte: »Warum bleibt meine Mutter heute so lange?« Da kam Buruti-Geist die Leiter herauf und sagte: »Warum weinst du?« »Meine Mutter ist weggegangen,« antwortete das Kind. »Wer ist denn noch deine Mutter?« erwiderte Buruti-Geist, »und hier bin ich, deine Mutter.« »Du bist nicht meine Mutter,« sagte das Kind, »ich kenne meine Mutter wohl.« »Sei nur gehorsam,« antwortete Buruti-Geist, »folge mir, ich habe dich lieb; iss nur, hier hast du dein Essen.« Und das Kind ass die Speise. Und als es gegessen hatte, fand es Gefallen an der Buruti-Geist. Darauf ging Buruti-Geist weg und nahm das Kind mit. Und als sie über Tubas Hof gingen, da sagte Tuba: »Was hast du da für ein Kind, Buruti-Geist?« »Mein Kind,« erwiderte sie und ging.

Da kam Buruti-Mensch zurück und sagte zu ihrem kleinen Kinde: »Wo ist deine Schwester?« »Die Frau von soeben hat sie geholt«, antwortete es. Darauf ging Buruti-Mensch weg und fragte Tuba: »Hast du niemand gesehen hier vorbeigehen, Tuba? Man hat mein Kind gestohlen.« »Nur die Buruti-Geist habe ich eben gesehen,« sagte Tuba, »sie hatte ein Kind, behauptete aber, es sei ihr Kind, als ich[295] fragte.« Da lief die Buruti-Mensch der Buruti-Geist nach, und holte sie ein und sagte zu ihr: »Warum stiehlst du mein Kind, Buruti-Geist?« »Wo ist denn dein Kind?« erwiderte diese, »dies ist ja mein Kind.« »Das ist nicht so,« sagte Buruti-Mensch, »das ist mein Kind.« Und sie gerieten darüber in Wortwechsel. Endlich sagte Buruti-Mensch: »Nicht doch, komm, wir wollen klagen gehen zu Tuba.« Und sie gingen und Buruti-Mensch sagte: »Hier ist mein Kind von soeben, die Buruti-Geist hat es gestohlen.« »Warum soll ich eine Diebin sein,« erwiderte Buruti-Geist, »da dies doch mein Kind ist?« Da sagte Tuba: »Gebt mir das Kind, ich will es in die Kammer bringen.« Und Tuba nahm das Kind und trug es in die Kammer. Er nahm eine Trommel, setzte das Kind hinein und sagte zu ihm: »Bewege dich nicht und sage nichts hier drinnen, aber höre, was man nachher sagen wird.« Dann trug er die Trommel hinaus, und sagte zu der Buruti-Geist: »Trage diese Trommel hinauf auf den Berg Mandrehe, und wenn du auf der Spitze des Berges angekommen bist, dann komm wieder herunter«. Und die Buruti-Geist that es. Und als sie bis auf die Mitte, des Berges gekommen war, da setzte sie die Trommel nieder, um auszuruhen und sagte: »Mag ich auch müde werden, wenn ich dann nur das Kind dieser Buruti-Mensch auch behalten darf.« Und das Kind in der Trommel hörte zu. Dann ging sie weiter und kam auf der Spitze des Berges an, dort ruhte sie sich aus und wiederholte ihre Rede von vorhin.

Dann kehrte sie zurück zu Tuba und sagte: »Hier hast du die Trommel von soeben, Tuba.« Da sagte Tuba: »Gehe auch hin, Buruti-Mensch, und wenn du auf der Spitze des Berges angekommen bist, dann kehre hierher zurück.« Und Buruti-Mensch ging. Als sie bis in die Mitte des Berges gekommen war, ruhte sie aus und sagte: »Es ist doch zu arg mit dir, Buruti-Geist, du bist allein Schuld, dass ich müde werde wegen meines eigenen Kindes.« Und das Kind in der Trommel hörte wieder zu. Und als die Frau auf der Spitze[296] des Berges angekommen war, wiederholte sie ihre Worte von vorhin. Dann kehrte sie heim zu Tuba und sagte: »Hier hast du die Trommel, Herr.« »Es ist gut,« sagte dieser. Dann öffnete er die Trommel und fragte das Kind: »Was hat die erste vorhin gesagt?« »Sie ruhte aus,« erwiderte das Kind, und sagte: »Wenn ich nur das Kind dieser Buruti-Mensch auch nachher wirklich behalten darf, ich werde so müde.« »Und was sagte die andere?« fragte Tuba. »Sie ruhte aus,« erwiderte das Kind und sagte: »Es ist doch zu arg mit dieser Buruti-Geist; ich bin so müde, und nur von, ihretwegen.« Da sagte Tuba: »Das ist seine Mutter, diese Buruti-Mensch.« –164

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1898, S. 295-297.
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