Skink (Scincus officinalis)

[191] Eine Wühlechse, der Skink (Scincus officinalis, Lacerta scincus, Scincus major), Vertreter einer gleichnamigen, nur zwei Arten umfassenden Sippe (Scincus) und mit verwandten Gruppen auch einer besonderen Unterfamilie (Scincina), hat sich in alter Zeit hohen Ruhm erworben und denselben lange zu erhalten gewußt. »Das fleisch genanter thieren«, sagt Geßner, »wirdt gebraucht in etlich, auß der edelsten artzney stucken, als Mithridat vnnd dergleychen. Werdend auch gemischt vnder die artzneyen so zu den kalten prästen der verfadenen bereitet werdend, sol auch ein sonderbare krafft haben um zu der vnkünschheit zu reitzen. Dise thier zu äschen gebrannt mit essich oder öl angeschmiert, nimpt hin den glideren so man abschneyden sol, alle empfindtligkeit. Die feißte der thieren wirdt auch gebraucht zu der vnkünschheit, auch innerthalb den leyb genommen. Die gall der thieren mit honig gemischt, ist ein bequemliche artzney zu den fläcken vnnd dünckle der augen. Das gefür oder kadt der thieren ist gantz eines lieblichen geschmackes, gantz weyß von farb, in den Apotecken Crocodylea genannt, wirdt gebraucht das angesicht zu schönen, macklen, fläcken, rüselen zuuertreiben.«

Eine natürliche Folge dieses Wahnes, welcher heutigentages noch in den Köpfen einzelner Mahammedaner spukt, war es, daß man unsere Wühlechse eifrigst verfolgte, zu tausenden fing und mit ihrem gedörrten oder zu Pulver gebrannten Leichnam schwungvollen Handel trieb. Trotzdem wissen wir noch wenig über die Lebensweise des Thieres. Bruce erzählt, daß der Skink in den feuchten Gegenden von Syrien, welche an Arabien stoßen, in unglaublicher Zahl vorkomme, und er in dem großen Hofe des Sonnentempels zu Baalbeck einmal viele tausende zusammen gesehen habe, welche den Boden, die Steine und alle Mauern dieser Ruine bedeckten, theilweise schliefen und theilweise im Sonnenscheine herumliefen: es fragt sich jedoch noch sehr, ob die Echse, welche unser Reisender meint, wirklich der Skink war; denn der Verbreitungskreis desselben scheint auf Afrika beschränkt zu sein. Hier bewohnt er den Norden, vom Rothen Meere an bis zur Küste des Atlantischen Weltmeeres. In Egypten, Nubien und Abessinien ist er nicht selten, in der Wüste Sahara scheint er sehr häufig vorzukommen, am Senegal hat man ihn ebenfalls beobachtet. Alexander Lefebvre, welcher die Oase Bahharïe besuchte, theilte Dumeril und Bibron mit, daß der Skink besonders auf den kleinen, vom Winde zusammengetriebenen Sandhügeln am Fuße der Bäume und der das bebaute Land umgebenden Hecken gefunden wird, hier in aller Ruhe im glühenden Strahle der Sonne sich reckt und von Zeit zu Zeit aufspringt, um einen Käfer oder ein anderes Kerbthier zu erhaschen. Sein Lauf ist rasch; bei Gefahr sucht er sich aber nicht durch Laufen zu retten, sondern vergräbt sich im Sande und zwar mit einer so wunderbaren Gewandtheit, daß er schon im Verlaufe weniger Augenblicke mehrere Meter durchwühlt hat. Tristram, welcher ihn in der westlichen Sahara beobachtete, bestätigt Lefebvre's Angaben in jeder Beziehung. Niemals [191] sah er den Skink, welchen die dortigen Araber, je nach dem Geschlechte »Sararut« und »Salgaga« nennen, auf steinigem Grunde, vielmehr immer nur da, wo der Boden mit losem Sande bedeckt ist, hier aber dann und wann schwarmweise. Während der kalten Jahreszeit zieht er sich in Höhlen oder Gänge zurück und hält Winterschlaf; im Sommer sieht man ihn bei Tage in der Sonne liegen, aber auch noch des Nachts, bei Mondschein, umherlaufen; erschreckt, schlängelt er einen Augenblick lang und verschwindet sodann mit zauberhafter Schnelligkeit in der angegebenen Weise. Nach Angabe der Araber verzehrt er nicht allein Käfer und andere Kerfe, sondern nicht selten auch Skorpione.

Unter den Arabern der Sahara wird er ebenso hoch als Nahrungsmittel wie als Arznei geschätzt. Sein Fang beschäftigt in einzelnen Oasen, beispielsweise in Waregla und Tuat, einen erheblichen Theil der Bevölkerung.


Skink (Scincus officinalis). Natürliche Größe.
Skink (Scincus officinalis). Natürliche Größe.

Nach Tristrams, auf eigener Erfahrung begründeter Meinung ist ein gebratener Skink auch in der That ein recht schmackhaftes Gericht. Die Araber enthäuten und trocknen ihn, stoßen seinen Leichnam in einem Mörser zu Pulver, kneten dieses mit dem Fleische der Dattel zusammen, füllen das ganze in Ledersäcke und verkaufen diese zu guten Preisen an Tuatkarawanen und herumziehende Händler.

Gefangen, benimmt sich der Skink wie andere Glieder seiner Familie, strengt sich zwar an zu entkommen, versucht aber nie zu beißen oder sich mit seinen Klauen zu vertheidigen.

Der Skink ist eine sehr gedrungene Echse mit kurzen Gliedmaßen. Alle vier Füße tragen fünf ungleich lange, seitlich gefranste, bis zur Wurzel getrennte Zehen; der Schwanz ist kegelförmig, der Kopf an der Schnauze keilartig zugespitzt, die obere Kinnlade über die untere verlängert und vorn etwas abgestumpft. Die Schuppen sind breiter als lang, abgerundet, glatt, glänzend, von Farbe graulich und mit einer helleren Linie gezeichnet. Ueber den Leib verlaufen mehrere Querbänder, welche beim lebenden Thiere veilchenfarbene, beim todten schwarze Färbung haben. Die Unterseite ist einfarbig schmutziggrün. Das Männchen unterscheidet sich durch bedeutendere Größe und schwarze Tüpfelung der Schultergegend und Seiten von dem Weibchen, welches einfach sandfarbig ist. Ausgewachsene Skinke erreichen eine Länge von funfzehn Centimeter.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 191-192.
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