Dritte Familie: Flachfische (Pleuronectidae)

[188] Die Flachfische, wie sie schon zu Geßners Zeiten genannt wurden, oder Seitenschwimmer (Pleuronectidae) kennzeichnen sich durch stark zusammengedrückten Leib und einen derartig verdrehten Kopf, daß beide Augen auf eine, bald auf die rechte, bald auf die linke, Seite zu stehen kommen, und zwar je nach Art und Einzelwesen auf diejenige Seite, welche durch Bekleidung und Färbung von der entgegengesetzten durchaus verschieden zu sein pflegt, außerdem auch durch größere Entwickelung oder überhaupt Vorhandensein der Flossen, ja selbst bessere Ausbildung der Knochen des Gerippes vor jener sich auszeichnet. Die Rückenflosse nimmt die zugeschärfte Firste des Rückens, die Bauchflosse die in derselben Weise abgeplattete Kante des Bauches ein; die Schwanzflosse sieht, den verschiedenen Seiten entsprechend, ebenfalls auf der einen Seite anders als auf der anderen aus, obgleich ihre Bildung eine regelrechte genannt werden muß. In der Kiemenhaut zählt man gewöhnlich sieben Strahlen. In dem Maule finden sich verschiedene, jedoch in der Regel entweder starke oder bürstenförmige Zähne. Die Bauchhöhle nimmt nur einen sehr kleinen Raum ein, verlängert sich aber bis in die Schwanzgegend. Die Verdauungswerkzeuge sind einfach. Eine Schwimmblase fehlt.

Es läßt sich von vornherein annehmen, daß diese absonderliche Gestaltung eine unseren Fischen mehr oder weniger eigenthümliche Lebensweise bedingt, oder, wie sich einzelne auszudrücken pflegen, daß sie durch die Lebensweise erklärt wird. Diese weicht nun allerdings keineswegs wesentlich von der anderer vollkommen regelrecht gebauten Fische ab, steht aber, wie selbstverständlich, mit dem Baue der Flachfische im innigsten Einklange. Unsere Thiere, welche in mehr als einhundertundachtzig verschiedenen Arten die Küstenstrecken aller Meere bevölkern und auch in Strömen und Flüssen aufsteigen, leben hier wie dort auf dem Boden, die eine Seite auf den Grund gedrückt, die andere mit den Augen nach oben gekehrt, liegen so während des größten Theiles ihres Lebens auf der Lauer und bewegen sich fast nur, wenn es gilt, Beute zu gewinnen oder vor größeren Räubern sich zu bergen. So zahlreich die Familie ist, und so erheblich die Unterschiede in Leibesbau, Beschuppung und Färbung sind: in ihrem Wesen und Treiben kommen alle Flachfische mit einander überein; mag es genügen, wenn ich mich im nachstehenden auf die an unseren deutschen Küsten vorkommenden Arten beschränke und, unter Berücksichtigung der Eigenthümlichkeit einzelner, ein allgemeines Lebensbild zu zeichnen versuche.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 188-189.
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