Schlammbeißer (Cobitis fossilis)

[300] Beim Schlammbeißer, welcher auch Schlammpeitzger, Schlammpitzger, Peißker, Beitzger, Pritzger, Kurpietsch, Pfuhl- und Wetterfisch, Wetteraal, Wetter- und Moorgrundel, Mehertrusche, Pute, Biß-, Piß-, Fiß- und Mistgurn, Mistgorn, Mistheinkel, Schachtfeger usw. heißt (Cobitis fossilis, Acanthopsis und Misgurnus fossilis), wird der Mund von zehn Bärteln umgeben, von denen vier an der Oberlippe, sechs an der unteren stehen, und ist der Leib auf schwärzlichem Grunde mit fünf gelben und braunen Längsstreifen, der Bauch auf lichtem Grunde mit schwarzen Tüpfeln gezeichnet. Die Rückenflosse spannen drei halbe und fünf bis sechs ganze, die Brustflosse ein unvollständiger und neun bis zehn vollständige, die Bauchflosse zwei und fünf, die Afterflosse drei und fünf, die Schwanzflosse sechzehn Strahlen. Die Länge beträgt etwa dreißig Centimeter.


1 Schmerle (Cobitis barbatula), 2 Schlamm-, 3 Steinbeißer (Cobitis fossilis und taenia). 1/2 natürl. Größe.
1 Schmerle (Cobitis barbatula), 2 Schlamm-, 3 Steinbeißer (Cobitis fossilis und taenia). 1/2 natürl. Größe.

Der Schlammbeißer verbreitet sich über einen weiten Theil des nördlichen und östlichen Europa, findet sich jedoch nur in Flüssen und Seen mit schlammigem Grunde, eigentlich nirgends in Menge, verbirgt sich [300] hier während des Winters im Schlamme und thut dasselbe, wenn bei heißem Sommer das Wasser seines Aufenthaltsortes vertrocknet. In dieser Lage kann er mehrere Monate ohne Schaden aushalten, sinkt auch keineswegs in schlafähnliche Erstarrung, sondern regt und bewegt sich, zeigt sich munter und vergnügt, sowie er ins Wasser gebracht wird, beweist also, daß ihn der gezwungene Aufenthalt in einem ihm anscheinend unnatürlichen Zufluchtsorte nicht im geringsten anficht. Während des Sommers kann man auf moorigen Stellen, wo solche Fische vorkommen, sie, genau ebenso wie die Singalesen ihre Schlangenfische, durch Aufgraben des Schlammes gewinnen. Schweine, welche man in die Sümpfe auf die Weide treibt, halten oft an ihnen ein gutes Frühstück.

Sehr empfindlich scheint der Schlammbeißer gegen Einwirkungen der Elektricität zu sein. Wenn ein Gewitter droht, geberdet er sich höchst unruhig, kommt von dem schlammigen Grunde in die Höhe empor und schwimmt hier anscheinend ängstlich unter beständigem Luftschnappen hin und her. Schon vierundzwanzig Stunden vor dem Ausbruche des Gewitters geberdet er sich in dieser Weise, verdient also seinen Namen »Wetterfisch« mit Fug und Recht.

Die Nahrung besteht aus kleinem Gewürme aller Art, Wasserthierchen und Fischlaiche, ebenso vermoderten Pflanzenresten, also gewissermaßen wirklich Schlamme, weshalb denn auch der Name »Schlammbeißer« seine Berechtigung hat.

Obgleich dieser hübsche Fisch im April und Mai gegen einhundertundvierzigtausend Eier am Ufer ablegt, vermehrt er sich doch nicht stark, wahrscheinlich weil er den meisten anderen Flußfischen zur Nahrung dienen muß. Abseiten des Menschen wird er wenig behelligt, weil man ihn seines Schleimes halber und das Fleisch des moderigen Geschmackes wegen nicht leiden mag. [301] Letzteres kann übrigens verbessert werden, wenn man die gefangenen Schlammbeißer erst eine Zeitlang in Fischbottichen hält, welche von fließendem Wasser durchströmt werden, und sie vor der Zubereitung mit Salz und Asche bestreut, dadurch sie zwingend, sich durch lebhafte Bewegungen und gegenseitiges Aneinanderreiben zu reinigen.

Die Gefangenschaft im engsten Becken verträgt der Schlammbeißer besser als irgend ein anderer Fisch. Ein Glas, auf dessen Grunde eine zollhohe Sandschicht liegt, wöchentlich zwei-, selbst einmalige Erneuerung des Wassers und einige Semmelkrümchen genügen ihm vollkommen. Will man ihn verschicken, so setzt man ihn in ein mit nassem Moose angefülltes Gefäß, dessen Inneres mit der freien Luft in Berührung steht; er kommt dann sicherer an, als wenn man ihn im Wasser versandt haben würde. In früheren Zeiten bedienten sich die Taschenspieler des Schlamm beißers, um ihre Zuschauer zu täuschen. »Ist ein gemeiner Beschiß bey den Landstreichern«, sagt der alte Geßner, »welche solche in gläsene Kuttern beschliessen, also speisen, und anstatt der Nattern erzeigen.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 300-302.
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