Feld-Sandkäfer (Cicindela campestris)

[30] Der Feld-Sandkäfer (Cicindela campestris) ist ein mittelgroßer grüner Käfer von außerordentlicher Behendigkeit, welcher sich während der Sommerzeit auf sonnigen Feldwegen vorherrschend sandiger Gegenden umhertreibt. Nie läßt er jedoch den Beobachter nahe genug herankommen, um eine genauere Kenntnis von ihm zu erlangen; denn scheu fliegt er auf, dabei einen blauen Schimmer verbreitend – weil der jetzt entblößte Hinterleib diese Farbe trägt – läßt sich aber in einiger Entfernung wieder nieder, und zwar stets mit gegen die Flugrichtung halbgewendetem Körper. Behält man die Stelle im Auge, auf welche er sich setzte, in der Hoffnung, ihn doch noch zu überraschen, so fliegen, wenn die Gegend einigermaßen reich an ihnen ist, inzwischen rechts und links zwei, drei andere auf, und ehe man behutsamen Schrittes jenem Punkte naht, wo man den ersten mit Sicherheit erwartet, husch! ist er wieder auf und davon, und so treibt er das neckische Spiel fort, bis er ermüdet ist, und dann in mehr hüpfendem Laufe seine Flucht fortsetzt. Man sieht eine Menge dieser Thiere um sich und vor sich, fängt aber trotzdem an einem sonnigen Tage so leicht nicht ein einziges, wenn man nicht ganz besondere Kunstgriffe anwendet. Es gelang [30] mir bei dergleichen Jagden öfters, einen Käfer, der durch wiederholtes Auffliegen ermüdet war, unter das plötzlich auf ihn geworfene Taschentuch in meine Gewalt zu bekommen. Noch gibt er sich nicht gefangen. Ein unvorsichtiges Lüften des Tuches an einer Stelle, wo nicht gleichzeitig die Finger zufassen – und er ist wieder auf und davon. Wie aber geberdet er sich, wenn jene ihn glücklich erwischt haben! Mit seinen sichelförmigen Kinnbacken beißt er wüthend um sich, strampelt mit den schlanken Beinen und bietet alle seine schwachen Kräfte auf, um die gewohnte Freiheit wieder zu erlangen. Jene sind vorn sehr spitz, an der Innenseite gleichfalls mit noch drei langen, spitzen Zähnen bewehrt und so lang, daß sie beim Schlusse weit übereinander greifen. Sie verleihen dem Gesichte einen wilden Ausdruck und verrathen die Raubthiernatur; dazu die stark vorquellenden Augen, die große Beweglichkeit aller Theile, namentlich auch der elfgliederigen Fadenfühler, welche über der Kinnbackenwurzel eingelenkt sind, stimmen zu der vorher geschilderten Wildheit. Der Körper, dessen nicht geschlossene Form unsere Abbildung erkennen läßt, ist grasgrün, die Fühlerwurzel und die merklich behaarten Beine schimmern kupferröthlich, fünf kleine Fleckchen am Außenrande jeder Decke, ein größerer hinter der Mitte auf der Scheibe, sowie das große, nicht gekielte Kopfschild sind weiß, letzteres wenigstens an seiner Spitze. In der Grundfarbe, welche mitunter in blau übergeht, und in der Zeichnung der Flügeldecken kommen manche Abänderungen vor. Der Feld-Sandkäfer hält sich an trüben Tagen zwischen Gras und Getreide verborgen und zeigt geringere Beweglichkeit. Zu solcher Zeit und während der Nacht mag er auch der Nahrung nachgehen, welche in anderen Insekten besteht; denn ich kann mich nicht entsinnen, zu der Zeit, wo sein Treiben am meisten in die Augen fällt, ihn je beim Fressen angetroffen zu haben. An der abenteuerlichen Larve fallen das blasig aufgetriebene Untergesicht und zwei nach vorn gerichtete Dornen auf dem Rücken des achten Ringes sofort in die Augen. Der hornige Kopf trägt jederseits vier Augen, zwei größere auf der oberen, zwei an der unteren Seite, viergliederige Fühler und die Freßwerkzeuge, ähnlich denen des Käfers.


Feld-Sandkäfer (Cicindela campestris). a Puppe von oben, b Larve. Alle Figuren schwach vergrößert.
Feld-Sandkäfer (Cicindela campestris). a Puppe von oben, b Larve. Alle Figuren schwach vergrößert.

Die drei vordersten Leibesglieder sind auf dem Rücken mit je einer Hornplatte, am Bauche mit je einem Paare zweikralliger Beine versehen. Die Larve gräbt sich eine senkrechte, federkieldicke, bis 47 Centimeter tiefe Röhre, an deren Eingange sie auf Insekten, kleine Laufkäfer, Ameisen und andere Larven lauert. Hat sie eines erwischt, so zieht sie sich mit ihm in den Grund ihres Baues zurück, zerbeißt es und saugt den Saft aus. Die Ueberreste werden herausgetragen, wobei der ausgehöhlte Scheitel sowie die Rückenhaken beim Auf- und Absteigen in der Röhre zu statten kommen. Es läßt sich wohl erwarten, daß nicht immer die gehörige, zur Stillung des Hungers nöthige Menge von unglücklichen Opfern an der Gefahr bringenden Stelle vorbeikommt, und darum verläßt die Larve in nächtlicher Weile ihren Hinterhalt, um auf Jagd auszugehen. Ob sie im Laufe eines Jahres ihre Entwickelung vollende, weiß ich nicht, möchte es aber bezweifeln, da in der ersten Hälfte des August die Verpuppung beobachtet worden ist und sich nicht annehmen läßt, daß von frühestens Ende Mai, zu welcher Zeit der Käfer erscheint, die Entwickelung so weit vorgeschritten sein sollte. Bevor sie sich verwandelt, erweitert sie den Grund ihrer Röhre, schließt dieselbe am Eingange und wird zu einer Puppe, welche durch die dornenartigen Auswüchse zu beiden Seiten des Rückens auffällt, die auf dem fünften Hinterleibsgliede besonders stark hervortreten und wahrscheinlich das Ausschlüpfen des Käfers unterstützen. Nach den gemachten Beobachtungen scheint die Puppe nur vierzehn Tage zu ruhen.

Außer dem Feld-Sandkäfer breiten sich noch wenig andere über Deutschland, mehr als vierhundert Arten über alle Gegenden der Erde aus, mit besonderer Vorliebe für trockene, sandige Gegenden, im Binnenlande und am Meere, in der Ebene und in den Gebirgen; den heißen [31] Erdstrichen geben sie jedoch den Vorzug. Abgesehen von einigen, fast durchaus elfenbeinweiß gefärbten Arten charakterisiren die meisten weiße Zeichnungen auf dunklerem, z.B. bronzefarbenem Grunde der Flügeldecken, Zeichnungen, welche in einem Mondflecke an Schulter und Spitze sowie in einer geknickten Binde durch die Mitte in den verschiedenartigsten Abänderungen zu bestehen pflegen. In der Lebensweise, in der Körpergestalt, in einer durchschnittlichen Größe von 12-15 Millimeter stimmen sie überein und folgende Merkmale verbinden alle zu einer Gattung. Der Hinterleib besteht beim Männchen aus sieben, beim Weibchen aus sechs Ringen, von denen jedoch bei beiden Geschlechtern die drei ersten mit einander verwachsen sind. Die schlanken, fünfzehigen Laufbeine entspringen aus runden, nur die hintersten aus breiten, an der Innenseite der Schenkel weit herabgehenden Hüften und enthalten in den Vorderfüßen einen weiteren Geschlechtsunterschied, indem sich bei dem Männchen die drei ersten Glieder merklich erweitern. Das Halsschild ist durch je eine Querfurche an den Enden und durch eine beide verbindende Längsfurche in seiner Oberfläche uneben, der Kopf verhältnismäßig groß, die Stirne flach, das Kinn tief ausgerandet, die Zunge verkümmert, Fühler und Kinnbacken von der bereits erwähnten Beschaffenheit. Die äußere Lade des Unterkiefers bildet einen zweigliederigen Taster und die Spitze der inneren trägt einen beweglichen Zahn (Fig. 6, S. 5). Diesen beweglichen Zahn, und wo er ausnahmsweise fehlt, die den Sandkäfern eigene Körpertracht haben noch etwa vierhundert andere, auf verschiedene Gattungen vertheilte Arten mit einander gemein und er verbindet sie zu der Familie der Sandkäfer (Cicindelidae), welche neuerdings von den durch die sonstige Mundbildung nicht unterschiedenen Laufkäfern abgezweigt worden ist.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 30-32.
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