Pelzkäfer (Attagenus pellio)

[70] Der Pelzkäfer (Attagenus pellio, S. 69, Fig. 8, 9) hat die Körperform des Speckkäfers, nur einen flacher gewölbten Rücken und bedeutend geringere Größe (4 Millimeter im Durchschnitte). Er ist schwarzgrau und auf der Mitte einer jeden Flügeldecke mit einem silberweißen Haarpünktchen gezeichnet. Ein einfaches Auge auf dem Scheitel unterscheidet die ganze Gattung Attagenus von der vorigen, ein freier, d.h. von der nach vorn erweiterten Vorderbrust nicht verdeckter Mund und nahe beisammenstehende Mittelbeine zeichnen sie vor den anderen, mit einem Nebenauge versehenen Gattungen aus.

Der Pelzkäfer treibt sich im Freien umher und schlägt seine Sommerwohnung in den Blüten des Weißdorns, der Spirstauden, der Doldenpflanzen und anderer auf, wo er mit seinem guten Freunde, dem nachher zu besprechenden Kabinetkäfer, und manchem anderen Kerfe in bestem Einvernehmen lebt, sich bis zur Unkenntlichkeit mit den zarten Staubkörperchen überzieht, und fristet so ein vollkommen harmloses Dasein. Sicherer bemerken wir ihn in unseren Wohnräumen, wenn ihn die Frühjahrssonne aus seinen staubigen Ecken hervorlockt und zu Spaziergängen auf den Dielen oder zu einem Fluge nach den hellen Fensterscheiben auffordert, durch welche er vermuthlich die freie Gottesnatur zu erlangen wähnt. Er hat sich hierin freilich getäuscht, denn bei jedem Anfluge an die Scheibe stößt er sich an den Kopf, fällt rückwärts über und quält sich nun auf dem Fensterbrete ab, ehe er von der Rückenlage wieder auf die kurzen Beinchen gelangt. Um dies zu erreichen, stemmt er sich meist auf die wie zum Fluge aufgerichteten Flügeldecken und dreht den Körper hierhin und dorthin, bis er endlich das Uebergewicht nach unten bekommt. Ohne Erbarmen ergreife man ihn in dieser hülflosen Lage und zerdrücke ihn zwischen den Fingern, welche infolge seiner Saftlosigkeit kaum feucht werden, damit er möglichst ohne Nachkommen sterbe. Denn wenn er auch von geringer Bedeutung ist, so hat man sich doch vor seiner Larve wohl zu hüten. Diese ist ein schlimmer Gesell und rechtfertigt ihre schwierigere, wie des Käfers leichtere Verfolgung. Bei Aufarbeitung eines Schlafsophas, welches siebzehn Jahre lang treu gedient hatte und in seinen Eingeweiden viel Schweinsborsten enthielt, war der Sattler fast entsetzt über die vielen »Motten« wie er meinte, in Wirklichkeit waren es aber die abgestreiften Bälge der Pelzkäferlarven, welche hoch aufgehäuft auf dem Holze der Seitenlehnen lagen und Zeugnis von den unerhörten Massen der hier geborenen Käfer ablegten. Das wieder zu benutzende Material mußte in einem angeheizten Backofen von der muthmaßlichen Brut gesäubert werden. In einer ausgestopften Landschildkröte der zoologischen Sammlung zu Halle, in deren hartem Körper man wahrlich nichts genießbares hätte vermuthen können, hauste jahrelang eine Gesellschaft dieser Zerstörer, von denen sich jedoch nie einer sehen ließ, sondern ein Kranz von »Wurmmehl« zog sich von Zeit zu Zeit wie eine Bannlinie rings um den plumpen Körper des knochenbepanzerten Kriechthieres und verrieth die Gegenwart der lebenden Einmieter. Erst nachdem die Schildkröte einige Stunden in einem geheizten [70] Backofen zugebracht hatte und von neuem aufgearbeitet worden war, erfüllte sie vollkommen die Bedingungen eines regelrechten und ungezieferfreien Präparates, so einer öffentlichen Sammlung gebühren. Vor kurzem wurde mir eine bei Seite gesetzte Schnupftabaksdose und eine Cigarrenspitze, beide aus Horn und sehr stark benagt, nebst einer Anzahl in ihrer Nachbarschaft aufgefundener lebender Larven sowie deren Bälge übersandt, die gleichfalls der in Rede stehenden Art angehörten.

Die Larve hat große Aehnlichkeit mit der des Speckkäfers, aber geringere Größe im ausgewachsenen Zustande und keine Hornhaken an der verschmälerten Leibesspitze. Der große Kopf ist borstenhaarig, auch der Rücken mit gelbbraunen, kurzen und nach hinten gerichteten Haaren und das Ende mit einem losen Pinsel längerer Haare versehen. Sie zieht den vorderen Körpertheil gern nach unten ein, rutscht stoßweise vorwärts, lebt und verpuppt sich ganz in der Weise der vorigen und auch um dieselbe Zeit, Ende August. Wenn sie die Wahl hat, so ernährt sie sich vorherrschend von Haaren und Wolle der Thierfelle, rohen und verarbeiteten, und wird durch dieselben in die menschlichen Behausungen gelockt, wo Pelzwerk, gepolsterte Geräthe, wollene Teppiche um so sicherer Nistplätze bieten, je weniger ausgeklopft, gelüftet und gereinigt sie werden. Mai, Juni und Juli sind die Monate, in welchen die Larve am thätigsten, das Pelzwerk aber meist bei Seite gebracht worden ist, daher wiederholtes Lüften und Ausklopfen desselben geboten!

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 70-71.
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