Rebenschneider (Lethrus cephalotes)

[83] Der großköpfige Zwiebelhornkäfer, Rebenschneider (Lethrus cephalotes), schließt sich im übrigen Körperbaue unmittelbar an die vorhergehenden an, unterscheidet sich jedoch in seiner Fühlerbildung von allen Familiengenossen dadurch, daß die letzten beiden Glieder in dem drittletzten abgestutzten Gliede eingelassen sind, wie das Innere einer Zwiebel in ihre Schalen, daher der erste Name.


Großköpfiger Zwiebelhornkäfer (Lethrus cephalotes), Reben schneidend, Männchen und Weibchen. Natürl. Größe.
Großköpfiger Zwiebelhornkäfer (Lethrus cephalotes), Reben schneidend, Männchen und Weibchen. Natürl. Größe.

Infolge dieses eigenthümlichen Baues enden die Fühler nicht in einen Fächer und scheinen nur aus neun Gliedern zusammengesetzt zu sein. Ueberdies sind die Kinnbacken groß, am Innenrande gezähnt, noch auffälliger werden die an sich kräftigeren männlichen durch einen mächtigen, nach unten gerichteten Zinken. Der schwarze, durch dichte und feine Punktirung matte Käfer, welcher mit sehr kurzen, zusammen beinahe eine Halbkugel bildenden Flügeldecken ausgerüstet ist, bewohnt trockene, sandige Gegenden des südöstlichen Europa. In trockenem Miste und um die Wurzeln ausdauernder Gewächse hält er sich in Erdlöchern paarweise zusammen, und hat durch seinen entschieden schädlichen Einfluß auf die Reben seit längerer Zeit schon die Aufmerksamkeit der Weinbauer in Ungarn auf sich gelenkt und den zweiten der obigen Namen erhalten.

Sobald im ersten Frühjahre die Strahlen der Sonne den Boden durchwärmt und an den Reben die Knospen zum Austreiben veranlaßt haben, zeigen sich zahlreiche Löcher im Boden, ganz in der Weise, wie wir sie auf Triften und Waldblößen von unseren heimischen Roßkäfern sehen können. Hauptsächlich in den Morgenstunden und des Nachmittags von drei Uhr ab kommen die Käfer aus diesen Löchern, flüchten aber schnell wieder in dieselben zurück, wenn sie ein Geräusch bemerken, betragen sich also in dieser Hinsicht wie die Feldgrillen. Werden sie nicht gestört, so kriechen sie in Eile an den Reben empor, schneiden Knospen, junge Triebe, mit und ohne Trauben ab und schaffen dieselben, rückwärts gehend, in ihre Röhren, ein jeder in die seinige. Diese Beschäftigung wird den Sommer über fortgesetzt und erstreckt sich nach Erichson auch auf Gras [83] und auf Blätter des Löwenzahnes. Da kein Berichterstatter von der Nahrung der Käfer spricht und nur vom Abschneiden der Reben die Rede ist, so dürften die in den Wohnungen welk gewordenen Blätter und sonstigen Pflanzentheile den Käfern zur Nahrung dienen, entschieden jedoch in erster Linie deren Brut. Denn wenn der hinreichende Vorrath eingetragen worden ist, legt das Weibchen gewiß nur ein Ei an denselben, sorgt für weitere Löcher und weiteren Vorrath für die noch übrigen Eier. Denn wir zweifeln nicht daran, daß, abgesehen von dem veränderten Nahrungsstoffe in der Brutpflege und in der Entwickelung der Brut, sich auch bei dieser Art dasselbe wiederholt, was von unseren Roßkäfern gilt. Bei Regenwetter läßt sich der Rebenschneider nicht sehen, und er kann, wie berichtet wird, sogar spurlos verschwinden, wenn jenes längere Zeit anhält. Auch während der Weinlese ist er nicht mehr zu finden, weil nach Beendigung des Brutgeschäftes auch seine Zeit erfüllt ist, und seine Nachkommen erst nach dem Winter zum Vorscheine kom men, um das Geschäft der Eltern fortzusetzen. Ohne die Reben an den Wurzeln zu schädigen, läßt sich nach den Käfern schwer nachgraben; darum ist dies auch immer unterblieben und deshalb die Larve und die Entwickelung dieses Rebenfeindes noch nicht zur Genüge erforscht.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 83-84.
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