Saatschnellkäfer (Agriotes segetis)

[104] Der Saatschnellkäfer (Agriotes segetis), ein ungemein verbreiteter Schmied von schlichtem Aeußeren, hat seiner Larve wegen mehr als andere seinesgleichen die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt und eine traurige Berühmtheit erlangt. Der Körper ist weniger abgeflacht als bei der besprochenen und sehr vielen anderen Arten, von der aus der Abbildung zu ersehenden Form. Die Stirn wird durch keine Querfurche vom Gesichte getrennt, sondern biegt sich in der Mitte abwärts, beiderseits über den Mund hin einen Rand bildend. Die mehr fadenförmigen Fühler setzen sich außer dem walzigen ersten aus noch zehn ziemlich gleich großen, kegelförmigen Gliedern zusammen, von denen nur das letzte Lanzettform annimmt. Das vorn stark polsterartig gewölbte und an den Ecken gerundete Halsschild ist so lang wie breit und läuft an den Hinterecken in je eine kräftige Spitze gerade aus, die Nähte der Vorderbrust erscheinen doppelt und vorn ausgehöhlt, ohne jedoch eine Fühlerfurche zu bilden. Auf jeder Flügeldecke zählt man acht Reihen schwarzer Punktstreifen, gleiche und ebene Zwischenräume zwischen sich lassend, von denen der zweite und vierte (von der Naht gerechnet) wenig dunkler als die anderen ist. An den etwas zusammengedrückten einfachen Füßen ist das erste Glied verlängert. Die ganze Oberseite des Käfers und die Beine erscheinen durch Behaarung gelblichgrau, auf der Unterseite dagegen schimmert die schwarze Grundfarbe mehr durch. Die Länge beträgt ziemlich 9 Millimeter.

Die Ueberwinterung des Käfers, bevor er sich fortpflanzt, beweist der Umstand, daß er im Frühjahre vom großen Wasser aus seinen winterlichen Schlupfwinkeln herausgespült und, noch ehe er aus der Erstarrung erwacht, zahlreich angeschwemmt wird.


Saatschnellkäfer (Agriotes segetis) und Larve, deren letztes Glied auch von der Unterseite. Alles vergrößert.
Saatschnellkäfer (Agriotes segetis) und Larve, deren letztes Glied auch von der Unterseite. Alles vergrößert.

Er treibt sich auf Feldern, Wiesen, Wegen, überall umher, und die Paarung erfolgt. Das Weibchen legt seine Eier entschieden in der Nähe von Pflanzen an die Erde oder flach unter dieselbe, und die daraus entschlüpfte Larve nährt sich von zarten Pflanzentheilen. Sie wächst ungemein langsam und lebt mehrere Jahre, wahrscheinlich vier, ehe sie zur Verpuppung reif ist. Ihre Form, welche mit den übrigen Schnellkäferlarven übereinstimmt, ergibt die Abbildung; bei ihr läuft das Endglied in ein stumpfes Spitzchen aus und hat an seiner Wurzel jederseits zwei schwarze, ovale Eindrücke, auf der Unterseite vor einer Bogenleiste die runde zum Nachschieben dienende Afteröffnung, genau so, wie dies bereits bei der Larve des rauhen Schnellkäfers angegeben wurde. Die sehr festen, gelben, gedrückt walzigen Leibesringe unterscheiden sich kaum von einander, der erste und zwölfte übertrifft die übrigen wenig an Länge. Der Kopf schärft sich nach vorn zu, ist um die Mundtheile dunkler gefärbt, trägt dreigliederige Fühler, keine nachweisbaren Augen, vorn zweizähnige Kinnbacken und sehr verlängerte Kinnladen mit viergliederigen Tastern und Lappen von dreigliederiger Tasterform. Auf dem schmal rechteckigen Kinne sitzt eine nach vorn dreieckige Unterlippe mit zweigliederigen Tastern, ohne Spur von Zunge. Von oben herschließt die nicht als Kopfschild abgeschiedene Stirn in Ermangelung der Oberlippe die Mundöffnung.

Am 12. September sammelte ich zwölf Stück solcher Larven, welche zwischen den Wurzeln ziemlich verkümmerten Kopfkohles auf einem feuchten Acker saßen, brachte sie in einen Blumentopf, in welchen Rübsen und Glanz gesäet wurden, um durch deren Wurzeln sie mit Futter zu versorgen. Als die Pflänzchen ungefähr zwei Zoll hoch gewachsen waren, fingen sie an zu [104] welken, besonders das Gras. In diesem Zustande blieb der Topf, welcher bisweilen etwas angefeuchtet wurde, über Winter im Fenster des geheizten Zimmers stehen. Im Februar wurden einige Erbsen gelegt, die bis etwa einen Fuß lang wurden, spärlich und dünn im Wuchse, wie es die Jahreszeit mit sich brachte; plötzlich aber fingen sie an zu welken. Am 6. Juli untersuchte ich die von zahlreichen Faserwurzeln durchsetzte Erde und fand darin drei frisch ausgeschlüpfte Käfer unserer Art, die zarten, natürlich sehr verdrückten Puppenhäute ebenfalls, von den neun übrigen Larven aber keine Spur.

Die Puppe sieht weiß aus, hat schwarze Augen, über denselben je ein kleines, braunes Spitzchen und endet in zwei kurze Schwänzchen; sie ruht lose, ohne Gespinst, und zwar nur einige Wochen in der Erde.

Wer für dergleichen Dinge ein offenes Auge besitzt, kann die Käfer vom Frühjahre an bis gegen den Herbst hin an den bereits erwähnten Orten sich umhertreiben und auf Wiesenblumen Nahrung suchen sehen, darf aber nicht meinen, daß die zuerst im Frühjahre erblickten und die herbstlichen dieselben wären. Vielmehr sind jene die alten Käfer, welche nach Beendigung des Brutgeschäftes nach und nach hinsterben, sicher aber in vereinzelten Stücken noch am Leben sind, wenn die ersten jungen Käfer erscheinen, welche sich gegen den Herbst hin mehren und mit dem übrigen Geziefer die Winterquartiere beziehen, wenn die Unfreundlichkeit der Witterung dazu mahnt. Dieser »Drahtwurm«, noch weit verbreiteter als der vorige, hat bei den verschiedensten Gelegenheiten die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt und kaum eine Vorliebe für bestimmte Kulturpflanzen an den Tag gelegt, sondern jegliche seines Bereiches angegriffen. Hier waren es die jungen, eben erst gekeimten Haferpflänzchen, welche stellenweise wieder verschwanden. Bei näherer Untersuchung fand sich der unterirdische zarte Stengel über der Wurzel an- oder durchgefressen und in der Nähe der, »Drahtwurm« als der Missethäter. In gleicher Weise hat er den Wintersaaten im Oktober und November Schaden zugefügt, wenn auch nicht in der Ausdehnung wie den Sommersaaten. Dort hat er die jungen Erbsenpflanzen am unterirdischen Stengel benagt und dadurch nicht minder verderblich gewirkt, oder die Zuckerrüben, die beim ersten, auch zweiten Hacken manchmal büschelweise welk angetroffen werden. Es ist beobachtet worden, daß er im leichten Boden schädlicher wird als im schweren, in entwässerten (drainirten), gekalkten und neu urbar gemachten Feldern aber die bedeutendsten Verheerungen angerichtet hat. Nicht bloß auf dem Acker, sondern auch im Gemüse- und Blumengarten führt sich unsere Larve sehr unnütz auf, Möhren, Kohlarten, Salat, Levkojen, Nelken, Liliengewächse und andere zerstörend, und fordert somit die Betroffenen zu einem Vernichtungskampfe gegen sie heraus.

Leider sind, wie in den meisten derartigen Fällen, die Mittel, welche man jenem Pflanzenfeinde gegenüber vorgeschlagen hat, entweder als nicht ausreichend oder im großen für unausführbar befunden worden. Englische Gärtner empfehlen für den Garten das Ködern. An den befallenen Stellen werden während der Sommermonate Salatstrünke (oder ihnen entsprechende Stoffe) ausgestreut. Die danach ungemein lüsternen Drahtwürmer gehen während der Nacht zahlreich an den Köder und müssen jeden Morgen von demselben abgelesen und eingesammelt werden. Für den Acker wird ein anderes Mittel vorgeschlagen, nach dessen zwei bis drei Jahre hindurch wiederholter Anwendung die Drahtwürmer verschwunden gewesen sein sollen. Der betreffende Landwirt ließ Oelkuchen in haselnußgroße Stückchen zerschlagen und dieselben in mäßiger Anzahl der Erdkrume bis ungefähr 10,5 Centimeter Tiefe beimengen. Alle Insektenfresser unter den Vögeln und den wenigen kleinen Säugern stellen übrigens den Drahtwürmern nach, jene finden freilich wenig Gelegenheit, sich derselben zu bemächtigen. Interessant dürfte es sein, zu erfahren, daß selbst eine kleine Schlupfwespe die unterirdischen Larven aufzufinden und mit ihren Eiern zu beschenken weiß. Kollar hat sie erzogen und mit dem Namen Bracon dispar belegt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 104-105.
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