Lähmender Stengelbohrer (Lixus paraplecticus)

[135] Der lähmende Stengelbohrer (Lixus paraplecticus) ist ein eigenthümlich gebauter Käfer; dessen Gestalt unsere Abbildung vergegenwärtigt, dessen Farbe, wenn der gelbe Ueberzug abgerieben, graubraun erscheint; das Halsschild ist äußerst fein runzelig punktirt und an dem Vorderrande in der Augengegend lang bewimpert. Ihren Beinamen hat die Art infolge der irrigen Ansicht erhalten, daß die Pferde durch den Genuß der Larve gelähmt würden. Dieselbe lebt nämlich in den dicken, hohlen Stengeln des Pferdekümmels (Phellandrium aquaticum, neuerdings Oenanthe aquatica) gleichzeitig mit denen eines gelb gestreiften, grünen Blattkäfers (He lodes phellandrii), in Sium latifolium und anderen am Wasser stehenden Dolden. Wenn man zur Blütezeit einen kleinen Wald der erstgenannten am Rande eines Sumpfes näher ins Auge faßt, kann man einzelne Bohrlöcher von der Größe eines großen Schrotkornes daran entdecken. In solchem Falle flog der Vogel bereits aus, beim Spalten der unverletzten Stengel findet man zu dieser Zeitlose in einem der inneren Fächer ruhende Puppen, eben ausgeschlüpfte, noch ganz weiche und weiße Käfer, aber auch vollkommen ausgebildete, welchen nur noch übrig blieb, sich heraus zu nagen.


Lähmender Stengelbohrer (Lixus paraplecticus), natürl. Größe.
Lähmender Stengelbohrer (Lixus paraplecticus), natürl. Größe.

In jedem Fache lebt nur ein Stengelbohrer, während die anderen Mitbewohner in der Regel zahlreicher beisammen getroffen werden.

Der Käfer überwintert in einem sicheren Verstecke in der Nähe solcher Orte, wo im Frühlinge die jungen Triebe der Futterpflanze aufsprossen; ich habe ihn sehr vollkommen und dicht bestäubt unter anderen am 30. September 1872 in einer mit seiner Futterpflanze umsäumten, zu der Zeit fast ausgetrockneten Lache massenhaft mit dem Streifnetze eingefangen und zum Theil in fest aufeinander sitzenden Pärchen. Auch im nächsten Frühjahre folgt nach anderen Beobachtern die Paarung. Werden seine Wohnplätze vom Frühjahrswasser überschwemmt, so zeigt er sich als geschickter Schiffer oder Schwimmer. Er kriecht dann auch an der Pflanze in das Wasser hinab, und hier unter demselben legt das befruchtete Weibchen seine Eier einzeln. Es geschieht dies zu einer Zeit im Jahre, wo die wenigsten seiner Futterpflanzen schon aus dem Wasser herausgewachsen sein dürften. Damit er deren Vorkommen nicht erst abzuwarten brauche, hat die Natur ihn so organisirt, daß er unter dem Wasser jenes Geschäft verrichten kann.

Die Gabelspitzchen an den Enden der Flügeldecken kommen außer ihm in dieser Entwickelung nur noch einer Art zu, sie alle aber stimmen in dem walzigen, mäßig langen Rüssel, dessen Fühlerfurche nach der Kehle hin verläuft, überein. Die ovalen Augen stehen frei vor dem Halsschilde, dessen Hinterrand zweimal seicht gebuchtet ist. Das Schildchen fehlt; die Vorderschenkel ruhen auf kurz zapfenförmigen Hüften und die sämmtlichen Schienen laufen in einen kurzen Haken aus, mit welchem sie sich sehr fest an ihre Unterlage anklammern. Sofort lassen sie los und mit angezogenen Beinen sich fallen, wenn sie eine Gefahr bemerken, Erschütterung ihres Standortes fühlen usw.; darum streift man sie so leicht in das Netz, welches in mähender Bewegung die oberen Partien der Futterpflanze bearbeitet.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 135.
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