Kurzfuß (Brachytarsus scabrosus - varius)

[162] Die Familie der Maulkäfer (Anthribini) verband man gleichfalls bisher mit den Rüsselkäfern; Lacordaire will sie aber davon getrennt wissen, und mit demselben Rechte, wie die vorigen. Auch hier verlängert sich der Kopf in einen etwas breiten, nicht langen, nie walzigen, nie von ihm durch eine Querlinie geschiedenen Rüssel. Der Unterkiefer ist zweilappig, die Lappen [162] sind schmal, linienförmig, an der Spitze gerundet und fein gewimpert, von den fadenförmigen, spitz endenden Tastern die ihm zugehörigen viergliederig, die der Lippe nur dreigliederig; der Oberkiefer tritt mehr oder weniger hervor, ist breit und gezähnt an der Wurzel, verschmälert nach der Spitze hin. Die Oberlippe ist deutlich, vorn gerundet und bewimpert. Die nicht gebrochenen Fühler bestehen aus elf Gliedern, deren letzte eine lose gegliederte, manchmal infolge der Gestrecktheit verschwindende Keule bilden, und sind dem Rüssel an sehr verschiedenen Stellen in einer Seitengrube eingelenkt. Bei manchen Männchen erreichen sie eine bedeutende Länge, und vielleicht hierdurch, aber auch durch die Körperform, ist oft eine gewisse Aehnlichkeit mit den nachher zu betrachtenden Bockkäfern nicht zu verkennen. Ein Querkiel vorn an der Vorderbrust gibt in seinem Verlaufe, seiner Länge usw. gute Gattungscharaktere ab. Die Hüften an den beiden ersten Paaren der Beine sind fast kugelig und von einander getrennt, die des letzten Paares bedeutend breiter als lang, die Pfannen aller geschlossen, die Schienen an der Spitze gestutzt, nie mit Endsporen oder Haken versehen, und das dritte der vier Fußglieder allermeist im zweiten so versteckt, daß man an seiner Gegenwart zweifeln könnte; die Klauen tragen unten je einen Zahn. Den Hinterleib setzen vom Bauche her fünf ziemlich gleiche Glieder zusammen, deren letztes auf dem Rücken immer sichtbar bleibt. Die düstere Körperfarbe wird durch ein kurzes Haarkleid durchaus heller oder fleckenartig bunt. Die Maulkäfer finden sich an kranken Baumstämmen oder Schwämmen, viel seltener auf Blättern oder Blumen. Die meisten haben einen schwerfälligen Flug, einige dagegen zeigen sich in dieser Beziehung sehr beweglich, und ein paar können sogar springen. Man kennt erst sehr wenige Larven, die in ihrer äußeren Erscheinung von denen der Rüsselkäfer nicht abweichen und darauf schließen lassen, daß die meisten bohrend in Pflanzen leben. Die Familie breitet sich mit ihren reichlich achthundert Arten, deren zwei Drittel noch nicht beschrieben und benannt sind, über die Erde aus, bedeutend überwiegend in den von den Malaien bewohnten Theilen Asiens; Europa hat nur sieben Gattungen mit zusammen neunzehn Arten, unter denen der weißfleckige Maulkäfer (Anthribus albinus) zu den ausgezeichnetsten gehört. Seine Gestalt und Größe ersieht man aus der Abbildung; die hellen Zeichnungen auf dem rehbraunen Untergrunde sind schneeweiß, überdies noch der Kopf und Hinterleib sammt dem letzten Brustringe, die wir hier nicht zu sehen bekommen. An der Wurzel des breiten, senkrechten Rüssels stehen etwas schief die nierenförmigen Augen, vor ihnen die fast fadenförmigen Fühler, welche beim Weibchen nur halbe Körperlänge erreichen, sich dafür aber mehr nach vorn verdicken. Der weite Abstand der Vorderhüften von einander charakterisirt die Art noch im besonderen. Ich fand sie bisweilen an angegangenen Stämmen der Rothbuche, immer als Seltenheit. – Interessant werden die kleinen, unansehnlichen Arten der Gattung Kurzfuß (Brachytarsus), welche in Europa und Amerika zu Hause sind.


Weißfleckiger Maulkäfer (Anthribus albinus), Männchen; vergrößert.
Weißfleckiger Maulkäfer (Anthribus albinus), Männchen; vergrößert.

Man findet die Käfer auf Blumen, die Larven unter den braunen, halbkugeligen, bekanntlich über der jungen Brut als Schutz und Schirm zurückbleibenden Schildlaushäuten (Coccus) und meint, daß sie sich von den Eiern der Coccus-Arten ernähren. Wenigstens ward dies von Brachytarsus scabrosus und B. varius beobachtet. Beides sind kleine, stumpf eiförmige Käfer mit breitem, an den Seiten scharfkantigem, kurzem Rüssel, der in einer schmalen, nach unten gebogenen Seitenfurche die schwachgekeulten Fühler von geringer Länge trägt. Die großen Augen berühren den Vorderrand des querviereckigen, am Grunde zweibuchtigen Halzschildes, dessen gespitzte Hinterecken sich an die Schultern der nicht breiteren Flügeldecken anlegen, zwischen denen man vorn das Schildchen nur in Form eines Punktes bemerkt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 162-163.
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