Dritte Familie: Holzbohrer (Xylotropha)

[374] Von der Familie der Holzbohrer (Xylotropha) gelten nur zwei gemeinsame Merkmale: nach vorn spitz endende Fühler und zwei Sporenpaare an der Innenseite der Hinterschienen, im übrigen gehen sie weit auseinander. Es findet sich bei ihnen die breite Flügelform, welche an die Tagfalter erinnert, die schmale der Schwärmer, zu welchen manche von ihnen bisher gerechnet worden sind, und die in der Mitte stehende, welche in Vereinigung mit dem dicken Hinterleibe die Spinner kennzeichnet. Somit haben wir es hier mit einer Uebergangsgruppe zu thun, deren Glieder nur wegen ihrer Entwickelungsgeschichte zur Vereinigung berechtigen. Die walzigen oder niedergedrückten, einzeln behaarten und sechzehnfüßigen Raupen aller leben nämlich in der Jugend unter der Rinde holziger Gewächse, bohren sich, wenn sie größer werden, tiefer hinein und arbeiten Gänge im Holze, oder zwischen diesem und der Rinde aus. Weil sie sich vom Sonnenlichte abschließen, fehlen ihnen lebhaftere Farben gänzlich, und die meisten erscheinen in dem lichten, beinfarbenen Gewande, welches den ebenso lebenden anderen Kerflarven eigenthümlich zu sein pflegt. Als Bohrer bedürfen sie auch einer längeren Zeit zu ihrer Entwickelung, und einmalige Ueberwinterung wird bei ihnen zur Regel, es kommt aber auch eine zweimalige vor. Manche fertigen sich, wenn sie erwachsen sind, ein geschlossenes Gehäuse aus den Spänen ihrer Umgebung, andere verpuppen sich frei in der etwas erweiterten Höhlung des Ganges. Darin aber stimmen alle überein, daß die Raupe dafür sorgt, dem der Puppe entschlüpften Schmetterlinge die Freiheit zu [374] sichern. Sie hat während ihres Lebens einen Ausgang bereitet, welcher ihr zum Hinausschaffen des Kothes diente, wie sie jenem zum Ausfliegen dienen wird. Der Koth quillt in Form zusammengebackener Sägespäne daraus hervor, bleibt zum Theil daran hängen, verstopft das Loch stets und wird zum Verräther der Raupe. Diese nun, wenn sie in Begriff steht, sich zu verpuppen, begibt sich unmittelbar hinter jenen verstopften Ausgang und kehrt sich mit dem Kopfe ihm zu. Die Natur, welche nichts halb thut, pflanzte der Raupe nicht nur diesen Trieb ein, sondern baute auch die Puppe so, daß sie durch eine scharfe Spitze am Kopfe, oder durch Borstenkränze an ihren Leibesringen bohren und sich durch Windungen ihres Körpers vorschieben kann, wenn das erwachte Schmetterlingsleben im Drange nach Freiheit dazu Veranlassung bietet. Sonach ist der Schmetterling gegen seine Brüder, deren Puppen im Freien hängen, kaum benachtheiligt, er hat nur, bevor er im Nacken die Hülle der letzteren sprengt, durch einige Wurmbewegungen, wie der Schwärmer in der Erde, die Puppe wenige Linien vorwärts zu schieben. Diese Eigenthümlichkeit in der Entwickelung und der Mangel gewisser Kennzeichen, welche andere Arten haben, deren Larven gleichfalls bohrend leben, sind es, welche die gleich näher zu betrachtenden zu einer Familie vereinigen lassen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 374-375.
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