1. Sippe: Bradyporinen

[556] Die Laubheuschrecken oder Säbelschrecken (Locustina) lassen sich an den langen und borstigen, in ihren Gliedern nicht unterscheidbaren Fühlern, und an den vier Gliedern aller gleichgebildeten Füße auf den ersten Blick erkennen. Der Kopf steht senkrecht, tritt am Scheitel zwischen den halbkugeligen Augen mäßig hervor und läßt meist die Punktaugen vermissen. Der sattelförmige Vorderrücken pflegt sich nach hinten über die äußerste Wurzel der Flügel auszubreiten. Diese nehmen der Hauptsache nach die Seiten des Körpers ein, greifen mit den schmalen Innenrändern übereinander und bilden sonach oben in ihrem Wurzeltheile ein schmales, plattes Dach über dem gerundeten, in der Mitte den größten Umfang erreichenden Hinterleibe. Derselbe endigt beim Männchen in oft hakig gekrümmte Raife, beim Weibchen in eine längere oder kürzere säbelförmige Legröhre, so daß der Unterschied der Geschlechter schon aus der Ferne wahrgenommen werden kann. Dem letzten der Fußglieder fehlt der Haftlappen zwischen den Krallen. Die Männchen verwenden hier nicht ihre Hinterschenkel zum Musiciren, sondern bringen die wetzenden, schrillenden Töne durch das Reiben der Flügeldeckenwurzeln aneinander hervor. Die linke, zugleich obere Flügeldecke enthält an ihrem Grunde eine kräftige Querader von nahezu der Form eines Paragraphzeichens (§), welche auf der Unterseite mehr heraustritt als oben und durch zahlreiche Querkerben rauh wie eine Feile wird. Der dreieckige Theil der rechten Flügeldecke darunter, welcher wagerecht auf dem Rücken liegt, zeigt einen dünnhäutigen, ringsum von kräftigen Adern eingeschlossenen Fleck, den sogenannten Spiegel, dahinter einen kleineren von gleicher Form und Durchsichtigkeit. Werden nun die Decken beim Zirpen gehoben und mit den Schrilleisten der linken schnell hinter einander die Ränder des Spiegels gewetzt, so wirken die feinen Häute wie ein Resonanzboden und verstärken den Ton. Eine Ausnahme von der Regel bilden einige Arten mit blasig aufgetriebenen Flügeldecken, bei denen auch die Weibchen locken können und die gegenseitige Lage der Decken eine durchaus gleichgültige ist. Für die Säbelschrecken haben die Beine, und zwar die vordersten in anderer Beziehung ihre Eigenthümlichkeit. An der Wurzel der Schienen bemerkt man außen ein tiefes Spalten- oder Grubenpaar, welches im Inneren von zarter Haut geschlossen wird. Zwischen beiden Oeffnungen erweitert sich der Hauptstamm der den Vorderbeinen angehörigen Luftröhren blasenartig, und ein aus dem ersten Markknoten der Brust entspringender Nerv schwillt ebendaselbst zu einem Knoten an, von welchem eigenthümlich gestaltete Nervenelemente abgegeben und in reihenweise gestellte, wasserhelle Bläschen eingeschlossen werden. Dieses Gebilde hat von Siebold in seinem Baue sorgfältig untersucht und für das Gehörwerkzeug dieser Familie erklärt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 556.
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