Sippe: Blindwanzen, Blumenwanzen (Capsidae)

[609] Alle die kleinen, zarten und weichen Wanzen, welche im Sommer Blumen und Gräser beleben, mit einer vielen anderen Ordnungsgenossen fremden Beweglichkeit und fortwährenden Bereitschaft zu geräuschlosem Fluge hier auftreten und dort verschwinden, so lange die Sonne scheint, und vorherrschend dem Honig nachgehen, gehören der Familie der Wiesen- oder Blindwanzen (Phytocoridae, Capsini) an, einer Familie, die mit verhältnismäßig zahlreicheren Arten in den gemäßigten, als in den wärmeren Erdstrichen vertreten ist; von Europäern sind etwa dreihundert bekannt. Man würde diese lichtgrünen, häufig auch ungemein zierlich buntgezeichneten Schnabelkerfe nicht haben vereinigen können, wenn sie nicht auch im Körperbaue mit einander übereinstimmten. Sie haben einen dreieckigen Kopf, dessen dreiseitiger Scheitel nur bei einer Gattung (Miris) von der Stirn getrennt, bei den übrigen herabgebogen und mit der nach vorn gewendeten Stirn verschmolzen ist. Obgleich sie Blindwanzen genannt werden, fehlen ihnen die Netzaugen keineswegs, wohl aber die Punktaugen. Die borstenförmigen Fühler, deren zweites Glied das längste, bisweilen auch das dickste ist, erreichen die Körperlänge oder übertreffen sie und laufen in zwei haarfeine Glieder aus. Der angedrückte Schnabel reicht bis zum Ende der Brust und seine Scheide besteht aus vier meist gleichlangen Gliedern. Das nicht eben große, dreieckige Schildchen ist immer sichtbar. Die lederartigen, weichen Flügeldecken sind mit einer Falte versehen, welche dem gegen das Schildchen gewendeten Rande gleichläuft und ein eigenes, länglich trapezisches Feld, das Schlußstück (den Nagel, clavus), absondert, der übrige Theil bildet ein Dreieck, das Leder (corium), an dessen kürzeste, gegen die Spitze gerichtete Seite ein durch eine Falte abgesetzter, dünnerer, meist eigenthümlich gefärbter Lappen, das Keilstück (cuneus), auch wohl Anhang genannt, als charakteristisches Familienmerkmal angrenzt, von welchem dann die Haut (membrana) sich fortsetzt. In letzterer bemerkt man eine bogenförmige, vom Rande des Anhanges ausgehende [609] und dahin zurückkehrende Ader, welche vor dem äußeren Ende noch einen kleinen Ast aussendet und mithin zwei ungleiche Zellen bildet. Fehlt diese Haut, so fehlen gleichzeitig die immer sehr zarten Hinterflügel. Die mitunter auffallend kleinen Füße zeigen drei undeutlich abgesetzte Glieder und ungemein kleine Haftlappen zwischen den Krallen. Eine derartige Weichheit des Körpers und lose Einfügung der Beine, wie sie sich hier findet, kommt bei keinen anderen Wanzen wieder vor.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 609-610.
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