Kapitel XLVIII.
De praestigiis
oder
Von der Verblendung und Gauklerei

[176] Aber wir müssen wieder zur Magie kommen, deren Stücklein eins ist die Kunst der Verblendung und Gauklerei; und ist nichts anders als ein Betrug, welcher nur unwirkliche Erscheinungen von sich gibt, und dadurch die Magi gewisse Phantasmata und Gesichte herfürbringen und viel Wunderwerke durch ihre gauklerische Possen uns für Augen stellen, auch die Menschen träumen lassen, welches nicht sowohl geschieht durch Bezauberung oder teufelische Sprüche, als durch Raucherei und Dämpfe, durch Lichter oder Verblendungen, Tränke, Salben, Binden, mit Ringen, mit Bildern, mit Spiegeln und andern natürlichen und zu dieser Kunst geschickten Drogen und Instrumenten.

Es geschieht auch viel durch eine subtile Geschwindigkeit der Hände und durch listige Emsigkeit, wie wir es täglich bei den Gauklern und Komödianten sehen, welche wir Gelehrten deswegen Chirosophos, das ist: den Händen nach Weltweise nennen.

Von dieser Künstleiei liegendes Hermetis und noch einiger anderer Bücher am Tage. Wir lesen auch, dass[176] Pasetes, ein artlicher Betrüger, denen Leuten habe eine fürtreffliche Mahlzeit oder Gasterei gewiesen, und gleich in einem Augenblick, wann es ihm gefallen hat, ist alles wieder verschwunden, und haben die Gäste alle gelegen ohne Speise und Trank. Von dem Numa Pompilio lesen wir, dass er sich auch solcher Gauklerei gebrauchet habe. Auch der gelehrte Pythagoras hat einstmals diesen lächerlichen Possen vorgehabt, dass er, was er gewollt hat, mit Blute geschrieben auf einen Spiegel und diesen gegen den Vollmond gerichtet; hernachmals aber hat er alle diese geschriebene Sachen in der Fläche des Mondes gewiesen.

Hierher gehöret auch, was von der Verwandelung der Menschen ist geschrieben und von den Poeten geglaubet worden, welches uns auch von den Historicis, ja wohl gar von etlichen christlichen Theologis ist, als auf der H. Schrift gegründet, erzählt worden. Also scheinen uns Menschen wie Esel, Pferde und andere Tiere, nur durch Verblendung der Augen, durch Störung der Luft und durch solche natürliche Kunst. Bisweilen geschieht solches auch sowohl von guten als von bösen Geistern, auch wohl auf Gebet der Frommen von Gott selbsten, wie wir in der heiligen Schrift lesen von dem Propheten Elisäo, als er ist umgeben gewesen von dem Heer des Königs in Syrien, in der Feste Dothain. Fromme Augen aber werden nicht getäuschet. Also ist dasjenige Weib, welches insgemein vor ein Vieh ist gehalten worden, dem Hilarioni nicht vor ein Vieh, sondern für ein Weibsbild vorkommen. Derohalben alle diese Sachen, welche einem auf solche Art scheinen und vorkommen, das werden Gauklereien und Verblendungen genennet; was aber ganz verwandelt und wahrhaftig eine andere Gestalt bekommet, als von dem Nabuchodonosor oder von der Ernte, so[177] auf andere Acker ist gebracht worden, davon haben wir droben mehr gesaget.

Von dieser Gauklereikunst redet Jamblichus also: Quae praestigiati seu fascinati imaginantur, praeter imaginativam nullam habent actionis et essentiae veritatem; das ist: Welche Sachen einem durch Verblendung eingebildet werden, die haben keine Wahrheit eines Dinges, und es ist keine Wahrheit, sondern eine Einbildung. Denn es ist der Endzweck dieser Kunst, nicht schlechter Dinge was machen, sondern nur etwas scheinend machen, davon hernach weiter nichts übrig bleibet. Aus diesem allen nun, was wir vorjetzo gesagt haben, erhellet klar, dass die Magia nichts anders sei als ein Gemisch von Götzendienst, Astrologie und abergläubischer Medizin, und dass von diesen Magis ein grosser Haufe Ketzer in die Kirche kommen sind, gleichwie sich Jamnes und Mambres dem Moysi, also haben sich auch diese der apostolischen Wahrheit widersetzet. Der Vornehmste unter ihnen ist Simon Samaritanus gewesen, welcher zu Rom unter dem Kaiser Claudio wegen dieser Kunst mit einer Ehrensäule ist verehret worden, mit dieser Überschrift : Simoni Sancto Deo: Simoni dem heiligen Gott. Dessen Gotteslästerung erzählet Clemens Eusebius und Irenäus weitläuftig.

Aus diesem Simone sind gleichsam als aus einer Baumschule nach und nach die ungeheuerlichen Ophiten, die schändlichen Gnostici, die gottlosen Valentiniani, die Cerdoniani, Marcionistae, die Montaniani und andere Ketzer mehr entsprossen; nur wegen des schnöden Gewinnsts und wegen der eitelen Ehre sind sie Lügner worden gegen Gott, haben die Leute betrogen und dieselben in lauter Irrtum und Schaden geführet; auch werden diejenigen, welche ihnen Glauben beimessen, dieses für Gottes Gerichte schwer zu verantworten haben.

Ich als ein Jüngling habe von dieser Kunst drei Bücher geschrieben, und zwar sehr weitläuftig und habe sie titulieret de Occulta Philosophia, oder von der verborgenen[178] Weisheit; was ich darinnen aus Kützel der Jugend geirret habe, das will ich jetzo, der ich nun klüger worden bin, revozieret und um Verzeihung gebeten haben; denn ich habe viel Zeit und Mühe mit dieser Eitelkeit zugebracht, und habe endlich dieses daraus gelernet, dass ich weiss, wie man andern von diesem schändlichen Wesen soll abraten.

Welche derohalben nicht durch Wahrheit, sondern durch Betrug des Teufels nach der Wirkung der bösen Geister prophezeien und weissagen, und durch diese magische Vanitäten, Bezauberungen, Incantationes und andere teuflische Werke, durch Betrug der Götzendienste, Gaukeleien, Phantasmata und andere dergleichen Wundersachen sehen lassen und sich berühmet machen wollen, dieselben sollen wissen, dass sie mit Jamne, Mambre und Simone Mago zu dem ewigen Feuer verdammet sind.[179]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 176-180.
Lizenz:
Kategorien: