7. Brahman als Weltäusseres und Weltinneres (3,7).

[42] 1. Da befragte ihn Uddâlaka, der Sohn des Aruṇa.

»Yâjñavalkya«, so sprach er, »wir weilten im Lande der Madra's, im Hause des Patañcala, des Abkömmlings des Kapi, um das Opfer zu erlernen; der hatte ein Weib, die war von einem Gandharva besessen. Diesen fragten wir, wer er sei, und er sprach: ›Ich bin Kabandha,[42] der Nachkomme des Atharvan.‹ Und er sprach zu Patañcala, dem Abkömmlinge des Kapi, und zu uns Opferschülern: ›Kennst du, o Kâpya, jenen Faden, von welchem diese Welt und die andre Welt und alle Wesen zusammengebüschelt werden?‹ Und Patañcala, der Abkömmling des Kapi, antwortete: ›Ich kenne ihn nicht, o Ehrwürdiger.‹ Und jener sprach zu Patañcala, dem Abkömmlinge des Kapi, und zu uns Opferschülern: ›Kennst du, o Kâpya, jenen innern Lenker, welcher diese Welt und die andre Welt und alle Wesen innerlich regiert?‹ Und Patañcala, der Abkömmling des Kapi, antwortete: ›Ich kenne ihn nicht, o Ehrwürdiger.‹ Und jener sprach zu Patañcala, dem Abkömmlinge des Kapi, und zu uns Opferschülern: ›Wahrlich, o Kâpya, wer jenen Faden kennt und jenen innern Lenker, der kennt das Brahman, der kennt die Welten, der kennt die Götter, der kennt den Veda, der kennt die Wesen, der kennt die Seele, der kennt alles.‹ Da erklärte er es jenen [dort Versammelten]; und so weiss ich es. Wenn nun du, o Yâjñavalkya, ohne dass du jenen Faden kennst und jenen innern Lenker, die Brahmanenkühe von dannen treibst, so soll dir der Kopf zerspringen.« – »Wohl kenne ich, o Gautama, jenen Faden und jenen innern Lenker.« – »Das kann jeder sagen: ich kenne ihn, ich kenne ihn; wenn du ihn kennst, so sage ihn an!« –[43]

2. Und er sprach: »Der Wind, fürwahr, o Gautama, ist jener Faden, denn durch den Wind, o Gautama, als Faden werden diese Welt und die andre Welt und alle Wesen zusammengebüschelt. Darum nämlich, o Gautama, sagt man von einem Menschen, der gestorben ist, ›seine Glieder haben sich aufgelöst‹; denn durch den Wind, o Gautama, als Faden werden sie zusammengebüschelt.« –

»So ist es, o Yâjñavalkya; jetzt sprich von dem innern Lenker!« –

3. »Der, in der Erde wohnend, von der Erde verschieden ist, den die Erde nicht kennt, dessen Leib die Erde ist, der die Erde innerlich regiert, der ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche.

4. Der, in den Wassern wohnend, von den Wassern verschieden ist, den die Wasser nicht kennen, dessen Leib die Wasser sind, der die Wasser innerlich regiert, der ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche.

5. Der, in dem Feuer wohnend, von dem Feuer verschieden ist, den das Feuer nicht kennt, dessen Leib das Feuer ist, der das Feuer innerlich regiert, der ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche.

6. Der, in dem Luftraum wohnend, von dem Luftraum verschieden ist, den der Luftraum nicht kennt, dessen Leib der Luftraum ist, der den Luftraum innerlich regiert, der[44] ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche.

8. Der, in dem Himmel wohnend, von dem Himmel verschieden ist, den der Himmel nicht kennt, dessen Leib der Himmel ist, der den Himmel innerlich regiert, der ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche.

9. Der, in der Sonne wohnend, von der Sonne verschieden ist, den die Sonne nicht kennt, dessen Leib die Sonne ist, der die Sonne innerlich regiert, der ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche.

11. Der, in Mond und Sternen wohnend, von Mond und Sternen verschieden ist, den Mond und Sterne nicht kennen, dessen Leib Mond und Sterne sind, der Mond und Sterne innerlich regiert, der ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche.

13. Der, in der Finsternis wohnend, von der Finsternis verschieden ist, den die Finsternis nicht kennt, dessen Leib die Finsternis ist, der die Finsternis innerlich regiert, der ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche.

14. Der, in dem Lichte wohnend, von dem Lichte verschieden ist, den das Licht nicht kennt, dessen Leib das Licht ist, der das Licht innerlich regiert, der ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche.

15. Der, in allen Wesen wohnend, von allen Wesen verschieden ist, den alle Wesen nicht[45] kennen, dessen Leib alle Wesen sind, der alle Wesen innerlich regiert, der ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche.

Er ist sehend nicht gesehen, hörend nicht gehört, verstehend nicht verstanden, erkennend nicht erkannt. Nicht gibt es ausser ihm einen Sehenden, nicht gibt es ausser ihm einen Hörenden, nicht gibt es ausser ihm einen Verstehenden, nicht gibt es ausser ihm einen Erkennenden. Er ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche. – Was von ihm verschieden, das ist leidvoll.«

Da schwieg Uddâlaka, der Sohn des Aruṇa.

Quelle:
Die Geheimlehre des Veda. Leipzig 1919, S. 42-46.
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