2. Die grundsätzliche Schaffung staatlicher Grundlagen

[105] Der Herzog sprach: »Wenn man dauernd sich daran macht, die großen Fragen der Regierung, der Dauer des Staates, der Ordnung des Volkes zu besprechen, um das Volk zu belehren; wenn man die Bahnen des Himmels untersucht und berechnet, um der Natur der Erde in der Zeit zu entsprechen, um die lichten Geisteskräfte des Volkes zu wecken und das Volk über seine Arbeiten zu belehren; wenn man nach oben hin die Ordnungen des Hauses Dschou befolgt, um dem Himmelssohn zu dienen; wenn man die Regierung pflegt und die Sitten festigt im Verkehr mit den Nachbarfürsten; wenn von allen diesen großen Pflichten keine unbeachtet bleibt: sind dann demgegenüber die kleinen Maßnahmen nicht von untergeordneter Bedeutung?«

Der Meister sprach: »Nein, man darf sie nicht hintanstellen. In den Liedern heißt es:


›Im Osten steht der Morgenstern.

Da gibt der Hahn dreifachen Laut,

zu wecken alle Tiere rings.

Und alle Tiere regen sich.

Und Vögel, die bewegen sich.

Die Bauern gehn zur Arbeit hin.

Die Pflanzen all gedeihn und blühn.‹


Wenn die Erde sich öffnet und das Wasser wieder fließt, dann macht sich der Himmelssohn im Festgewand auf, um der Sonne in der östlichen Halle zu huldigen, um Sorgfalt zu lehren und Ehrfurcht zu zeigen auf Erden. Darum dienen: das Opfer dazu, um die Götter klarzumachen, die gemeinsamen Mahlzeiten, um die Liebe zueinander klarzumachen, die Angelegenheiten im Ahnentempel, um die Gerechtigkeit[105] klarzumachen, die Aufrechterhaltung der Sitte bei Hof, um den Pflichtenkreis der fünf Beamten klarzumachen, die Aufrechterhaltung der militärischen Ordnungen, um die Entschlossenheit zur Durchführung des Gehorsams klarzumachen. Wenn der Himmelssohn stirbt, nennt man es: Zusammensturz (Bong); wenn ein Landesfürst stirbt, nennt man es: Entrauschen (Hung); wenn ein Großwürdenträger stirbt, nennt man es: Enden (Dsu); wenn ein Staatsmann stirbt, sagt man: Er bezieht kein Gehalt mehr (Bu Lu); und wenn ein Mann aus dem Volk stirbt, sagt man: Er ist tot (Sï). Das geschieht, um die Trauer klarzumachen.

Wenn Trauer und Liebe ihren gemäßen Ausdruck nicht verlieren, so ist der Vater liebevoll und der Sohn ehrfurchtsvoll, der ältere Bruder hat seinen Bruder gern, und der jüngere ist belehrbar. Das ist es, was die alten Könige zuerst unter dem Volk wirkten. Wenn ein Fürst das hintansetzen wollte, so würden Staat und Familie ihre Wurzeln verlieren.«

Der Herzog sprach: »Das ist wahrlich gut! Wollet mich noch ausführlicher belehren, Meister!«

Der Meister sprach: »Das, was Ew. Hoheit vorhin gesagt haben, sind Regeln für die tüchtige Ordnung des Staats. Wenn Ew. Hoheit erst die kleinen Maßnahmen beachten und in zweiter Linie das, was Ew. Hoheit erwähnt haben, mit Tüchtigkeit und Vollständigkeit durchführen, so kann man das Altertum erkennen und die Gegenwart erkunden und einen Wechsel vornehmen zu einem Anfang einer neuen Blüte des Volkes.«

Der Herzog sprach: »Das waren nicht meine eigenen Gedanken; ich hatte es auch alles vom Meister gehört.«

Der Meister machte eine abwehrende Gebärde und sprach: »Oh, Ew. Hoheit führe den rechten Weg durch.«

Der Herzog sprach: »Den rechten Weg?«

Der Meister sprach: »Ja, den rechten Weg.«

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 105-106.
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