13. Tabu und Orakel

[315] Wenn die Beweinung eines Toten zu Ende ist, so vermeidet man von da an die Nennung seines persönlichen Namens. Wenn man in ein Land kommt, erkundigt man sich zuerst nach seinen Verboten; wenn man in eine Stadt kommt, so erkundigt man sich nach ihren Gewohnheiten; wenn man in[315] ein Haus kommt, so erkundigt man sich nach den Ausdrücken, die dort vermieden werden (nämlich die Namen der verstorbenen Eltern, die tabu sind).

Für äußere Unternehmungen wählt man starke Tage; für innere Unternehmungen wählt man weiche Tage3.

Wenn man das Schildkröten- oder Schafgarbenorakel nach einem Tag fragt, der außerhalb der fünf nächsten Tage liegt, so redet man von dem und dem fernen Tage; liegt der Tag innerhalb des laufenden Fünftagezyklus, so redet man von dem und dem nahen Tag. Bei Beerdigungen fragt man das Orakel erst über ferne Tage, bei frohen Feiern fragt man zuerst über nahe Tage. Man spricht:


»Wegen des Tages nahen wir dir, erhabne Schildkröte,

die du ewiges Wissen hast.«


Oder:


»Wegen des Tages nahen wir dir, erhabne Artemisia,

die du ewiges Wissen hast.«


Das Orakel soll man in einer Sache nicht mehr als dreimal fragen. Man soll Schildkröten- und Schafgarbenorakel nicht einander widerlegen lassen. Das Schildkrötenorakel nennt man Linienorakel (Bu, nach den Rissen, die durch das Erhitzen der Schalen entstehen), das Schafgarbenorakel nennt man Pflanzenzauber (Schï; das Zeichen wird geschrieben als »Magierin unter Bambus«). Durch diese beiden Orakel machten die heiligen Könige, daß das Volk sich auf Zeiten und Tage verlassen konnte, daß es die Geister und Götter ehrte, die Gesetze und Befehle scheute; auf diese Weise konnte das Volk seine Zweifel und Bedenken entscheiden und sein Zögern überwinden. So heißt es: Wenn du Zweifel hast und du fragst das Orakel, so wirst du sicher keinen Fehler machen. Wenn du am richtigen Tage deine Unternehmungen ausführst, so verfolge sie unentwegt.

3

Starke Tage sind die ungeraden Tage des Zehnerzyklus, weiche sind die geraden.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 315-316.
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