Nacherinnerung

[287] Der Verfasser warf das erste Bändchen auf gutes Glück ins Publicum, und es schien ihm in der Fluth der neuen Schriften über den gleichen Gegenstand untergegangen. Er legte die Materialien, die er für die im zweiten enthaltenen Capitel bestimmt hatte, unter mancherlei Zerstreuungen und Verhinderungen zusammen; mehr um Einem Manne Wort zu halten, als dass er geglaubt hätte, das Publicum werde noch diese Schrift seiner Aufmerksamkeit würdigen. – Ein edler Mann, den ich nicht kenne, dem ich gleichfalls bezeuge, dass derselbe mich nicht kennt, mich auf keine Art errathen kann, noch, wenn ers könnte, das entfernteste Interesse haben würde, eine Schrift von mir über ihren inneren Werth zu erheben, hat, nachdem keines der übrigen Journale, so viel mir bekannt ist, sie eines Winkes gewürdigt, in der Schleswigschen Monatsschrift, von deren Mitarbeitern ich keinen kenne, mit keinem in Briefwechsel stehe, diese fast vergessene Schrift mit einer Wärme empfohlen, die seinem Herzen die höchste Ehre macht – ob auch seiner Beurtheilungskraft, darüber hat wenigstens ihr Verfasser keine Stimme. Dies munterte mich auf, mich des günstigen Urtheiles dieses würdigen Mannes, besonders in dem, was er über meine Schreibart sagt, noch werther zu machen, und die zwei noch übrigen wichtigen Capitel für eine sorgfältigere Bearbeitung auf ein drittes Bändchen aufzusparen. Doch hofft der Verfasser, dass es nicht an ihm liegen werde, wenn dasselbe nicht binnen drei bis vier Monaten die Presse verlässt.[287]

Manche Klagen über die Dunkelheit des ersten Bändchens sind ihm zu Ohren gekommen. Das Publicum ist es schon zu gewohnt, dass die Schriftsteller immer Recht haben, und dass seine Klage über die Dunkelheit ihrer Schriften durch die Klage Über die Flüchtigkeit und Zerstreuung der Leser erwiedert wird, als dass der Verfasser der gegenwärtigen – Lust haben könnte, das so oft wiederholte noch einmal zu wiederholen. Er lässt es gänzlich auf sich beruhen, inwiefern die Schuld davon auch mit an ihm liegen könne. Er will den Leser nicht zur Vergleichung seiner Schrift mit anderen Schriften auffordern, die über die gleichen Gegenstände aus den gleichen Grundsätzen geschrieben sind; er will ihn nicht erinnern, dass philosophische Untersuchungen, in denen man der Gründlichkeit sich wenigstens befleissiget, sich unmöglich so leicht weglesen können, als ein modischer Roman, Reisebeschreibungen oder selbst philosophische Untersuchungen, die auf das angewohnte Meinungssystem aufgebaut sind; er will ihm sogar gegen die ersparte Mühe, ein dickes Buch zu lesen, nicht die Mühe zumuthen, ein dünnes etlichemal zu lesen; er will weiter nichts sagen, als dass er sorgen werde, immer fasslicher zu schreiben, und dass der Leser sorgen möge, immer aufmerksamer zu lesen.[288]


Quelle:
Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 6, Berlin 1845/1846.
Lizenz:
Kategorien: