Erstes Capitel.
Nähere Bestimmung der Aufgabe dieses Buches.

[475] Wir kennen das Ziel, auf welches in Absicht des Handelsverkehrs die Staaten hinzustreben haben; wir kennen den Punct, in welchem sie in derselben Rücksicht gegenwärtig stehen: es kann nicht schwierig seyn, die Bahn zu finden, und anzugeben, auf welcher sie aus dem letzteren zum ersteren fortzugehen haben.

Es ist für unsere Untersuchung ganz gleichgültig, ob in dem gegebenen Staate Handel und Gewerbe durchaus frei seyen, und unter gar keinen Einschränkungen stehen, oder ob der Staat durch Waarenverbote und andere Beschränkungen des Handels mit dem Auslande unvollkommene Versuche gemacht[475] habe, sich zu schliessen. Diese Versuche liegen überhaupt nicht auf dem Wege, um aus der Handelsanarchie zur vernunftmässigen Einrichtung des Handels zu gelangen; und es bleibt in allen Systemen dieser Art die erste falsche Voraussetzung, welche wir tiefer unten bestimmt angeben werden, unangetastet stehen. Jene unvollkommenen Beschränkungen könnten höchstens den Vortheil gewähren, dass sie den Bürger, der mitten im Schoosse der Regelmässigkeit und der Gesetze seine natürliche Handelsfreiheit beizubehalten begehrt, an Beschränkung überhaupt gewöhnten, wenn es bei den von uns anzugebenden Maassregeln einer solchen Angewöhnung und Vorbereitung der Gemüther bedürfte. Mit Einem Worte: was wir sagen werden, gilt ebensowohl für einen Staat, der bisher keine Handelsbeschränkungen gekannt hat, als für einen solchen, der sie gekannt hat, und ist in dem einen ebensowohl ausführbar, als in dem anderen.

Der eigentliche Punct des Ueberganges von allen gegenwärtigen politischen Systemen über Handel und Gewerbe, welche, so sehr sie in Nebendingen von einander abgehen mögen, dennoch in der Hauptsache übereinstimmen, und für Eines und ebendasselbe System zu nehmen sind, zu dem, unserer Meinung nach, einzig wahren, und durch die Vernunft geforderten System, ist der: dass der Staat vor allem Handel des Auslandes sich gänzlich verschliesse, und von nun an ebenso einen abgesonderten Handelskörper bilde, wie er bisher schon einen abgesonderten juridischen und politischen Körper gebildet hat. Ist nur erst diese Schliessung zu Stande gebracht, so ergiebt alles übrige sich gar leicht: und die von nun an zu befolgenden Maassregeln liegen nicht mehr auf dem Gebiete der Politik, sondern auf dem der reinen Rechtslehre, und sind von uns schon im ersten Buche aufgestellt. Nur die Lehre von der Schliessung des Handelsstaates ist in dieser Materie Gegenstand der Politik; und nur diese Lehre haben wir im gegenwärtigen Buche vorzutragen.

Es wäre möglich, dass die einzelnen Bürger sowohl, als der ganze Staat durch den Umstand, dass sie nicht, wie die Idee eines Vernunftstaates voraussetzt, ohne vorherige Verhältnisse[476] waren, sondern die ersteren aus einer grossen Handelsrepublik, als freie Mitglieder derselben, der letztere aus einem grossen Ganzen, als durch das Ohngefähr abgerissener Theil hervorgehen, besondere Rechtsansprüche erhielten, welche die Bürger des Vernunftstaates, und dieser Staat selbst nicht hätten; und welche, vor der gänzlichen Schliessung des Staates Und der vollkommenen Trennung desselben von der übrigen bewohnten Welt, vorher gesichert werden müssten. Es ist nöthig, vor allen Dingen zu untersuchen, ob es dergleichen aus dem bisherigen Zustande entspringende Rechtsansprüche giebt, und welches dieselben sind; und wir gehen ohne weiteres an dieses Geschäft.

Quelle:
Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 3, Berlin 1845/1846, S. 475-477.
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