§ 6.

[13] Dieselbe Frage, die soeben über die Denkmöglichkeit des Absoluten erhoben wurde, lässt ohne Zweifel, wenn nemlich sich finden sollte, dass alles unser wirkliches und mögliches Wissen durchaus nie das absolute, sondern nur ein relatives, 80 oder anders bestimmtes und beschränktes Wissen sey, über die Denkmöglichkeit des absoluten Wissens sich aufwerfen; und sie dürfte ohngefähr auf dieselbe Weise beantwortet werden, dass das absolute Wissen nur als Form, oder in einer anderen Weise der Ansicht, nur als Materie oder Object des wirklichen Wissens zum Bewusstseyn komme oder kommen könne.

Daher müssen auch wir insbesondere, die wir hier das absolute Wissen zu beschreiben gedenken, sonach von demselben zu wissen ohne Zweifel vermeinen, die Frage, wie wir zu diesem unserem wirklichen Wissen von dem absoluten Wissen gekommen, vor der Hand unbeantwortet lassen. Vielleicht erblicken auch wir dasselbe, obgleich als absolutes, dennoch nur in einer Relation, nemlich in der mit allem relativen Wissen. Wir müssen in der zu liefernden Beschreibung uns lediglich[13] an die unmittelbare Anschauung des Lesers halten, und ihn fragen, ob das, was er dieser Beschreibung zufolge in sich erblicken wird, sich ihm wohl mit dem Bewusstseyn, dass es das absolute Wissen sey, aufdringe: oder, falls selbst diese Anschauung ihn verliesse, müssen wir abwarten, ob in der Entwickelung der später folgenden Sätze zugleich über diesen ersten Punct ihm ein Licht aufgehen werde.

Quelle:
Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 2, Berlin 1845/1846, S. 13-14.
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