§ 27.

[64] 1) Das schlechthin an sich selbstgebundene Denken in A lässt sich ansehen als innerlich und ursprünglich (nicht factisch, – welches ja durch sein Wesen geläugnet wird,) an sich gebundenes und nicht aus sich herauskönnendes. Und zwar wäre dies sein Charakter in Bezug auf ein mögliches Bewusstseyn, dessen Ursprung und Grundlage eben dies schlechthin an sich Gebundenseyn und zugleich das Bewusstseyn dieser Gebundenheit ist: wir haben es deshalb Gefühl genannt (Vgl. § 26, 1.); – Gefühl eben von dieser Absolutheit, Unveränderlichkeit u. dgl.; woraus sich freilich für sich noch Nichts machen lässt, und das nur zum Anknüpfen dienen soll. Uebrigens wäre dies eine realistische Ansicht, wenn es überhaupt eine Ansicht wäre und seyn könnte.

2) Dies A jedoch wird, der Form nach durchaus unabhängig davon, in B gewusst (vgl. § 26, 2.), – wie ein absoluter Ursprung angeschaut, woran sich eben schlechthin nothwendig in demselben Wissen – kraft seines Wesens, weil es ausserdem kein Wissen, kein Ursprung-Schauen, wäre – ein Nicht-Seyn des Wissens knüpft. Hier scheint A aus B entsprungen, und die Ansicht ist idealistisch.[64]

3) Nun kommt es uns hierbei darauf an, dass dieses Wissen innerlich und für sich, und zwar unmittelbar (der Form nach) sey absolut; oder, welches dasselbe heisst, dass der angeschaute Ursprung sey der absolute, oder dass das Nicht-Seyn des Wissens sey das absolute (welche Ausdrücke insgesammt dasselbe bedeuten, und Einer immer aus dem anderen folgen). Es ist dies, heisst: es ist so, ohne alles Zuthun und unabhängig von der Freiheit, sonach in einem Gefühle der Gebundenheit; – wodurch das unter No. 1. beschriebene Gefühl der Absolutheit in das Wissen selbst einträte, und mit ihm eben das absolute A, als reales, von der Freiheit selbst unabhängiges, ausmachte, wodurch die realistische und die idealistische Ansicht durchaus vereinigt wäre; ein Seyn dastände, das schlechthin in der Freiheit vorkommt, eine Freiheit wäre, die schlechthin aus dem Seyn entspringt (es ist die moralische Freiheit: Erschaffung, die sich eben als absolute Erschaffung unmittelbar aus Nichts erfasst), beides also – und mit ihm das Wissen und das Seyn, – vereinigt wäre.

Zur Erklärung: – a. Im wirklichen Wissen ist es das, irgend ein bestimmtes Wissen begleitende Gefühl der Gewissheit, als Princip der Möglichkeit alles Wissens. (Man lese darüber meine Sittenlehre nach.) Offenbar ist dies schlechthin unmittelbar; denn wie wollte ich je schliessen im mittelbaren Wissen, dass Etwas gewiss sey, ohne eine Prämisse vorauszusetzen, die schlechthin gewiss ist? (Wo soll sonst das Folgern anheben, oder soll absolute Unvernunft vor allem Verstande seyn?) ist nun dieses Gefühl seinem Inhalte nach? Offenbar Bewusstseyn einer Unveränderlichkeit (eines absoluten an sich Gebundenseyns) des Wissens, von der man wohl das Dass weiss, in Absicht eines Warum und Weil aber sich in das absolute Nichtseyn des Wissens (= dem absoluten Seyn – hier So-Seyn) verliert.

In der Gewissheit sonach (dem Fürsich der Absolutheit des Wissens) fällt ideales und reales, absolute Freiheit und absolutes Seyn, oder Nothwendigkeit, schlechthin zusammen.

b. Das Fürsichseyn des absoluten Ursprungs ist absolute Anschauung, Lichtquelle, oder absolut Subjectives; das daran sich nothwendig anschliessende Nichtseyn des Wissens und[65] absolute Seyn ist absolutes Denken, – Quelle des Seyns im Lichte, also, da es im Wissen doch ist, das absolut Objective. Beide fallen zusammen im unmittelbaren Fürsich der Absolutheit. Dieses also ist das letzte Band zwischen Subject und Object, und die ganze hingestellte Synthesis ist die Construction des reinen, absoluten Ich. Dieses Band ist sichtbar die Quelle alles Wissens, d.h. aller Gewissheit, – woher es denn kommt, dass in dem bestimmten Falle dieser Gewissheit oder Wahrheit das Subjective mit dem Objectiven, »die Vorstellung mit dem Dinge,« schlechthin übereinstimmt. Es ist dies nur eine Modification der nachgewiesenen Grundform alles Wissens. (Es ist daher – diese kritische Bemerkung ist nur für diejenigen bestimmt, welche vom Betreffenden ohnehin wissen und so weit in der Wissenschaft sind, um dadurch in die Irre geführt werden zu können, für die Anderen wird eine solche Differenz höherer Denker zur müssigen Anekdote, – es ist daher sehr verfehlt, das Absolute als Indifferenz des Subjectiven und Objectiven zu beschreiben, und es liegt dieser Beschreibung die alte Erbsünde des Dogmatismus zu Grunde, dass das absolut Objective in das Subjective eintreten soll. Diese hoffe ich nun im Vorhergehenden in ihrer Wurzel ausgerottet zu haben. Wären Subjectives und Objectives ursprünglich indifferent, wie in aller Welt sollen sie je different werden, so dass nun einer hintreten und sagen könnte, sie, diese beiden, von denen, als Differenten, er ausgeht, seyen im Grunde indifferent? Ob denn die Absolutheit sich selbst vernichtet, um zur Relation zu werden? Dann müsste sie ja eben absolut Nichts werden, wie sie es denn in dieser Gestalt allerdings wäre, wie sie in der That der Widerspruch ist, den wir oben, nur in einem anderen Zusammenhange, aufstellten; so dass vielmehr dieses System, statt absolutes Identitätssystem, absolutes Nullitätssystem heissen sollte. Im Gegentheile sind beide absolut different, und in ihrem Auseinanderhalten eben, vermittelst ihrer Vereinigung in der Absolutheit, besteht das Wissen. Fallen sie zusammen, so ist das Wissen vernichtet und mit ihm sie selbst; – es ist dann überhaupt eitel Nichts.)[66]

4) Der Ursprung ist für sich ein absoluter, aus dem und über welchen nicht hinausgegangen werden kann, – sagten wir. Er also würde in diesem Fürsich unveränderlich seyn, doch ist er ihm vorausgesetzt. Aber er ist nicht in ihm, ausser inwiefern er mit absolut formaler Freiheit (wie wir sie kennen, die da seyn kann oder nicht) vollzogen wird; er wird nicht angeschaut, er mache sich denn; er macht sich nicht, ohne eben angeschaut zu werden: – welcher Unterschied des Subjects und Objects hier jedoch der Strenge nach zu einer Einheit des Subjects vernichtet werden muss – eben zu einer Innerlichkeit des Ursprunges; – und er ist nicht angeschaut, ausser inwiefern diese Freiheit als solche eben selbst für sich ist, als in sich entspringend (sich vollziehend) angeschaut wird.

Reflectire ich auf Letzteres, so erscheint das Wissen seinem Seyn überhaupt nach als zufällig, seinem Inhalte nach aber, welcher eben nichts Anderes ist, als dass das Wissen absolut sey, als nothwendig. Hieraus ergiebt sich der doppelte Satz: Dass überhaupt ein Wissen sey, ist zufällig; dass es aber, wenn es ist, so sey, nemlich ein auf sich selbst ruhendes Wissen – Fürsichseyn des Ursprunges und eben darum Nicht-Seyn (d.h. Anschauung und Denken in Einem Schlage), ist schlechthin nothwendig.

ist nun jenes Seyn des Wissens (innerlichst; nicht nach den äusseren Merkmalen, die wir aber schon zur Genüge kennen lernten), und was ist im Gegentheil dieses Soseyn (Bestimmung) des Wissens? Das Erste, wie alles Seyn, eine Gebundenheit des Denkens, aber des freien; das Letztere – eine Gebundenheit des nichtfreien, sondern absolut in seinem eigenen Ursprunge schon gebundenen Denkens. Also das freie Denken ist nur das formale, Lichtentzündende, nicht das Erzeugende des Materialen, des Soseyns; dies ist jenem vorauszusetzen.

Nun ist aber Beides durchaus dasselbe: der Unterschied ist nur, dass in dem letzteren auf die Freiheit reflectirt, und Alles von ihr aus und aus ihrem Standpuncte angesehen wird; in dem ersteren darauf nicht reflectirt wird, noch reflectirt werden kann: daher hier das Wissen sich von sich selbst[67] trennt, indem es im höheren sich nicht voraussetzt, sondern sich erzeugt, im niederen sich für sich selber voraussetzt.

Wir stehen bei einem sehr wichtigen Puncte. Der Grundsatz aller Reflexion, die ja eine Disjunction und ein Gegensatz ist, hat sich ergeben: Alles Wissen setzt ebenso, wie sein Nichtseyn, – und aus demselben Grunde, – sein eigenes Seyn voraus. Die Reflexion nemlich, als im Standpuncte der Freiheit, in welchem sie ja eben steht, ist ein Fürsichseyn des Ursprunges als Entspringens; und so ist dieser Satz von dem früheren verschieden. Aber das Entspringen, als solches, setzt ein Nichtentspringen, also Seyn, und wenn vom Entspringen des Wissens die Rede ist, wie es ja seyn muss, da nur das Wissen entspringt (Wissen = Entspringen), – ein Seyn des Wissens; – und wenn von einem Gebundenseyn an das Entspringen die Rede ist, wie hier sich gezeigt hat, ein gleichfalls gebundenes Seyn oder So Seyn voraus: und dieses eben ist das Object der Reflexion. Das Wissen kann sich nicht erzeugen, ohne sich schon zu haben; und es kann sich nicht für sich und als Wissen haben, ohne sich zu erzeugen. Sein eigenes Seyn und seine Freiheit sind unzertrennlich.

Sichtbar ruht daher die Reflexion auf einem Seyn: ist formaliter ein freies, in Bezug auf das Material, ein gebundenes Denken, und das Resultat ist dies: Wenn die formale Freiheit, die an sich freilich immer bleibt, ebenso gut aber auch nicht seyn, sich nicht vollziehen kann, stattfindet; so ist sie schlechthin und durchaus bestimmt durch das absolute Seyn und ist in dieser Verbindung materiale Freiheit. – Hiermit ist denn die Synthesis vollendet, und wir können uns nun frei in ihr bewegen und sie nach allen Richtungen beschreiben.

Quelle:
Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 2, Berlin 1845/1846, S. 64-68.
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