Alsobald ein Mensch geboren,
Wächst mit ihm der Dolch im Munde,
Wo er selber sich da schneidet,
Übt er böse Zunge bübisch.
658
Wer den Tadelhaften lobrühmt
Und den Ruhmeswerten tadelt
Sammelt an im Munde Mißgunst,
Mißgunst läßt ihn Wohlsein missen.
Leichte Mißgunst mag es gelten,
So beim Würfelspiel man fehlwirft,
Hat man alles auch und gar sich selbst verspielt;
Schwerer wiegt noch andre Mißgunst,
Bei Willkommnen so man Haß fühlt.
Auf hunderttausend tausend Jahrmillionen
Und achtzehntausend tausendmal um tausend
Geht höllisch ein wer Edle mochte schelten,
In Worten, in Gedanken wer Verruchtes wünscht.
[153] 661
Wer Falsches sagt bereitet sich den Abweg,
Und wer getan als ungetan verleugnet;
Selbander sind im Tode gleich sie worden:
Verworfner Werke ausgeborne Menschen.
662
Den Menschen hassen, der von keinem Hasse weiß,
Den Mann, der lauter worden, ohne Makel:
Der Tor, der Das tut, Übel tut er sich nur an,
Als ob er Staub dem Sturme würf' entgegen.
Begierden wer sich zugeneigt,
Auf andre schilt er, tadelt andre gern,
Hat Mißtraun, Habsucht hegt er, scheele Furcht,
Aus Eigennutz am Nächsten zu Verrat bereit:
Verführer, Falscher so, gemeiner Mann,
Kernhauer, Böser, Übelschaffer du,
Der Menschheit Auswurf, Miß- und Fehlgeburt –
Kein Wort mehr weiter: bist ein Sohn der Wirrsal.
665
Nur Unrat schichtest an zum Unheil dir,
Der Fromme schmähn du magst, ein Frevler selber:
Und bist du viel gewandelt übeln Wandel durch,
Wirst untersinken jäh hinab in lange Nacht.
Denn keinem kann verloren gehn sein Werk:
Man folgt ihm ja, trifft andre Habe nicht:
Wer lässig war muß leiden dort,
An sich erfahren frevelhafte Tat.
[154] 667
Erzstacheln starren rings am Orte dort,
Auf scharf gewetzter Messerschneide geht man um;
Und flüssig Erz, in Kugelform geballt,
Als Atzung wird es dargeboten dann.
Und gräßlich hört man kreischen Wehgeschrei,
Doch keiner kommt zu retten, keiner findet Schutz:
Auf Glutenlager hingestreckt,
Wie Feuerlohe flackert es von ihnen auf.
Verstrickt in Netzwerk wieder da,
Durch Hammerschläge hingeschlachtet sterben sie
Und stürzen blind in Finsternis,
Ringsum gespreitet wie der Erde Rücken weit.
670
In Kessel wieder dann von Erz gebannt,
Wie Feuerlohe flackert es von ihnen auf;
Man läßt sie kochen so geraume Frist,
Im Siedegischt empor sich wälzen immer neu.
Im Eiterbrande, blutvermischt,
Wie büßt der Frevler wieder Taten dann?
Wohin auch immer er sich legt,
Da ist er siech verseucht an jedem Gliede.
Wo Madenwürmer wimmeln meeresgleich,
Wie büßt der Frevler wieder Taten dann?
Entkommen, ach, ans Ufer kann er nicht,
Und immer schimmern überall nur Schädel.
In Wälder dann mit Blättern messerscharf
Geraten sie, zerschlitzen sich den Leib;
Ein Angel trifft die Zunge bald
Und reißt und reißt sie weiter bis zur Todesqual.
[155] 674
Dann rafft der Hölle Flut unhemmbar hin,
Die heftig herschießt und wie Lauge ätzt:
Verschlungen ist wer lässig war,
Als Übeltäter Übel hat getan.
Zerhackt an anderm Orte jammervoll
Von Adlern, bunter Geier Schwarme schwinden sie,
Und Hund und Schakal geifern um den Fraß,
Und Rabe zerrt und Krähe Fetzen fort.
676
Erbärmlich ist ja sicher solche Bahn,
Wo hier man Frevel übend hingelangt:
Und weil der Mensch im Leben weilt,
Sein Werk, er mag es wirken unermüdlich aus.
Nach Scheffeln Sesam rechnet recht man aus die Zeit,
Im Höllengrunde zugebrachter Jahre Zahl:
Millionenmal um sich gedrehte Halbmillion,
Und zehn Myriaden zwölfmyriadenmal dazu.
So viel der Leiden hier die Höllen bergen,
So viel denn wird an Zeiten auch erfunden;
Und also mag bei reiner, feiner, rechter Zucht
Erzogen Rede sein, Gedanke, Tat.
Buchempfehlung
Die ältesten Texte der indischen Literatur aus dem zweiten bis siebten vorchristlichen Jahrhundert erregten großes Aufsehen als sie 1879 von Paul Deussen ins Deutsche übersetzt erschienen.
158 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro