Achtes Bruchstück

Die Fragen des Jüngers Nando

[248] Nando:


1077

»Es gibt wohl Denker in der Welt«:

So hört man reden, wie doch mag es recht sein:

Erreift in Weistum ob man Denker heiße,

Bewährt im Leben oder weil man tauge?


Der Herr:


1078

Nicht Ansicht ist es, ist nicht Kunde, Weistum,

Warum den Denker preisen hier die Kenner:

Wer ungemeinsam ohne Weh' und Wunsch bleibt,

Als Pilger zieht, ihn mag ich Denker heißen.


Nando:


1079

Wo Priester je gewesen, wo Asketen,

Da pries man Kunde, Ansicht an als Reinheit,

Es galt auch Tugendwerk um rein zu werden,

Auf manche Weise hörte »rein« man rühmen;

Wohl war von diesen, wie auch hin sie gingen,

Geburt und Alter überwunden da, o Herr:

O löse mir, Erhabner, diese Frage.


[249] Der Herr:


1080

Wo Priester je gewesen, wo Asketen,

Da pries man Kunde, Ansicht an als Reinheit,

Es galt auch Tugendwerk um rein zu werden,

Auf manche Weise hörte »rein« man rühmen:

Doch wie auch immer diese hin da gingen,

Geburt und Alter konnte lassen keiner.


Nando:


1081

Wo Priester je gewesen, wo Asketen,

Da pries man Kunde, Ansicht an als Reinheit,

Es galt auch Tugendwerk um rein zu werden,

Auf manche Weise hörte »rein« man rühmen:

Sind diese, sagst du, Denker, nicht entronnen,

Wer kann denn wohl auf Erden, in der Himmelwelt

Geburt und Alter lassen hinter sich, o Herr?

O löse mir, Erhabner, diese Frage.


Der Herr:


1082

Nicht alle Priester, sag' ich, und Asketen,

Sind eingesunken in Geburt und Alter:

Ist ihnen was hier sichtbar, hörbar, denkbar,

Was tugendhaft auch sei vergangen gänzlich,

Das Mancherlei zunichte worden also,

Sind wahnlos durch das Dürsten sie gedrungen,

Den Fluten, sag' ich, sind entronnen diese.


[250] Nando:


1083

Gar hoch willkommen heiß' ich, Herr, dein Meisterwort,

Anhaften wie es, Gotamo, so ganz vermahnt:

Ist ihnen was hier sichtbar, hörbar, denkbar,

Was tugendhaft auch sei vergangen gänzlich,

Das Mancherlei zunichte worden also,

Sind wahnlos durch das Dürsten sie gedrungen,

Entronnen sind sie, sag' auch ich, den Fluten.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 248-251.
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