Erstes Kapitel
Der Begriff

[273] Durch den Verstand pflegt das Vermögen der Begriffe überhaupt ausgedrückt zu werden; er wird insofern von der Urteilskraft und dem Vermögen der Schlüsse als der formellen Vernunft unterschieden. Vornehmlich aber wird er der Vernunft entgegengesetzt; insofern aber bedeutet er nicht das Vermögen-des Begriffs überhaupt, sondern der bestimmten Begriffe, wobei die Vorstellung herrscht, als ob der Begriff nur ein Bestimmtes sei. Wenn der Verstand in dieser Bedeutung von der formellen Urteilskraft und der formellen Vernunft unterschieden wird, so ist er als Vermögen des einzelnen bestimmten Begriffs zu nehmen. Denn das Urteil und der Schluß oder die Vernunft sind selbst, als Formales, nur ein Verständiges, indem sie unter der Form der abstrakten Begriffsbestimmtheit stehen. Der Begriff gilt aber hier überhaupt nicht als bloß abstrakt Bestimmtes; der Verstand ist daher von der Vernunft nur so zu unterscheiden, daß jener nur das Vermögen des Begriffes überhaupt sei. Dieser allgemeine Begriff, der nun hier zu betrachten ist, enthält die drei Momente: Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit. Der Unterschied und die Bestimmungen, die er sich in dem Unterscheiden gibt, machen die Seite aus, welche vorhin Gesetztsein genannt wurde. Da dieses in dem Begriffe identisch mit dem Anundfürsichsein ist, so ist jedes jener Momente sosehr ganzer Begriff als bestimmter Begriff und als eine Bestimmung des Begriffs.

Zuerst ist er reiner Begriff oder die Bestimmung der Allgemeinheit. Der reine oder allgemeine Begriff ist aber auch nur ein bestimmter oder besonderer Begriff, der sich auf die Seite neben die anderen stellt. Weil der Begriff die Totalität ist, also in seiner Allgemeinheit oder rein identischen Beziehung auf sich selbst wesentlich das Bestimmen und Unterscheiden ist, so hat er in ihm selbst den Maßstab, wodurch[273] diese Form seiner Identität mit sich, indem sie alle Momente durchdringt und in sich faßt, ebenso unmittelbar sich bestimmt, nur das Allgemeine gegen die Unterschiedenheit der Momente zu sein.

Zweitens ist der Begriff dadurch als dieser besondere oder als [der] bestimmte Begriff, welcher als gegen andere unterschieden gesetzt ist.

Drittens, die Einzelheit ist der aus dem Unterschiede in die absolute Negativität sich reflektierende Begriff. Dies ist zugleich das Moment, worin er aus seiner Identität in sein Anderssein übergetreten ist und zum Urteil wird.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 273-274.
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