§ 2. Der konstituierte oder synthetische Wert

[77] »Der (Tausch-) Wert ist der Eckstein des ökonomischen Gebäudes.« [I, S. 32.] Der »konstituierte« Wert ist der Eckstein des Systems der ökonomischen Widersprüche.

Was ist nun dieser »konstituierte Wert«, der die ganze Entdeckung des Herrn Proudhon in der politischen Ökonomie ausmacht?

Die Nützlichkeit einmal vorausgesetzt, ist die Arbeit die Quelle des Wertes. Das Maß der Arbeit ist die Zeit. Der relative Wert der Produkte wird bestimmt durch die Arbeitszeit, die zu ihrer Herstellung aufgewendet werden mußte. Der Preis ist der in Geld ausgedrückte relative Wert eines Produktes. Der konstituierte Wert endlich eines Produktes ist ganz einfach der Wert, der konstituiert wird durch die in demselben enthaltene Arbeitszeit.

Wie Adam Smith die Arbeitsteilung entdeckt hat, so behauptet Herr Proudhon, den »konstituierten Wert« entdeckt zu haben. Das ist nicht just »etwas Unerhörtes«; indes muß man zugeben, daß in keiner Entdeckung der ökonomischen Wissenschaft etwas Unerhörtes liegt. Immerhin sucht Herr Proudhon, der die ganze Bedeutung seiner Entdeckung ahnt, das Verdienst derselben abzuschwächen, »um den Leser über seine Ansprüche auf Originalität zu beruhigen und die Geister wieder auszusöhnen, deren Ängstlichkeit neuen Ideen wenig günstig ist«. Nach Maßgabe jedoch, wie er seinen Vorläufern den Anteil zumißt, den jeder von ihnen an der Feststellung des Wertes gehabt, kommt er gezwungenermaßen dahin, laut zu verkünden, daß ihm der größte, der Löwenanteil gebührt.

»Die synthetische Wertidee wurde von Adam Smith in unbestimmter Weise erfaßt... Aber diese Wertidee war bei Adam Smith ganz intuitiv: Die Gesellschaft jedoch ändert ihre Gewohnheiten nicht auf bloße Intuitionen hin, sie folgt erst der Autorität der Tatsache. Die Antinomie mußte auf eine eindrucksvollere und präzisere Art und Weise hervorgehoben werden: J.-B. Say war ihr hauptsächlicher Dolmetscher.« [I, S. 66.]

Da haben wir die Geschichte der Entdeckung des synthetischen Wertes[77] fix und fertig: Adam Smith gebührt die vage Intuition, J. – B. Say die Antinomie, Herrn Proudhon die konstituierende und »konstituierte« Wahrheit. Und man täusche sich nicht: Alle andern Ökonomen, von Say bis Proudhon, haben sich im Geleise der Antinomie bewegt.

»Es ist unglaublich, daß so viele verständige Menschen sich seit vierzig Jahren gegen eine so einfache Idee abquälen. Aber nein, die Vergleichung der Werte wird vollzogen, ohne daß es zwischen ihnen irgendeinen Vergleichspunkt gäbe und ohne Maßeinheit: – das haben die Ökonomen des 19. Jahrhunderts, anstatt die revolutionäre Theorie der Gleichheit zu erfassen, gegen alle und jeden zu behaupten sich entschlossen. Was wird die Nachwelt dazu sagen?« (Bd. I, S. 68.)

Die auf so brüske Art angerufene Nachwelt wird zunächst über die Chronologie in Zweifel geraten. Sie muß sich notwendig fragen: Sind denn Ricardo und seine Schule keine Ökonomen des 19. Jahrhunderts? Das System Ricardos, der als Prinzip aufstellte, »daß der relative Wert der Waren ausschließlich auf der zu ihrer Herstellung erforderten Arbeit beruht«, datiert vom Jahre 1817. Ricardo ist das Haupt einer ganzen Schule, die seit der Restauration in England herrscht. Die Ricardosche Lehre repräsentiert schroff, unbarmherzig die ganze englische Bourgeoisie, die selbst wiederum der Typus der modernen Bourgeoisie überhaupt ist. »Was die Nachwelt dazu sagen wird?« Sie wird nicht sagen, daß Herr Proudhon Ricardo nicht gekannt hat, denn er spricht von ihm, lang und breit, er kommt immer wieder auf ihn zurück und sagt schließlich, daß sein System »Kohl« ist. Wenn sich die Nachwelt jemals hineinmischt, so wird sie vielleicht sagen, daß Herr Proudhon, aus Furcht, die Anglophobie seiner Leser zu verletzen, es vorgezogen hat, sich zum verantwortlichen Herausgeber der Ideen Ricardos herzugeben. Wie dem jedoch sei, wird sie es sehr naiv finden, daß Herr Proudhon das als »revolutionäre Zukunftstheorie« hinstellt, was Ricardo wissenschaftlich nachgewiesen hat als die Theorie der gegenwärtigen, der bürgerlichen Gesellschaft, und daß er somit als Auflösung der Antinomie zwischen Gebrauchswert und Tauschwert das annimmt, was Ricardo und dessen Schule lange vor ihm als die wissenschaftliche Formel der einen Seite der Antinomie, des Tauschwertes, aufgestellt haben. Aber lassen wir ein für allemal die Nachwelt beiseite, und konfrontieren wir Herrn Proudhon mit seinem Vorgänger Ricardo. Folgende Stellen aus diesem Schriftsteller fassen seine Werttheorie zusammen:

»Nicht die Nützlichkeit ist das Maß des Tauschwertes, obwohl sie ein notwendiges Element desselben ist.« (S. 3, Bd. I, von »Principes de l'économie politique etc.«, traduit de l'anglais par F. – S. Constancio, Paris 1835.)

[78] »Die Dinge, sobald sie einmal als an sich nützlich anerkannt sind, ziehen ihren Tauschwert aus zwei Quellen: aus ihrer Seltenheit und der zu ihrer Gewinnung nötigen Arbeitsmenge. Es gibt Dinge, deren Wert nur von ihrer Seltenheit abhängt. Da keine Arbeit ihre Zahl vermehren kann, so kann ihr Wert nicht sinken auf Grund ihres größeren Überflusses. Hierhin gehören Bildsäulen, kostbare Gemälde etc. Dieser Wert hängt einzig von dem Vermögen, dem Geschmack und der Laune derer ab, die Lust verspüren, diese Gegenstände zu besitzen.« (Bd. I, S. 4 u. 5, a. a. O.) »Sie machen jedoch nur ein sehr geringes Quantum der Waren aus, die täglich ausgetauscht werden. Da die größte Anzahl der Gegenstände, die man zu besitzen wünscht, Erzeugnisse der Industrie sind, kann man sie, sobald man die zu ihrer Herstellung notwendige Arbeit aufwenden will, nicht nur in einem Lande, sondern in mehreren Ländern in fast unbegrenzter Menge vervielfältigen.« (Bd. I, S. 5, a. a. O.) »Wenn wir also von Waren, ihrem Tauschwert und den Prinzipien reden, nach denen sich ihr Preis regelt, so haben wir nur diejenigen Waren im Auge, deren Menge durch menschliche Arbeit beliebig vermehrt werden kann, deren Produktion durch die Konkurrenz gefördert wird und auf keine Hindernisse stößt.« (Bd. I, S. 5.)

Ricardo zitiert Adam Smith, der nach ihm »die erste Quelle des Tauschwertes mit großer Genauigkeit entwickelt hat« (Smith, I, Kap. 5 [S. 9]), und fügt hinzu:

»Daß dies (die Arbeitszeit nämlich) in Wahrheit die Grundlage des Tauschwertes aller Dinge ist, die ausgenommen, welche durch menschliche Arbeit nicht beliebig vermehrt werden können, ist ein höchst wichtiger Lehrsatz der politischen Ökonomie: Denn aus keiner Quelle sind soviel Irrtümer geflossen, soviel Meinungsverschiedenheiten in dieser Wissenschaft entsprungen wie aus der oberflächlichen und wenig präzisen Auslegung des Wortes Wert.« (Bd. I, S. 8.) »Wenn die in einen Gegenstand hineingelegte Arbeitsmenge es ist, die seinen Tauschwert bestimmt, so folgt daraus, daß jede Vermehrung der Arbeitsmenge notwendigerweise den Wert des Gegenstandes vermehren muß, auf den sie verwendet wurde, und daß ebenso jede Verminderung der Arbeit den Preis desselben vermindern muß.« (Bd. I, S. 9.)

Ricardo macht dann Adam Smith den Vorwurf:

1. Daß er »für den Wert einen anderen Maßstab als die Arbeit aufstellte, bald den Wert des Getreides, bald die Arbeitsmenge, welche eine Sache zu kaufen vermag etc.« (Bd. I, S. 9 u. 10.)

2. Daß er »das Prinzip ohne Vorbehalt einräume und doch seine Anwendung auf den ursprünglichen rohen Zustand der Gesellschaft beschränke, der der Anhäufung der Kapitalien und dem Privateigentum an Grund und Boden vorhergeht«. (Bd. I. S. 21.)[79]

Ricardo sucht den Nachweis zu liefern, daß das Grundeigentum, d.h. die (Boden-) Rente, den Wert der Lebensmittel nicht beeinflussen kann und daß die Akkumulation der Kapitalien nur einen zeitweiligen und oszillierenden Einfluß auf das Verhältnis der Werte ausübt, die bestimmt werden durch das Verhältnis der zu ihrer Herstellung aufgewendeten Arbeitsmenge. Um diesen Satz zu beweisen, entwickelt er seine berühmte Grundrententheorie, analysiert er das Kapital und gelangt in letzter Instanz dahin, in demselben nur aufgehäufte Arbeit zu finden. Alsdann entwickelt er eine ganze Theorie über das Verhältnis von Arbeitslohn und Profit und beweist, daß Lohn und Profit im umgekehrten Verhältnis zueinander steigen und fallen, ohne den Wert des Produktes zu beeinflussen. Er übersieht dabei nicht den Einfluß, den die Anhäufung der Kapitalien und ihre verschiedene Natur (fixes und flüssiges Kapital) sowie die Lohnhöhe auf den verhältnismäßigen Wert der Produkte ausüben können. Es sind das sogar die hauptsächlichsten Probleme, die Ricardo beschäftigen.

»Keine Ersparnis von Arbeit«, sagt er, »ermangelt je, den relativen Wert2 einer Ware sinken zu machen, sei es, daß diese Ersparnis die Arbeit, die zur Verfertigung des Gegenstandes selbst nötig ist, betrifft, sei es, daß sie sich auf die zur Bildung des bei dieser Verfertigung angewendeten Kapitals bezieht.« (Bd. I, S. 28.) »Solange daher ein Arbeitstag dem einen die gleiche Menge Fisch und dem andern ebensoviel Wildbret abwirft, wird die natürliche Höhe der bezüglichen Tauschpreise stets dieselbe bleiben, welche Veränderungen auch sonst in den Arbeitslöhnen und Profiten vorgehen mögen und unbeschadet aller Einwirkungen der Kapitalanhäufung.« (Bd. I, S. 32.) »Wir haben die Arbeit als die Grundlage des Wertes der Dinge betrachtet und die zu deren Herstellung notwendige Arbeitsmenge als den Maßstab, der die Menge der Waren bestimmt, die im Austausch für andere hingegeben werden müssen; aber wir haben nicht die Absicht zu leugnen, daß in dem jeweiligen Preis der Waren zufällige und vorübergehende Abweichungen von diesem ursprünglichen natürlichen Preise vorkommen.« (Bd. I, S. 105, a. a. O.) »Die Produktionskosten sind es, die in letzter Instanz den Preis der Dinge bestimmen, und nicht, wie man oft behauptet hat, das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage.« (Bd. II, S. 253.)[80]

Lord Lauderdale hatte die Veränderungen des Tauschwertes nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage oder von Seltenheit und Überfluß in Beziehung zur Nachfrage entwickelt. Nach ihm kann der Wert einer Sache steigen, wenn deren Menge abnimmt, aber die Nachfrage nach ihr wächst; er kann sinken, je nachdem ihre Menge zunimmt oder die Nachfrage nach ihr abnimmt. So kann der Wert eines Gegenstandes sich verändern durch die Einwirkung von acht verschiedenen Ursachen, nämlich der vier Ursachen, welche auf diesen selbst Bezug haben, und der vier Ursachen, welche sich auf das Geld oder jede andere Ware beziehen, die als Maß ihres Wertes dient. Ricardo widerlegt das folgendermaßen:

»Produkte, welche das Monopol eines einzelnen oder einer Gesellschaft sind, ändern ihren Wert nach dem Gesetz, welches Lord Lauderdale aufgestellt hat; sie sinken entsprechend dem Wachsen des Angebots und steigen mit dem Verlangen, welches die Käufer an den Tag legen, sie zu erwerben; ihr Preis steht in keinem notwendigen Verhältnis zu ihrem natürlichen Wert. Was aber die Dinge betrifft, die der Konkurrenz unter den Verkäufern unterliegen und deren Menge bis zu einem gewissen Grade vermehrt werden kann, so hängt ihr Preis endgiltig nicht von dem Stande der Nachfrage und Zufuhr, sondern von der Vermehrung oder Verminderung der Produktionskosten ab.« (Bd. II, S. 259.)

Wir überlassen es dem Leser, die so präzise, klare, einfache Sprache Ricardos mit den rhetorischen Anstrengungen zu vergleichen, die Herr Proudhon anstellt, um zur Festsetzung des Tauschwertes durch die Arbeitszeit zu gelangen.

Ricardo zeigt uns die wirkliche Bewegung der bürgerlichen Produktion, die den Wert konstituiert. Herr Proudhon abstrahiert von dieser wirklichen Bewegung und quält sich ab, um neue Prozesse zu erfinden und die Welt nach einer angeblich neuen Formel einzurichten, die nur der theoretische Ausdruck der von Ricardo so schön dargelegten wirklichen Bewegung ist. Ricardo nimmt seinen Ausgangspunkt aus der bestehenden Gesellschaft, um uns zu zeigen, wie sie den Wert konstituiert; Herr Proudhon nimmt als Ausgangspunkt den konstituierten Wert, um vermittelst dieses Wertes eine neue soziale Welt zu konstituieren. Für Herrn Proudhon muß der konstituierte Wert sich im Kreis bewegen und für eine bereits auf Grund dieses Wertmaßstabes völlig konstituierte Welt neuerdings konstituierend werden. Die Bestimmung des Wertes durch die Arbeitszeit ist für Ricardo das Gesetz des Tauschwertes; für Herrn Proudhon ist sie die Synthesis von Gebrauchswert und Tauschwert. Ricardos Theorie der Werte ist die wissenschaftliche Darlegung des gegenwärtigen ökonomischen Lebens; die Werttheorie des Herrn Proudhon ist die utopische Auslegung der Theorie Ricardos. Ricardo konstatiert[81] die Wahrheit seiner Formel, indem er sie aus allen wirtschaftlichen Vorgängen ableitet und auf diese Art alle Erscheinungen erklärt, selbst diejenigen, welche im ersten Augenblick ihr zu widersprechen scheinen, wie die Rente, die Akkumulation der Kapitalien und das Verhältnis der Löhne zu den Profiten. Gerade das ist es, was seine Lehre zu einem wissenschaftlichen System macht; Herr Proudhon, der diese Formel Ricardos mittelst rein willkürlicher Hypothesen neuerdings gefunden hat, ist demgemäß gezwungen, einzelne ökonomische Tatsachen zu suchen, die er martert und fälscht, um sie als Beispiele, als bereits bestehende Anwendungen, als Keime der Verwirklichung seiner neuschöpferischen Idee hinstellen zu können. (Siehe unten § 3, »Anwendung des konstituierten Wertes«.)

Gehen wir jetzt zu den Schlüssen über, welche Herr Proudhon aus seinem (durch die Arbeitszeit) konstituierten Wert zieht.

Eine gewisse Menge der Arbeit ist gleichwertig dem Produkt, welches durch diese Arbeitsmenge geschaffen worden.

Jeder Arbeitstag gilt soviel wie ein anderer Arbeitstag; d.h. bei gleicher Menge gilt die Arbeit des einen soviel wie die Arbeit des andern: Es gibt keinen qualitativen Unterschied. Bei gleicher Arbeitsmenge tauscht sich das Produkt des einen für das Produkt des andern. Alle Menschen sind Lohnarbeiter, und zwar für gleiche Arbeitszeit gleich bezahlt. Vollständige Gleichheit beherrscht den Tausch.

Sind diese Schlüsse die natürlichen und notwendigen Konsequenzen des »konstituierten«, d.h. des durch die Arbeitszeit bestimmten Wertes?

Wenn der Wert einer Ware bestimmt wird durch die zu ihrer Herstellung erforderliche Arbeitsmenge, so folgt daraus notwendigerweise, daß der Wert der Arbeit, d.h. der Arbeitslohn, gleichfalls durch die Arbeitsmenge bestimmt wird, die zu seiner Herstellung erforderlich ist. Der Lohn, d.h. der relative Wert oder der Preis der Arbeit, wird demnach bestimmt durch die Arbeitszeit, die erforderlich ist zur Erzeugung alles dessen, was der Arbeiter zu seinem Unterhalt bedarf.

»Vermindert die Herstellungskosten der Hüte, und ihr Preis wird schließlich auf ihren neuen natürlichen Preis herabgehen, mag auch die Nachfrage sich verdoppeln, verdreifachen oder vervierfachen. Vermindert die Unterhaltskosten der Menschen durch Ermäßigung des natürlichen Preises der zum Leben notwendigen Nahrung und Kleidung, und ihr werdet sehen, die die Löhne fallen, selbst wenn die Nachfrage nach Arbeitern erheblich steigen sollte.« (Ricardo, Bd. II, S. 253.)

Gewiß, die Sprache Ricardos ist so zynisch wie nur etwas. Die Fabrikationskosten von Hüten und die Unterhaltskosten des Menschen in ein und dieselbe Reihe stellen, heißt die Menschen in Hüte verwandeln. Aber man[82] schreie nicht zu sehr über den Zynismus. Der Zynismus liegt in der Sache und nicht in den Worten, welche die Sache bezeichnen. Französische Schriftsteller, wie die Herren Droz, Blanqui, Rossi und andere, machen sich das unschuldige Vergnügen, ihre Erhabenheit über die englischen Ökonomen dadurch zu dokumentieren, daß sie den Anstand einer »humanitären« Sprache zu beobachten suchen; wenn sie Ricardo und seiner Schule ihre zynische Sprache vorwerfen, so nur, weil es sie verletzt, die ökonomischen Beziehungen in ihrer ganzen Nacktheit aufgedeckt, die Mysterien der Bourgeoisie verraten zu sehen.

Fassen wir zusammen: Die Arbeit, wo sie selbst Ware ist, mißt sich als solche durch die Arbeitszeit, welche zur Herstellung der Ware Arbeit notwendig ist. Und was ist zur Herstellung der Ware Arbeit nötig? Genau die Arbeitszeit, die notwendig ist zur Herstellung der Gegenstände, die unerläßlich sind zum ununterbrochenen Unterhalt der Arbeit, d.h. um den Arbeiter in den Stand zu setzen, sein Leben zu fristen und seine Rasse fortzupflanzen. Der natürliche Preis der Arbeit ist nichts anderes als das Minimum des Lohnes.3 Wenn der Marktpreis des Lohnes sich über seinen natürlichen Preis erhebt, so kommt dies gerade daher, daß das von Herrn Proudhon als Prinzip aufgestellte Wertgesetz in dem Wechsel des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage sein Gegengewicht findet. Aber das Lohnminimum bleibt nichtsdestoweniger der Mittelpunkt, nach welchem der Marktpreis des Lohnes gravitiert.[83]

So ist der durch die Arbeitszeit gemessene Wert notwendigerweise die Formel der modernen Sklaverei der Arbeiter, anstatt, wie Herr Proudhon behauptet, die »revolutionäre Theorie« der Emanzipation des Proletariats zu sein.

Sehen wir nunmehr zu, in wie vielen Fällen die Arbeitszeit als Maßstab des Wertes unverträglich ist mit dem bestehenden Antagonismus der Klassen und der ungleichen Verteilung des Arbeitsertrages zwischen dem unmittelbaren Produzenten (dem Arbeiter) und dem Besitzer des Produktes.

Nehmen wir irgendein Produkt, z.B. die Leinwand, Als solches enthält dieselbe ein bestimmtes Quantum Arbeit. Dieses Arbeitsquantum wird stets das gleiche sein, wie immer die Lage derer sich zueinander gestalten möge, die zur Herstellung dieses Produktes mitgewirkt haben.

Nehmen wir ein anderes Produkt: Tuch, welches dasselbe Arbeitsquantum erfordert haben möge wie die Leinwand.

Wenn ein Austausch dieser beiden Produkte stattfindet, so findet Austausch gleicher Arbeitsmengen statt. Tauscht man diese gleichen Mengen von Arbeitszeit aus, so tauscht man keineswegs die gegenseitige Lage der Produzenten aus, noch ändert man irgend etwas an der Lage von Arbeitern und Fabrikanten unter sich. Behaupten, daß dieser Austausch von durch Arbeitszeit gemessenen Produkten zur Folge habe eine gleiche Bezahlung aller Produzenten, heißt voraussetzen, daß dem Tausch eine gleiche Beteiligung am Produkte vorausgegangen sei. Ist der Austausch des Tuches gegen Leinwand vollzogen, so werden die Produzenten des Tuches denjenigen Anteil an der Leinwand haben, der ihrem früheren Anteil am Tuche entspricht.

Herrn Proudhons Illusion kommt daher, daß er für Konsequenz nimmt, was höchstens als eine unbewiesene Voraussetzung gelten kann. Gehen wir weiter.

Setzt die Arbeitszeit als Maßstab des Wertes wenigstens voraus, daß die (Arbeits-) Tage gleichwertig sind, das heißt, daß der Arbeitstag des einen soviel wert ist wie der Arbeitstag des anderen? Nein.

Nehmen wir einmal an, der Arbeitstag eines Goldarbeiters sei drei Arbeitstagen eines Webers gleichwertig, so wird jeder Wechsel im Wertverhältnis der Schmuckwaren gegen Gewebe, soweit er nicht eine vorübergehende Folge der Schwankungen von Angebot und Nachfrage ist, zur Ursache haben eine Verminderung oder Vermehrung der zur Herstellung der einen oder der anderen Art Produkte angewendeten Arbeitszeit. Gesetzt, drei Arbeitstage verschiedener Arbeiter verhalten sich zueinander wie 1, 2, 3, so[84] wird jeder Wechsel im relativen Wert ihrer Produkte auch eine Änderung sein nach diesem selben Verhältnis von 1, 2, 3. Auf diese Art kann man den Wert durch die Arbeitszeit messen, trotz der Ungleichheit des Wertes der verschiedenen Arbeitstage; doch müssen wir, um ein solches Maß anwenden zu können, einen vergleichenden Maßstab für die verschiedenen Arbeitstage haben: Diesen Maßstab liefert die Konkurrenz.

Gilt deine Arbeitsstunde soviel wie die meinige? Diese Frage wird durch die Konkurrenz entschieden.

Die Konkurrenz bestimmt, nach einem amerikanischen Ökonomen, wieviel Tage einfacher (unqualifizierter) Arbeit in einem Tage zusammengesetzter (qualifizierter) Arbeit enthalten sind. Setzt diese Reduktion von Arbeitstagen zusammengesetzter Arbeit in Arbeitstage einfacher Arbeit nicht voraus, daß man die einfache Arbeit an sich als Wertmaß annimmt? Wird das Quantum der Arbeit an sich, ohne Rücksicht auf die Qualität, als Wertmesser genommen, so setzt dies voraus, daß die einfache Arbeit der Angelpunkt der Industrie geworden ist. Sie setzt voraus, daß die Arbeiten durch die Unterordnung des Menschen unter die Maschine oder die äußerste Arbeitsteilung gleichgemacht sind, daß die Menschen gegenüber der Arbeit verschwinden, daß das Pendel der Uhr der genaue Messer für das Verhältnis der Leistungen zweier Arbeiter geworden, wie er es für die Schnelligkeit zweier Lokomotiven ist. So muß es nicht mehr heißen, daß eine (Arbeits-) Stunde eines Menschen gleichkommt der Stunde eines andern Menschen, sondern daß vielmehr ein Mensch während einer Stunde soviel wert ist wie ein anderer Mensch während einer Stunde. Die Zeit ist alles, der Mensch ist nichts mehr, er ist höchstens noch die Verkörperung der Zeit. Es handelt sich nicht mehr um die Qualität. Die Quantität allein entscheidet alles: Stunde gegen Stunde, Tag gegen Tag; aber diese Gleichmachung der Arbeit ist keineswegs das Werk von Herrn Proudhons ewiger Gerechtigkeit. Sie ist ganz einfach ein Ergebnis der modernen Industrie.

In der mit Maschinen arbeitenden Fabrik unterscheidet sich die Arbeit des einen Arbeiters fast in nichts mehr von der Arbeit eines anderen Arbeiters: Die Arbeiter können sich voneinander nur unterscheiden durch das Quantum von Zeit, welches sie bei der Arbeit aufwenden. Nichtsdestoweniger erscheint dieser quantitative Unterschied von einem gewissen Gesichtspunkte aus qualitativ, insofern die für die Arbeit aufgewendete Zeit abhängt einerseits von rein materiellen Bedingungen wie physische Konstitution, Alter,[85] Geschlecht, anderseits von moralischen, rein negativen Umständen wie Geduld, Unempfindlichkeit und Emsigkeit. Endlich, wenn es einen qualitativen Unterschied in der Arbeit der Arbeiter gibt, so ist dies höchstens eine Qualität von der schlechtesten Qualität, die weit entfernt ist, eine unterscheidende Spezialität zu sein. Das ist in letzter Instanz der Stand der Dinge in der modernen Industrie. Und auf diese bereits in der Maschinenarbeit verwirklichte Gleichheit setzt Herr Proudhon seinen Hobel der »Gleichmachung« an, die er universell zu verwirklichen vorhat in der »Zeit, die kommen wird«.

Alle »egalitären« Folgerungen, welche Herr Proudhon aus der Theorie Ricardos zieht, beruhen auf einem fundamentalen Irrtum. Er verwechselt nämlich den durch die aufgewendete Arbeitsmenge bestimmten Warenwert mit dem Warenwert, bestimmt durch den »Wert der Arbeit«. Wenn diese beiden Arten, den Wert der Waren zu messen, dasselbe ausdrückten, so könnte man unterschiedslos sagen: Der Wert irgendeiner Ware wird gemessen durch die in ihr verkörperte Arbeitsmenge; oder aber: er wird gemessen durch die Menge von Arbeit, die er zu kaufen imstande ist; oder endlich: er wird gemessen durch die Menge von Arbeit, welche ihn zu erwerben vermag. Aber dem ist bei weitem nicht so. Der Wert der Arbeit kann ebensowenig als Maßstab des Wertes dienen wie der Wert jeder anderen Ware. Einige Beispiele werden genügen, das eben Gesagte dem Verständnis näherzubringen.

Wenn ein Scheffel Getreide zwei Arbeitstage an Stelle eines einzigen kostete, so würde er das Doppelte seines ursprünglichen Wertes besitzen; aber er würde nicht die doppelte Arbeitsmenge in Bewegung setzen, denn er würde nicht mehr Nährstoff enthalten als zuvor. So wäre der Wert des Getreides, gemessen durch die zu dessen Hervorbringung angewendete Arbeitsmenge, verdoppelt; aber gemessen, sei es durch die Arbeitsmenge, die er kaufen kann, oder durch die Arbeitsmenge, die ihn kaufen kann, ist er weit entfernt, verdoppelt zu sein. Anderseits, wenn dieselbe Arbeit doppelt soviel Kleidungsstücke wie früher erzeugt, so fiele der Wert derselben um die Hälfte; aber nichtsdestoweniger wäre diese doppelte Menge von Kleidern dadurch nicht so weit herabgedrückt, daß sie nur über die halbe Menge Arbeit verfügen könnte, noch wäre dieselbe Arbeit imstande, über die doppelte Menge von Kleidungsstücken zu verfügen; denn die Hälfte der Kleider würde nach wie vor den Arbeitern denselben Dienst leisten.

Es widerspricht somit den ökonomischen Tatsachen, den Wert der Lebensmittel durch den Wert der Arbeit zu messen; das hieße, sich in einem fehlerhaften Kreislauf bewegen, den relativen Wert durch einen relativen Wert bestimmen, der seinerseits erst wieder bestimmt werden muß.[86]

Es unterliegt keinem Zweifel, daß Herr Proudhon diese beiden Maßstäbe durcheinanderwirft: die zur Herstellung einer Ware notwendige Arbeitszeit und den Wert der Arbeit.

»Die Arbeit eines jeden Menschen«, sagt er, »kann den Wert kaufen, den sie in sich schließt.« [I, S. 81.]

Somit gilt nach ihm ein gewisses in einem Produkt fixiertes Arbeitsquantum ebensoviel wie die Entlohnung des Arbeiters, d.h. wie der Wert der Arbeit. Dies ist auch derselbe Schluß, der ihm erlaubt, Produktionskosten und Löhne gleichzusetzen.

»Was ist der Lohn? Der Herstellungspreis von Getreide etc., der vollständige Preis jedes Dinges. Mehr noch: Der Lohn ist die Proportionalität der Elemente, die den Reichtum bilden.« [I, S. 110.]

Was ist der Lohn? Der Wert der Arbeit.

Adam Smith nimmt zum Maßstab des Wertes bald die zur Herstellung einer Ware notwendige Arbeitszeit, bald den Wert der Arbeit. Ricardo hat diesen Irrtum aufgedeckt, indem er die Verschiedenheit dieser beiden Messungsarten klar nachwies. Herr Proudhon überbietet noch den Irrtum von Adam Smith, indem er zwei Dinge identifiziert, die jener nur nebeneinander gebraucht.

Um das rechte Verhältnis zu finden, nach welchem die Arbeiter an den Produkten teilhaben sollen, oder, mit anderen Worten, um den relativen Wert der Arbeit zu bestimmen, sucht Herr Proudhon einen Maßstab für den relativen Wert der Waren. Um den Maßstab für den relativen Wert der Waren zu bestimmen, weiß er nichts Besseres auszuklügeln, als uns als Äquivalent für eine gewisse Menge von Arbeit die Summe der durch sie geschaffenen Produkte hinzustellen, was vermuten läßt, daß die ganze Gesellschaft aus nichts als Arbeitern besteht, die als Lohn ihr eigenes Produkt bekommen. In zweiter Linie behauptet er die Gleichwertigkeit der Arbeitstage der verschiedenen Arbeiter als Tatsache, mit einem Wort, er sucht den Maßstab für den relativen Wert der Waren, um zur gleichen Entlohnung der Arbeiter zu gelangen, und nimmt die Gleichheit der Löhne als bereits fertige Tatsache hin, um sich auf die Suche nach dem relativen Wert der Waren zu machen. Welch bewunderungswürdige Dialektik!

»Say und die Ökonomen, welche ihm folgen, haben bemerkt, daß, da die Arbeit selbst der Schätzung unterworfen, kurz, eine Ware wie jede andere ist, es ein fehlerhafter Kreislauf sei, sie als Prinzip und entscheidenden Faktor des Wertes zu nehmen. Diese Ökonomen haben damit, mit Verlaub zu sagen, eine ungeheuerliche Unachtsamkeit an den Tag gelegt. Man sagt von der Arbeit, daß sie einen Wert (valoir) hat, nicht[87] sowohl als eigentliche Ware als im Hinblick auf die Werte, welche man in ihr potentiell enthalten annimmt. Der Wert der Arbeit ist ein figürlicher Ausdruck, eine Antizipierung der Ursache vor der Wirkung; er ist eine Fiktion von demselben Kaliber wie die Produktivität des Kapitals. Die Arbeit produziert, das Kapital hat Wert (vaut)... Durch eine Art Ellipse sagt man Wert der Arbeit ... Die Arbeit wie die Freiheit ... ist etwas seiner Natur nach Vages und Unbestimmtes, was jedoch gemäß seinem Objekt bestimmte Form annimmt, d.h. welches durch das Produkt Realität wird.« [I, S. 61.]

»Aber wozu sich dabei aufhalten? Sobald der Ökonom« (lies: Herr Proudhon) »den Namen des Dinges, vera rerum vocabula, wechselt, gesteht er implizite seine Ohnmacht ein und streckt die Waffen.« (Proudhon, I, S. 188.)

Wir haben gesehen, wie Herr Proudhon aus dem Wert der Arbeit den »entscheidenden Faktor« des Wertes der Produkte macht, in einer Weise, daß für ihn der Lohn, wie der »Wert der Arbeit« gemeinhin genannt wird, den vollständigen Preis jedes Dinges bildet. Darum verwirrt ihn der Einwand von Say. Er sieht in der Ware Arbeit, die eine furchtbare Realität ist, nur eine grammatische Ellipse. Demgemäß ist die ganze heutige, auf den Warencharakter der Arbeit begründete Gesellschaft von jetzt an eine poetische Lizenz, auf einen figürlichen Ausdruck begründet. Will die Gesellschaft »alle Unzuträglichkeiten ausmerzen« [I, S. 97], unter denen sie zu leiden hat, nun, so merze sie die anstößigen Ausdrücke aus, so ändere sie die Sprache; und sie braucht sich zu diesem Behufe nur an die Akademie zu wenden, um von ihr eine neue Ausgabe ihres Wörterbuchs zu verlangen. Nach allem, was wir gesehen haben, begreifen wir leicht, warum Herr Proudhon in einem Werk über politische Ökonomie lange Dissertationen über Etymologie und andere Teile der Grammatik abhandeln muß. So diskutiert er noch gelehrt über die veraltete Ableitung des Wortes servus von servare. Diese philologischen Dissertationen haben einen tiefen Sinn, einen esoterischen Sinn, sie machen einen wesentlichen Teil der Beweisführung des Herrn Proudhon aus.

Die Arbeit ist, soweit sie gekauft und verkauft wird, eine Ware wie jede andere Ware und hat daher einen Tauschwert. Aber der Wert der Arbeit oder die Arbeit als Ware produziert ebensowenig, wie der Wert des Getreides oder das Getreide als Ware zur Nahrung dient.

Die Arbeit »gilt« mehr oder weniger, je nachdem die Lebensmittelpreise höher oder niedriger sind, je nachdem Angebot von und Nachfrage nach Arbeitskräften in diesem oder jenem Grade vorhanden ist etc.[88]

Die Arbeit ist nicht etwas »Vages«, es ist immer eine bestimmte Arbeit, nie Arbeit im allgemeinen, die man kauft und verkauft. Es ist nicht nur die Arbeit, deren Beschaffenheit durch das Objekt bestimmt wird, auch das Objekt wird bestimmt durch die spezifische Beschaffenheit der Arbeit.

Insofern die Arbeit gekauft und verkauft wird, ist sie selbst Ware. Warum kauft man sie? »Im Hinblick auf die Werte, welche man in ihr potentiell enthalten annimmt.« Aber wenn man sagt, daß irgendeine Sache Ware ist, so handelt es sich nicht mehr um den Zweck, zu dem sie gekauft wird, das heißt um den Nutzen, den man aus ihr ziehen, den Gebrauch, den man von ihr machen will. Sie ist Ware als Gegenstand des Handels. Alle Klügeleien des Herrn Proudhon beschränken sich auf folgendes: Man kauft die Arbeit nicht als Objekt unmittelbarer Konsumierung. Nein, man kauft sie als Produktionsmittel, wie man eine Maschine kauft. Solange die Arbeit Ware ist, hat sie Wert, aber produziert nicht. Herr Proudhon hätte ebensogut sagen können, daß es absolut keine Waren gibt, da jede Ware nur zu irgendeinem bestimmten Gebrauchszweck gekauft wird und niemals als Ware an sich.

Wenn Herr Proudhon den Wert der Waren durch die Arbeit mißt, so überkommt ihn ein unbestimmtes Gefühl, daß es unmöglich ist, die Arbeit, soweit sie einen Wert hat, die Ware Arbeit, nicht auch diesem selben Maßstab zu unterwerfen. Er ahnt, daß er damit das Lohnminimum zum natürlichen und normalen Preis der unmittelbaren Arbeit stempelt, daß er also den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft akzeptiert. Und so, um sich dieser fatalen Konsequenz zu entziehen, macht er kehrt und behauptet, daß die Arbeit keine Ware ist, daß sie keinen Wert haben kann. Er vergißt, daß er selbst den Wert der Arbeit als Maßstab genommen hat; er vergißt, daß sein ganzes System auf der Ware Arbeit beruht, auf der Arbeit, die man verschachert, kauft und verkauft, die sich austauscht gegen Produkte etc., auf der Arbeit endlich, die unmittelbar Einkommensquelle des Arbeiters ist – er vergißt alles.

Um sein System zu retten, entschließt er sich, die Basis desselben zu opfern.

»Et propter vitam vivendi perdere causas!«

Wir gelangen jetzt zu einer neuen Erklärung des »konstituierten Wertes«.

»Der Wert ist das Proportionalitätsverhältnis (rapport de proportionnalité) der Produkte, welche den Reichtum bilden.« [I, S. 62.]

Bemerken wir zunächst, daß das einfache Wort »relativer oder Tauschwert« die Idee irgendeines Verhältnisses einschließt, in welchem sich die[89] Produkte gegenseitig austauschen. Wenn man diesem Verhältnis den Namen »Proportionalitätsverhältnis« gibt, so hat man nichts am relativen Wert geändert außer dem Namen. Weder die Herabdrückung noch die Steigerung des Wertes eines Produktes nehmen ihm die Eigenschaft, sich in irgendeinem »Proportionalitätsverhältnis« zu den anderen Produkten, die den Reichtum bilden, zu befinden.

Warum also dieser neue Ausdruck, der keine neue Idee zutage fördert?

Das »Proportionalitätsverhältnis« läßt an viele andere ökonomische Verhältnisse denken, wie an die Proportionalität der Produktion, die rechte Proportion zwischen Angebot und Nachfrage etc.; und Herr Proudhon hat an alles das gedacht, als er diese didaktische Paraphrase des Tauschwertes formulierte.

Da zunächst der relative Wert der Produkte bestimmt wird durch die zur Herstellung eines jeden derselben aufgewendete entsprechende Arbeitsmenge, so bedeutet das Proportionalitätsverhältnis, auf diesen speziellen Fall angewendet, die entsprechende Menge von Produkten, die in einer gegebenen Zeit hergestellt werden und infolgedessen gegeneinander ausgetauscht werden können.

Sehen wir nun, welchen Gebrauch Herr Proudhon von diesem Proportionalitätsverhältnis macht.

Alle Welt weiß, daß, wenn Angebot und Nachfrage sich ausgleichen, der relative Wert eines Produktes genau bestimmt wird durch die in ihm fixierte Arbeitsmenge, d.h., daß dieser relative Wert das Proportionalitätsverhältnis genau in dem Sinne ausdrückt, in dem wir es soeben erklärt haben. Herr Proudhon stellt die Reihenfolge der Dinge auf den Kopf. Man fange an, sagt er, den relativen Wert eines Produktes durch die in ihm fixierte Arbeitsmenge zu messen, und Angebot und Nachfrage werden sich unfehlbar ausgleichen. Die Produktion wird der Konsumtion entsprechen, das Produkt wird stets ausgetauscht werden können, sein laufender Marktpreis wird genau seinen richtigen Wert ausdrücken. Anstatt mit jedermann zu sagen: Wenn das Wetter schön ist, sieht man viele Leute Spazierengehen, läßt Herr Proudhon seine Leute spazierengehen, um ihnen gutes Wetter zusichern zu können.

Was Herr Proudhon als Folgerung aus dem a priori durch die Arbeitszeit bestimmten Tauschwert hinstellt, könnte nur gerechtfertigt werden vermittelst eines Gesetzes, das ungefähr folgenden Wortlaut haben müßte:[90] Die Produkte werden künftig ausgetauscht im genauen Verhältnis der Arbeitszeit, die sie gekostet haben. Welches auch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage sei, der Austausch der Waren soll stets so vor sich gehen, als ob dieselben im Verhältnis zur Nachfrage produziert worden wären. Möge Herr Proudhon es übernehmen, ein solches Gesetz zu formulieren und durchzusetzen, und wir wollen ihm die Beweise erlassen. Wenn er im Gegenteil darauf Wert legt, seine Theorie nicht als Gesetzgeber zu rechtfertigen, sondern als Ökonom, so wird er zu beweisen haben, daß die zur Herstellung einer Ware nötige Zeit genau ihren Nützlichkeitsgrad anzeigt und außerdem ihr Proportionalitätsverhältnis zur Nachfrage und folglich zur Summe des gesellschaftlichen Reichtums feststellt. In diesem Falle werden, wenn ein Produkt sich zu einem seinen Herstellungskosten gleichen Preise verkauft, Angebot und Nachfrage sich stets ausgleichen; denn die Produktionskosten gelten als der Ausdruck des wahren Verhältnisses von Angebot zu Nachfrage.

Herr Proudhon versucht in der Tat den Beweis zu liefern, daß die Arbeitszeit, die zur Herstellung eines Produktes erforderlich ist, sein richtiges Verhältnis zu den Bedürfnissen ausdrückt, so daß die Gegenstände, deren Produktion am wenigsten Zeit kostet, solche von unmittelbarstem Nutzen sind, und so Schritt vor Schritt weiter. Bereits die bloße Produktion eines Luxus-Objekts beweist, nach dieser Lehre, daß die Gesellschaft Zeit überflüssig hat, die ihr erlaubt, ein Luxusbedürfnis zu befriedigen.

Den Beweis für seine Behauptung findet Herr Proudhon in der Beobachtung, daß die nützlichsten Dinge am wenigsten Produktionszeit erfordern, daß die Gesellschaft stets mit den leichtesten Industrien beginnt und daß sie sich »allmählich auf die Produktion von Gegenständen wirft, die mehr Arbeitszeit kosten und höheren Bedürfnissen entsprechen« [I, S. 57].

Herr Proudhon entlehnt Herrn Dunoyer das Beispiel der extraktiven Industrie – Einsammlung, Weide, Jagd, Fischerei usw. –, welche die einfachste, am wenigsten kostspielige Industrie ist und mittelst derer der Mensch »den ersten Tag seiner zweiten Schöpfung« begonnen hat. [I, S. 78.] Der erste Tag seiner ersten Schöpfung ist in der Genesis geschildert, die uns Gott als den ersten Industriellen der Welt vorführt.

Die Dinge vollziehen sich ganz anders, als Herr Proudhon denkt. Mit dem Moment, wo die Zivilisation beginnt, beginnt die Produktion sich aufzubauen auf den Gegensatz der Berufe, der Stände, der Klassen, schließlich auf den Gegensatz zwischen angehäufter und unmittelbarer Arbeit. Ohne Gegensatz[91] kein Fortschritt; das ist das Gesetz, dem die Zivilisation bis heute gefolgt ist. Bis jetzt haben sich die Produktivkräfte auf Grund dieser Herrschaft des Klassengegensatzes entwickelt. Heute behaupten, daß, weil alle Bedürfnisse aller Arbeiter befriedigt waren, sich die Menschen der Erzeugung von Produkten höherer Ordnung, komplizierteren Industrien haben widmen können, das hieße, von dem Klassengegensatz abstrahieren und die ganze historische Entwicklung auf den Kopf stellen. Das wäre dasselbe, als ob man sagen wollte, daß, weil man unter den römischen Kaisern Muränen in künstlichen Teichen ernährte, man die ganze römische Bevölkerung im Überfluß ernähren konnte; während gerade im Gegenteil das römische Volk des Nötigsten entbehrte, um Brot zu kaufen, die römischen Aristokraten hingegen nicht der Sklaven ermangelten, um sie den Muränen als Futter vorzuwerfen.

Der Preis der Lebensmittel ist fast stetig gestiegen, während der Preis der Manufaktur- und Luxusartikel fast stetig gesunken ist. Man nehme die Landwirtschaft selbst: Die unentbehrlichsten Gegenstände, wie Getreide, Fleisch usw., steigen im Preis, während Baumwolle, Zucker, Kaffee usw. in überraschendem Grade stetig fallen. Und selbst unter den eigentlichen Eßwaren sind die Luxusartikel, wie Artischocken, Spargel etc., heute verhältnismäßig billiger als die nötigsten Lebensmittel. In unserer Epoche ist das Überflüssige leichter herzustellen als das Notwendige. Endlich sind in verschiedenen historischen Epochen die gegenseitigen Verhältnisse der Preise nicht sowohl verschiedene, sondern vielmehr entgegengesetzte. Im ganzen Mittelalter waren die landwirtschaftlichen Produkte verhältnismäßig billiger als die Manufakturprodukte; in der Neuzeit ist das Verhältnis ein entgegengesetztes. Hat deshalb die Nützlichkeit der landwirtschaftlichen Produkte seit dem Mittelalter abgenommen?

Die Verwendung der Produkte wird bestimmt durch die sozialen Verhältnisse, in welchen sich die Konsumenten befinden, und diese Verhältnisse selbst beruhen auf dem Gegensatze der Klassen.

Die Baumwolle, die Kartoffel und der Branntwein sind Gegenstände des allgemeinsten Gebrauches. Die Kartoffeln haben die Skrofeln erzeugt; die Baumwolle hat zum großen Teil die Schafwolle und das Leinen verdrängt, obwohl Leinen und Schafwolle in vielen Fällen von viel größerem Nutzen sind, sei es auch nur in hygienischer Beziehung. Endlich hat der Branntwein über Bier und Wein gesiegt, obwohl der Branntwein als Genußmittel allgemein als Gift anerkannt ist. Während eines ganzen Jahrhunderts kämpften die Regierungen vergeblich gegen das europäische Opium; die Ökonomie gab den Ausschlag, sie diktierte dem Konsum ihre Befehle.[92]

Warum aber sind Baumwolle, Kartoffeln und Branntwein die Angelpunkte der bürgerlichen Gesellschaft? Weil zu ihrer Herstellung am wenigsten Arbeit erforderlich ist und sie infolgedessen am niedrigsten im Preise stehen. Warum entscheidet das Minimum des Preises in bezug auf das Maximum der Konsumtion? Vielleicht etwa wegen der absoluten Nützlichkeit dieser Gegenstände, wegen der ihnen innewohnenden Nützlichkeit, wegen ihrer Nützlichkeit, insofern sie auf die nützlichste Art den Bedürfnissen des Arbeiters als Mensch und nicht des Menschen als Arbeiter entsprechen? Nein – sondern weil in einer auf das Elend begründeten Gesellschaft die elendesten Produkte das naturnotwendige Vorrecht haben, dem Gebrauch der großen Masse zu dienen.

Behaupten wollen, daß, weil die wenigst teuren Dinge mehr im Gebrauch sind, sie deshalb von größerem Nutzen sein müssen, heißt behaupten, daß der infolge der geringen Produktionskosten desselben so verbreitete Gebrauch des Branntweins der zwingendste Beweis seiner Nützlichkeit ist; heißt, dem Proletarier vorreden, daß die Kartoffel ihm heilsamer ist als das Fleisch; heißt, den gegenwärtigen Stand der Dinge akzeptieren; heißt endlich, mit Herrn Proudhon eine Gesellschaft verherrlichen, ohne sie zu verstehen.

In einer künftigen Gesellschaft, wo der Klassengegensatz verschwunden ist, wo es keine Klassen mehr gibt, würde der Gebrauch nicht mehr von dem Minimum der Produktionszeit abhängen, sondern die Produktionszeit, die man den verschiedenen Gegenständen widmet, würde bestimmt werden durch ihre gesellschaftliche Nützlichkeit.

Um zur Behauptung des Herrn Proudhon zurückzukommen, so kann, sobald einmal die zur Produktion eines Gegenstandes notwendige Arbeitszeit nicht der Ausdruck seines Nützlichkeitsgrades ist, der im voraus durch die Arbeitszeit bestimmte Tauschwert dieses Gegenstandes niemals maßgebend sein für das richtige Verhältnis von Angebot zur Nachfrage, d.h. für das Proportionalitätsverhältnis in dem Sinne, den Herr Proudhon zur Zeit mit diesem Wort verbindet.

Es ist nicht der Verkauf irgendeines Produktes zu seinem Kostenpreise, der das »Proportionalitätsverhältnis« von Angebot und Nachfrage, d.h. die verhältnismäßige Quote dieses Produktes gegenüber der Gesamtheit der Produktion konstituiert; es sind vielmehr die Schwankungen von Angebot und Nachfrage, die den Produzenten die Menge angeben, in welcher eine gegebene Ware produziert werden muß, um im Austausch wenigstens die Produktionskosten erstattet zu erhalten, und da diese Schwankungen beständig stattfinden, so herrscht auch eine beständige Bewegung in Anlegung[93] und Zurückziehung von Kapitalien in den verschiedenen Zweigen der Industrie.

»Nur nach Maßgabe solcher Schwankungen werden die Kapitalien gerade in dem erforderlichen Verhältnis und nicht darüber hinaus zur Produktion der verschiedenen Waren verwendet, nach denen Nachfrage besteht. Durch Steigen oder Sinken des Preises erheben sich die Profite über, beziehungsweise fallen sie unter ihr allgemeines Niveau, und dadurch werden die Kapitalien angezogen zu oder abgelenkt von dem besonderen Geschäftszweig, welcher die eine oder die andere dieser Schwankungen erfahren hat,« – »Wenn wir unsere Augen auf die Märkte der großen Städte werfen, so sehen wir, mit welcher Regelmäßigkeit sie mit allen Sorten von Waren, einheimischen wie ausländischen, in der erforderlichen Menge versehen werden, und wie verschieden auch die Nachfrage sich gestalte durch die Wirkung von Laune und Geschmack oder der Bevölkerungsveränderung, ohne daß Stockung infolge überreichlicher, noch übertriebene Teurung infolge mangelnder Zufuhr oft vorkommen: und man muß zugestehen, daß das Prinzip, welches das Kapital den verschiedenen Industriebranchen in dem genau erforderlichen Verhältnis zuführt, mächtiger wirkt, als man gewöhnlich annimmt.« (Ricardo, Bd. I, S. 105 [, 106] u. 108.)

Wenn Herr Proudhon zugibt, daß der Wert der Produkte durch die Arbeitszeit bestimmt wird, so muß er gleichfalls die oszillatorische Bewegung anerkennen, die allein aus der Arbeitszeit das Maß des Wertes macht. Es gibt kein fertig konstituiertes »Proportionalitätsverhältnis«, es gibt nur eine konstituierende Bewegung.

Wir haben gesehen, in welchem Sinne es richtig ist, von der »Proportionalität« als einer Konsequenz des durch die Arbeitszeit bestimmten Wertes zu sprechen. Wir werden nunmehr sehen, wie diese Messung durch die Zeit, von Herrn Proudhon »Gesetz der Proportionalität« genannt, sich in ein Gesetz der Disproportionalität verwandelt.

Jede neue Erfindung, welche es ermöglicht, in einer Stunde zu produzieren, was bisher in zwei Stunden produziert wurde, entwertet alle gleichartigen Produkte, die sich auf dem Markte befinden. Die Konkurrenz zwingt den Produzenten, das Produkt von zwei Stunden ebenso billig zu verkaufen wie das Produkt einer Stunde. Die Konkurrenz führt das Gesetz durch, nach welchem der Wert eines Produktes durch die zu seiner Herstellung notwendige Arbeitszeit bestimmt wird. Die Tatsache, daß die Arbeitszeit als Maß des Tauschwertes dient, wird auf diese Art zum Gesetz einer beständigen Entwertung[94] der Arbeit. Noch mehr; die Entwertung erstreckt sich nicht nur auf die dem Markt zugeführten Waren, sondern auch auf die Produktionsinstrumente und auf ganze Werkstätten. Diese Tatsache deutet bereits Ricardo an, indem er sagt:

»Durch das beständige Wachstum der Produktivität wird der Wert verschiedener bereits früher produzierter Dinge beständig vermindert,« (Bd. II, S. 59.)

Sismondi geht noch weiter. Er sieht in diesem durch die Arbeitszeit »konstituierten Wert« die Quelle aller heutigen Widersprüche zwischen Handel und Industrie.

»Der Tauschwert«, sagt er, »wird in letzter Instanz stets durch die Menge von Arbeit bestimmt, die notwendig ist, um den abgeschätzten Gegenstand zu beschaffen: nicht durch die, welche er seinerzeit gekostet hat, sondern durch die, welche er künftighin kosten würde, infolge vielleicht verbesserter Hilfsmittel; und obwohl diese Menge schwer abzuschätzen ist, wird sie doch stets genau durch die Konkurrenz bestimmt ... Sie ist die Basis, auf Grund deren sowohl die Forderung des Verkäufers wie das Angebot des Käufers berechnet wird. Der erstere wird vielleicht behaupten, daß der Gegenstand ihn zehn Arbeitstage gekostet hat; aber wenn der andere sich überzeugt, daß derselbe künftig in acht Arbeitstagen hergestellt werden kann, und die Konkurrenz beiden Kontrahenten den Beweis dafür liefert, so wird der Wert auf nur acht Tage herabgesetzt und der Handel auf diesen Preis hinabgeschlossen. Beide Kontrahierenden sind allerdings überzeugt, daß der Gegenstand nützlich ist, daß er verlangt wird, daß ohne Verlangen nach ihm kein Verkauf möglich wäre; aber die Festsetzung des Preises hängt in keiner Beziehung ab von der Nützlichkeit.« (»Études etc.«, Bd. II, S. 267, édition Bruxelles.)

Es ist wichtig, den Umstand im Auge zu behalten, daß, was den Wert bestimmt, nicht die Zeit ist, in welcher eine Sache produziert wurde, sondern das Minimum von Zeit, in welchem sie produziert werden kann, und dieses Minimum wird durch die Konkurrenz festgestellt. Man nehme für einen Augenblick an, daß es keine Konkurrenz mehr gebe und folglich kein Mittel, das zur Produktion einer Ware erforderliche Arbeitsminimum zu konstatieren, was wäre die Folge davon? Es genügte, auf die Produktion eines Gegenstandes sechs Stunden Arbeit zu verwenden, um nach Herrn Proudhon berechtigt zu sein, beim Austausch sechsmal soviel zu verlangen wie derjenige, der auf die Produktion desselben Gegenstandes nur eine Stunde aufgewendet hat.

An Stelle eines »Proportionalitätsverhältnisses« haben wir ein Disproportionalitätsverhältnis, wenn wir uns überhaupt auf Verhältnisse, schlechte oder gute, einlassen wollen.[95]

Die beständige Entwertung der Arbeit ist nur eine Seite, nur eine Konsequenz der Abschätzung der Waren durch die Arbeitszeit; übermäßige Preissteigerungen, Überproduktion und vide andere Erscheinungen industrieller Anarchie finden in diesem Abschätzungsmodus ihre Erklärung.

Aber schafft die als Wertmaß dienende Arbeitszeit wenigstens die verhältnismäßige Varietät in den Produkten, die Herrn Proudhon so entzückt?

Ganz im Gegenteil bemächtigt in ihrer Folge das Monopol in seiner ganzen Monotonie sich der Produktenwelt, ebenso wie alle Welt weiß und sieht, daß das Monopol sich der Welt der Produktionsmittel bemächtigt. Nur einige Zweige der Industrie, wie die Baumwollenindustrie, sind imstande, sehr schnelle Fortschritte zu machen. Die natürliche Konsequenz dieser Fortschritte ist z.B. ein rapides Fallen der Preise der Produkte der Baumwollenmanufaktur; aber in dem Maße, wie der Preis der Baumwolle fällt, muß der Preis der Leinwand im Verhältnis steigen. Was ist die Folge davon? Die Leinwand wird durch die Baumwolle verdrängt. Auf diese Art ist die Leinwand aus fast ganz Nordamerika verdrängt worden. Und statt der proportionellen Varietät der Produkte haben wir das Reich der Baumwolle.

Was bleibt also von diesem »Proportionalitätsverhältnis«? Nichts als der Wunsch eines Biedermannes, der gern möchte, daß die Waren in solchen Proportionen hergestellt würden, daß man sie zu einem Biedermannspreise losschlagen könnte. Zu allen Zeiten haben gute Bürger und philanthropische Ökonomen sich darin gefallen, diesen unschuldigen Wunsch auszusprechen.

Geben wir dem alten Boisguillebert das Wort:

»Der Preis der Waren«, sagt er, »muß stets proportioniert sein, da nur ein solches gegenseitiges Einverständnis ihnen eine Existenz ermöglicht, worin sie einander in jedem Augenblick wieder erzeugen« (hier haben wir die beständige Austauschbarkeit des Herrn Proudhon) »... Da also der Reichtum nichts anderes ist als dieser beständige Tauschverkehr zwischen Mensch und Mensch und Geschäft und Geschäft, so wäre es eine erschreckliche Verblendung, die Ursache des Elends woanders zu suchen als in der durch eine Verschiebung der Preisproportionen hervorgerufenen Störung eines solchen Handels.« (»Dissertation sur la nature des richesses«, édit. Daire [S. 405 u. 408.])

Hören wir auch einen modernen Ökonomen:

»Ein großes Gesetz, welches auf die Produktion angewendet werden muß, ist das Gesetz der Proportionalität (the law of proportion), das allein die Kontinuität des Wertes erhalten kann... Das Äquivalent muß garantiert sein... Alle Nationen haben zu verschiedenen Epochen mittelst zahlreicher kommerzieller Reglements und Einschränkungen dieses Gesetz der Proportionalität bis zu einem gewissen Punkt zu verwirklichen[96] versucht; aber der der menschlichen Natur innewohnende Egoismus hat sie dahin getrieben, dieses ganze System der Regulierung über den Haufen zu werfen. Eine proportionierte Produktion (proportionate production) ist die Verwirklichung der wahren sozial-ökonomischen Wissenschaft.« (W. Atkinson, »Principles of Political Economy«, London 1840, S. 170-195.)

Fuit Troja! Diese richtige Proportion zwischen Angebot und Nachfrage, die wiederum der Gegenstand so vieler Wünsche zu werden beginnt, hat seit langem zu bestehen aufgehört. Sie hat das Greisenalter überschritten; sie war nur möglich in jenen Zeiten, wo die Produktionsmittel beschränkt waren, wo der Austausch sich in außerordentlich engen Grenzen vollzog. Mit dem Entstehen der Großindustrie mußte diese richtige Proportion verschwinden, und mit Naturnotwendigkeit muß die Produktion in beständiger Aufeinanderfolge den Wechsel von Prosperität und Depression, Krisis, Stockung, neuer Prosperität und so fort durchmachen.

Diejenigen, welche, wie Sismondi, zur richtigen Proportionalität der Produktion zurückkehren und dabei die gegenwärtigen Grundlagen der Gesellschaft erhalten wollen, sind reaktionär, da sie, um konsequent zu sein, auch alle anderen Bedingungen der Industrie früherer Zeiten zurückzuführen bestrebt sein müssen.

Was hielt die Produktion in richtigen oder beinahe richtigen Proportionen? Die Nachfrage, welche das Angebot beherrschte, ihm vorausging; die Produktion folgte Schritt für Schritt der Konsumtion. Schon durch die Instrumente, über welche sie verfügt, gezwungen, in beständig größerem Maße zu produzieren, kann die Großindustrie nicht die Nachfrage abwarten. Die Produktion geht der Konsumtion voraus, das Angebot erzwingt die Nachfrage.

In der heutigen Gesellschaft, in der auf den individuellen Austausch basierten Industrie, ist die Produktionsanarchie, die Quelle so vieles Elends, gleichzeitig die Ursache alles Fortschritts.

Demnach von zwei Dingen eins:

Entweder man will die richtigen Proportionen früherer Jahrhunderte mit den Produktionsmitteln unserer Zeit, und dann ist man Reaktionär und Utopist in einem.

Oder man will den Fortschritt ohne Anarchie: und dann verzichte man, um die Produktivkräfte beizubehalten, auf den individuellen Austausch.

Der individuelle Austausch verträgt sich nur mit der kleinen Industrie früherer Jahrhunderte und der ihr eigentümlichen »richtigen Proportion«[97] oder aber mit der Großindustrie und ihrem ganzen Gefolge von Elend und Anarchie.

Es ergibt sich also schließlich: Die Bestimmung des Wertes durch die Arbeitszeit, d.h. die Formel, welche Herr Proudhon uns als diejenige hinstellt, welche die Zukunft regenerieren soll, ist nur der wissenschaftliche Ausdruck der ökonomischen Verhältnisse der gegenwärtigen Gesellschaft, wie Ricarco lange vor Herrn Proudhon klar und deutlich bewiesen hat.

Gebührt aber wenigstens die »egalitäre« Anwendung dieser Formel Herrn Proudhon? Ist er der erste, der sich eingebildet hat, die Gesellschaft dadurch zu reformieren, daß er alle Menschen in unmittelbare, gleiche Arbeitsmengen austauschende Arbeiter verwandelt? Kommt es ihm zu, den Kommunisten – diesen aller Kenntnis der politischen Ökonomie ermangelnden Menschen, diesen »hartnäckig dummen Menschen«, diesen »paradiesischen Träumern« – den Vorwurf zu machen, nicht vor ihm diese »Lösung des Problems des Proletariats« gefunden zu haben?

Wer nur ein wenig mit der Entwicklung der politischen Ökonomie in England vertraut ist, dem ist nicht unbekannt, daß fast alle Sozialisten dieses Landes zu den verschiedensten Zeiten die egalitäre Anwendung der Ricardoschen Theorie vorgeschlagen haben. Wir könnten Herrn Proudhon zitieren: »Die politische Ökonomie« von Hopkins, 1822; William Thompson, »An Inquiry into the Principles of the Distribution of Wealth, most conducive to Human Happiness«, 1824; T[homas] R[owe] Edmonds, »Practical Moral and Political Economy«, 1828 etc. etc. und noch vier Seiten Etceteras. Wir beschränken uns darauf, einen englischen Kommunisten sprechen zu lassen, Herrn Bray. Wir wollen die entscheidenden Stellen seines bemerkenswerten Werkes, »Labour's Wrongs and Labour's Remedy«, Leeds 1839, anführen und werden uns ziemlich lange dabei aufhalten, erstens, weil Herr Bray in Frankreich noch wenig bekannt ist, und ferner, weil wir in seinem Buch den Schlüssel gefunden zu haben glauben für die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Schriften des Herrn Proudhon.

»Das einzige Mittel, zur Wahrheit zu gelangen, ist, sich über die ersten Grundbegriffe klarzuwerden. Steigen wir zunächst zu der Quelle zurück, von der die Regierungen sich herleiten. Indem wir so der Sache auf den Grund gehen, werden wir finden, daß jede Form der Regierung, jede soziale und politische Ungerechtigkeit dem gegenwärtig herrschenden sozialen System entstammt – der Einrichtung des Eigentums, wie es gegenwärtig besteht (the institution of property as it at present[98] exists), und daß man daher, um ein für allemal der Ungechtigkeit und dem Elend unserer Zeit ein Ende zu machen, den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft von Grund aus umstürzen muß... Indem wir die Ökonomen auf ihrem eigenen Gebiet und mit ihren eigenen Waffen angreifen, verhindern wir so das absurde Geschwätz von den Teilern und Doktrinären, welches sie stets anzustimmen geneigt sind. Wenn sie die anerkannten Wahrheiten und Prinzipien, auf welche sie ihre eigenen Argumente basieren, nicht leugnen oder mißbilligen, so werden die Ökonomen nicht imstande sein, die Schlüsse zu bestreiten, zu welchen wir vermittelst dieser Methode gelangen.« (Bray, S. 17 u. 41.) »Nur die Arbeit ist es, die Wert schafft (It is labour alone which bestows value)... Jeder Mensch hat ein unzweifelhaftes Recht auf alles, was seine ehrliche Arbeit ihm verschaffen kann. Wenn er sich so die Früchte seiner Arbeit aneignet, begeht er keine Ungerechtigkeit gegen die anderen Menschen, denn er beeinträchtigt nicht dem anderen sein Recht, ebenso zu handeln... Alle Begriffe von höherer und niederer Stellung, von Herr und Knecht kommen daher, daß man die elementarsten Grundsätze außer acht gelassen hat und daß sich infolgedessen die Ungleichheit des Besitzes eingeschlichen hat (and to the consequent rise of inequality of possessions). Solange diese Ungleichheit aufrechterhalten bleibt, wird es unmöglich sein, diese Begriffe auszurotten sowie die Einrichtungen aufzuheben, die auf ihnen beruhen. Bis jetzt hegt man immer noch die vergebliche Hoffnung, einem widernatürlichen Zustand, wie dem gegenwärtig bestehenden, dadurch abzuhelfen, daß man die bestehende Ungleichheit zerstört und die Ursache der Ungleichheit bestehen läßt; aber wir werden bald nachweisen, daß die Regierung keine Ursache, sondern eine Wirkung ist, daß sie nicht schafft, sondern geschaffen wird – daß sie mit einem Wort das Ergebnis ist der Ungleichheit des Besitzes (the offspring of inequality of possessions) und daß die Ungleichheit des Besitzes unzertrennlich verbunden ist mit dem gegenwärtigen gesellschaftlichen System.« (Bray, S. 33, 36 u. 37.)

»Das System der Gleichheit hat nicht nur die größten Vorteile für sich, sondern auch die höchste Gerechtigkeit... Jeder Mensch ist ein Glied, und zwar ein unerläßliches Glied in der Kette der Wirkungen, die von einer Idee ausgeht, um vielleicht auf die Produktion eines Stückes Tuch hinauszulaufen. So darf man aus der Tatsache, daß unsere Neigungen für die verschiedenen Berufe nicht die gleichen sind, nicht schließen, daß die Arbeit des einen besser bezahlt werden müsse als die des anderen. Der Erfinder wird stets neben seiner gerechten Belohnung in Geld den Tribut unserer Bewunderung erhalten, den nur das Genie uns abgewinnen kann...

Gemäß der Natur selbst der Arbeit und des Tausches fordert die höchste Gerechtigkeit, daß alle Austauschenden nicht nur gegenseitige, sondern gleiche Vorteile davontragen (all exchangers should be not only mutually, but they should likewise be equally benefited). Zwei Dinge gibt es nur, welche die Menschen unter sich austauschen können, nämlich die Arbeit und das Produkt der Arbeit. Wenn der Tausch nach einem gerechten System vor sich ginge, so würde der Wert aller Gegenstände[99] durch ihre gesamten Produktionskosten bestimmt werden und gleiche Werte würden sich stets gegen gleiche Werte austauschen (If a just system of exchanges were acted upon, the value of all articles would be determined by the entire cost of production, and equal values should always exchange for equal values). Wenn zum Beispiel ein Hutmacher einen Tag braucht, um einen Hut zu machen, und ein Schuhmacher dieselbe Zeit für ein Paar Schuhe (vorausgesetzt, daß der von ihnen verwendete Rohstoff denselben Wert habe) und sie diese Gegenstände unter sich austauschten, so würde der Vorteil, den sie daraus zögen, gleichzeitig ein gegenseitiger und ein gleicher sein. Der Vorteil, der für einen der beiden Teile daraus flösse, könnte kein Nachteil für den anderen sein, da jeder dieselbe Menge Arbeit geliefert hat und die Stoffe, welche sie verwendeten, gleichwertig waren. Aber wenn der Hutmacher zwei Paar Schuhe gegen einen Hut erlangt hätte, immer unter unserer obigen Voraussetzung, so ist es klar, daß der Tausch ungerecht wäre. Der Hutmacher würde den Schuhmacher um einen Arbeitstag bringen; und wenn er so bei allen seinen Tauschgeschäften vorginge, so würde er gegen die Arbeit eines halben Jahres das Produkt eines ganzen Jahres einer anderen Person erhalten. Bisher haben wir stets dieses im höchsten Grade ungerechte Austauschsystem befolgt: Die Arbeiter haben dem Kapitalisten die Arbeit eines ganzen Jahres im Austausch gegen den Wert eines halben Jahres gegeben (the workmen have given the capitalist the labour of a whole year, in exchange for the value of only half a year) – und hieraus und nicht aus einer vermeintlichen Ungleichheit der physischen und intellektuellen Kräfte der Individuen ist die Ungleichheit von Reichtum und Macht hervorgegangen. Die Ungleichheit im Austausch, die Verschiedenheit der Preise bei Kauf und Verkauf, kann nur unter der Bedingung bestehen, daß die Kapitalisten in alle Ewigkeit Kapitalisten und die Arbeiter Arbeiter bleiben – die einen eine Klasse von Tyrannen, die anderen eine Klasse von Sklaven... Dieser Vorgang beweist also klar, daß die Kapitalisten und Eigentümer dem Arbeiter für die Arbeit einer Woche nur einen Teil des Reichtums geben, den sie von ihm in der abgelaufenen Woche erhalten haben, das heißt, daß sie ihm für Etwas Nichts geben (nothing for something) ... Die Vereinbarung zwischen Arbeitern und Kapitalisten ist eine bloße Komödie: Faktisch ist sie in Tausenden von Fällen nur ein unverschämter, wenn auch gesetzlicher Diebstahl. (The whole transaction between the producer and the capitalist is a mere farce: it is, in fact, in thousands of instances, no other than a barefaced though legal robbery.)« (Bray, S. 45, 48, 49 u. 50.)

»Der Profit des Unternehmers wird so lange ein Verlust für den Arbeiter sein – bis der Tausch unter beiden Teilen gleich ist; und der Tausch kann so lange nicht gleich sein, wie die Gesellschaft in Kapitalisten und Produzenten geteilt ist und die letzteren von ihrer Arbeit leben, während die ersteren sich vom Profit dieser Arbeit mästen.

Es ist klar«, fährt Herr Bray fort, »daß ihr ganz gut diese oder jene Form der Regierung herstellen..., daß ihr ganz gut im Namen der Moral und der Bruderliebe predigen mögt... Die Gegenseitigkeit ist unverträglich mit der Ungleichheit des Austausches. Die Ungleichheit des Austausches, die Ursache der Ungleichheit des Besitzes, ist der geheime Feind, der uns verschlingt. (No reciprocity can exist where there are[100] unequal exchanges. Inequality of exchanges, as being the cause of inequality of possessions, is the secret enemy that devours us.)« (Bray, S. 51 u. 52.)

»Die Betrachtung von Zweck und Ziel der Gesellschaft berechtigt mich zu dem Schlusse, daß nicht nur alle Menschen arbeiten müssen, damit sie in die Lage kommen, austauschen zu können, sondern daß gleiche Werte sich gegen gleiche Werte austauschen müssen. Noch mehr: Da der Vorteil des einen nicht der Verlust des andern sein darf, so muß der Wert bestimmt werden durch die Produktionskosten. Dennoch haben wir gesehen, daß unter dem gegenwärtigen sozialen Regime der Profit des Kapitalisten und des Reichen stets der Verlust des Arbeiters ist – daß dieses Resultat unvermeidlich eintreten muß und daß der Arme unter jeder Regierungsform dem Reichen auf Gnade und Ungnade ausgeliefert ist, solange die Ungleichheit des Austausches fortbesteht – und daß die Gleichheit im Austausch nur durch ein soziales System gesichert werden kann, welches die Universalität der Arbeit anerkennt ... Die Gleichheit im Austausch würde den Reichtum nach und nach aus den Händen der gegenwärtigen Kapitalisten in die der arbeitenden Klassen hinüberleiten.« (Bray, S. 53-55.)

»Solange wie dieses System der Ungleichheit des Tausches fortbesteht, werden die Produzenten stets so arm, so unwissend, so überarbeitet sein, wie sie es heute sind, selbst wenn man alle Abgaben, alle Steuern abschaffen würde... Nur eine totale Veränderung des Systems, die Einführung der Gleichheit der Arbeit und des Tausches kann diesem Stand der Dinge abhelfen und den Menschen die wahre Gleichheit der Rechte sichern... Die Produzenten haben nur eine Anstrengung zu machen – und sie selbst sind es, von denen jede Anstrengung für ihr eigenes Heil ausgehen muß –, und ihre Ketten werden auf ewig gesprengt werden... Die politische Gleichheit als Zweck ist ein Irrtum, sie ist sogar ein Irrtum als Mittel. (As an end, the political equality is there a failure, as a means, also, it is there a failure.)

Bei der Gleichheit des Austausches kann der Vorteil des einen nicht der Verlust des anderen sein: denn jeder Austausch ist nur eine einfache Übertragung von Arbeit und Reichtum, sie erfordert keinerlei Opfer. So wird unter einem auf die Gleichheit des Tausches basierten System der Produzent es noch mittelst seiner Ersparnisse zum Reichtum bringen; aber sein Reichtum wird nur noch das angesammelte Produkt seiner eigenen Arbeit sein. Er wird seinen Reichtum austauschen oder einem anderen geben können; aber es wird ihm unmöglich sein, auf eine etwas längere Zeit hinaus reich zu bleiben, nachdem er aufgehört hat zu arbeiten. Durch die Gleichheit des Tausches verliert der Reichtum seine heutige Fähigkeit, sich sozusagen von selbst zu erneuern und zu vermehren: Er wird den durch den Verbrauch entstehenden Verlust nicht aus sich ersetzen können; denn wenn er nicht durch die Arbeit neu geschaffen wird, so ist der Reichtum, einmal verzehrt, auf immer verloren. Was wir heute Profit und Zinsen nennen, wird unter dem System des gleichen Austausches nicht bestehen können. Der Produzent und derjenige, der die Verteilung besorgt, werden gleichmäßig entlohnt werden, und die Summe ihrer Arbeit wird dazu dienen, den Wert jedes verfertigten und dem Konsumenten zugänglich gemachten Gegenstandes zu bestimmen...

Das Prinzip der Gleichheit des Tausches muß also naturnotwendig die allgemeine Arbeit zur Folge haben.« (Bray, S. 67, 88, 89, 94 u. 109 [-110].)[101]

Nachdem er die Einwände der Ökonomen gegen den Kommunismus widerlegt hat, fährt Herr Bray folgendermaßen fort:

»Wenn eine Veränderung der Charaktere unumgänglich notwendig ist, um ein auf Gemeinsamkeit beruhendes gesellschaftliches System in seiner vollendeten Form zu ermöglichen, wenn andererseits das gegenwärtige System weder die Möglichkeit noch die Umstände zeitigt, die geboten sind, um diese Veränderung der Charaktere herbeizuführen und die Menschen für einen besseren Zustand, den wir alle wünschen, vorzubereiten, so ist es klar, daß die Dinge notwendigerweise so bleiben müssen, wie sie sind, wenn man nicht einen vorbereitenden Modus der Entwicklung entdeckt und durchführt – einen Prozeß, der sowohl dem gegenwärtigen System als auch dem Zukunftssystem (System der Gemeinschaftlichkeit) angehört – eine Art Übergangsstadium, in welches die Gesellschaft eintreten kann mit allen ihren Ausschreitungen und allen ihren Verrücktheiten, um es alsdann zu verlassen, reich an den Eigenschaften und Fähigkeiten, welche die Lebensbedingungen des Systems der Gemeinschaftlichkeit sind.« (Bray, S. 134.)

»Dieser ganze Prozeß würde nichts erfordern als die Kooperation in ihrer einfachsten Form... Die Produktionskosten würden unter allen Umständen den Wert des Produktes bestimmen, und gleiche Werte würden sich stets gegen gleiche Werte austauschen. Wenn von zwei Personen die eine eine ganze, die andere eine halbe Woche gearbeitet hätte, so würde die erstere doppelt soviel Entschädigung erhalten wie die andere; aber dieses Mehr der Bezahlung würde dem einen nicht auf Kosten des anderen gegeben werden: Der Verlust, den der letztere sich zugezogen hätte, würde in keiner Weise auf den ersteren entfallen. Ein jeder würde seinen individuellen Lohn gegen Dinge vom selben Wert wie sein Lohn umtauschen, und auf keinen Fall könnte der Gewinn, den irgend jemand oder irgendeine Industrie erzielte, den Verlust eines anderen oder einer anderen Industriebranche bilden. Die Arbeit jedes Individuums wäre der einzige Maßstab für seinen Gewinn oder Verlust...

Vermittelst allgemeiner und lokaler Büros (boards of trade) würde man die Menge der verschiedenen Gegenstände bestimmen, welche für den Verbrauch benötigt sind, und den relativen Wert jedes einzelnen im Vergleich mit den anderen (die Zahl der in den verschiedenen Arbeitszweigen erforderlichen Arbeiter), mit einem Wort alles, was auf die gesellschaftliche Produktion und Verteilung Bezug hat. Diese Aufstellungen würden für eine Nation in ebenso kurzer Zeit und mit derselben Leichtigkeit gemacht werden können wie heutzutage für eine Privatgesellschaft... Die Individuen würden sich in Familien gruppieren, die Familien in Gemeinden, wie unter dem gegenwärtigen Regime; man würde nicht einmal die Verteilung der Bevölkerung in Stadt und Land direkt abschaffen, so schädlich sie auch ist... In dieser Assoziation würde jedes Individuum nach wie vor die Freiheit genießen, welche es heute besitzt, soviel zu akkumulieren, wie ihm gut scheint, und von dem Angesammelten den ihm konvenierenden Gebrauch zu machen... Unsere Gesellschaft würde sozusagen eine große Aktiengesellschaft sein,[102] zusammengesetzt aus einer unendlich großen Anzahl kleiner Aktiengesellschaften, die sämtlich arbeiten und ihre Produkte auf dem Fuße der vollständigsten Gleichheit herstellen und austauschen... Unser neues System der Aktiengesellschaften«, das nur eine Konzession an die heutige Gesellschaft ist, um zum Kommunismus zu gelangen, »das so eingerichtet ist, daß das individuelle Eigentum an den Produkten fortbesteht neben dem gemeinschaftlichen Eigentum an den Produktivkräften, läßt das Schicksal jedes Individuums von seiner eigenen Tätigkeit abhängen und gewährt ihm einen gleichen Anteil an allen durch die Natur und die Fortschritte der Technik bewirkten Vorteilen. Infolgedessen kann es auf die Gesellschaft, wie sie ist, angewendet werden und sie auf weitere Veränderungen vorbereiten.« (Bray, S. 158, 160, 162, [163,] 168, 170 u. 194.)

Wir haben nur wenige Worte Herrn Bray zu entgegnen, der trotz uns und gegen unseren Willen sich in der Lage befindet, Herrn Proudhon ausgestochen zu haben, mit dem Unterschiede, daß Herr Bray, weit entfernt, das letzte Wort der Menschheit sprechen zu wollen, nur die Maßregeln vorschlägt, welche er für eine Epoche des Überganges von der heutigen Gesellschaft in das System der Gemeinschaftlichkeit für geeignet hält.

Eine Arbeitsstunde von Peter tauscht sich gegen eine Arbeitsstunde von Paul aus, das ist das fundamentale Axiom des Herrn Bray.

Nehmen wir an, Peter habe zwölf Stunden Arbeit vor sich und Paul nur sechs, so wird Peter mit Paul nur einen Austausch von sechs gegen sechs vollziehen können. Peter wird daher sechs Arbeitsstunden übrigbehalten; was wird er mit diesen sechs Arbeitsstunden machen?

Entweder nichts, d.h., er wird sechs Stunden für nichts gearbeitet haben, oder er wird sechs andere Stunden feiern, um sich ins Gleichgewicht zu setzen; oder, und dies ist sein letztes Auskunftsmittel, er wird diese sechs Stunden, mit denen er nichts anzufangen weiß, Paul mit in den Kauf geben.

Was wird somit Peter schließlich mehr verdient haben als Paul? Arbeitsstunden? Nein. Er wird nur Mußestunden verdient haben, er wird gezwungen sein, während sechs Stunden den Faulenzer zu spielen. Und damit dieses neue Nichtstuerrecht von der neuen Gesellschaft nicht nur geduldet, sondern sogar geschätzt werde, muß diese ihr höchstes Glück in der Faulheit finden und die Arbeit sie wie eine Fessel bedrücken, der sie sich um jeden Preis zu entledigen hat. Und wenn wenigstens, um auf unser Beispiel zurückzukommen, diese Mußestunden, die Peter an Paul verdient hat, ein wirklicher Profit wären! Nicht im geringsten; Paul, der damit beginnt, nur sechs Stunden zu arbeiten, kommt durch eine regelmäßige und geregelte Arbeit zu demselben Resultat, das auch Peter nur erreicht, obwohl er mit einem Übermaß von Arbeit beginnt. Jeder wird Paul sein wollen, es wird eine Konkurrenz um die Stelle des Paul entstehen – eine Faulheitskonkurrenz.[103]

Was hat uns nun der Austausch gleicher Arbeitsmengen gebracht? Überproduktion, Entwertung, Überarbeit, gefolgt von Stockung, endlich ökonomische Verhältnisse, wie wir sie in der gegenwärtigen Gesellschaft bestehen sehen, ohne die Arbeitskonkurrenz.

Nicht doch, wir täuschen uns; es bleibt noch ein Auskunftsmittel, welches die neue Gesellschaft retten kann, die Gesellschaft der Peter und Paul. Peter wird allein das Produkt der sechs Arbeitsstunden, die ihm bleiben, verzehren. Aber von dem Augenblick an, wo er nicht mehr auszutauschen braucht, weil er produziert hat, wird er nicht mehr zu produzieren brauchen, um auszutauschen, und die ganze Annahme einer auf Tausch und Arbeitsteilung basierten Gesellschaft fiele dahin. Man würde die Gleichheit des Tausches dadurch gerettet haben, daß der Tausch selbst aufhörte: Paul und Peter würden auf den Standpunkt Robinsons gelangen.

Wenn man also annimmt, daß alle Mitglieder der Gesellschaft selbständige Arbeiter sind, so ist ein Tausch gleicher Arbeitsstunden nur unter der Bedingung möglich, daß man von vornherein über die Stundenzahl übereinkommt, welche für die materielle Produktion notwendig ist. Aber eine solche Übereinkunft schließt den individuellen Tausch aus.

Wir kommen auch zur selben Folgerung, wenn wir als Ausgangspunkt nicht mehr die Verteilung der erzeugten Produkte, sondern den Akt der Produktion nehmen. In der Großindustrie steht es Peter nicht frei, seine Arbeitszeit selbst festzusetzen, denn die Arbeit Peters ist nichts ohne die Mitwirkung aller Peter und aller Paule, die in einer Werkstatt vereinigt sind. Daraus erklärt sich auch sehr wohl der hartnäckige Widerstand, den die englischen Fabrikanten der Zehnstundenbill entgegensetzten; sie wußten nur zu gut, daß eine Verminderung der Arbeit um zwei Stunden, einmal den Frauen und Kindern bewilligt, gleichermaßen eine Verminderung der Arbeitszeit für die [männlichen] Erwachsenen zur Folge haben müsse. Es liegt in der Natur der Großindustrie, daß die Arbeitszeit für alle gleich sein muß. Was heute durch das Kapital und die Konkurrenz der Arbeiter unter sich bewirkt wird, wird morgen, wenn man das Verhältnis von Arbeit und Kapital aufhebt, das Ergebnis einer Vereinbarung sein, die auf dem Verhältnis der Summe der Produktivkräfte zu der Summe der vorhandenen Bedürfnisse beruht.

Aber eine solche Vereinbarung ist die Verurteilung des individuellen Austausches, und somit sind wir wiederum bei unserem obigen Resultat angelangt.

Im Prinzip gibt es keinen Austausch von Produkten, sondern einen Austausch von Arbeiten, die zur Produktion zusammenwirken. Die Art, wie die Produktivkräfte ausgetauscht werden, ist für die Art des Austausches der[104] Produkte maßgebend. Im allgemeinen entspricht die Art des Austausches der Produkte der Produktionsweise. Man ändere die letztere, und die Folge wird die Veränderung der ersteren sein. So sehen wir auch in der Geschichte der Gesellschaft die Art des Austausches der Produkte sich nach dem Modus ihrer Herstellung regeln. So entspricht auch der individuelle Austausch einer bestimmten Produktionsweise, welche selbst wieder dem Klassengegensatz entspricht; somit kein individueller Austausch ohne Klassengegensatz.

Aber das Biedermannsgewissen verschließt sich dieser evidenten Tatsache. Solange man Bourgeois ist, kann man nicht umhin, in diesem Gegensatz einen Zustand der Harmonie und ewigen Gerechtigkeit zu erblicken, der niemandem erlaubt, sich auf Kosten des anderen Geltung zu verschaffen. Für den Bourgeois kann der individuelle Austausch ohne Klassengegensatz fortbestehen: Für ihn sind dies zwei ganz unzusammenhängende Dinge. Der individuelle Austausch, wie ihn sich der Bourgeois vorstellt, gleicht durchaus nicht dem individuellen Austausch, wie er wirklich vorgeht.

Herr Bray erhebt die Illusion des biedern Bürgers zum Ideal, das er verwirklichen möchte. Dadurch, daß er den individuellen Austausch reinigt, daß er ihn von allen widerspruchsvollen Elementen, die er in ihm findet, befreit, glaubt er, ein »egalitäres« Verhältnis zu finden, das man in die Gesellschaft einführen müßte.

Herr Bray ahnt nicht, daß dieses egalitäre Verhältnis, dieses Verbesserungsideal, welches er in die Welt einführen will, selbst nichts anderes ist als der Reflex der gegenwärtigen Welt und daß es infolgedessen total unmöglich ist, die Gesellschaft auf einer Basis rekonstituieren zu wollen, die selbst nur der verschönerte Schatten dieser Gesellschaft ist. In dem Maße, wie der Schatten Gestalt annimmt, bemerkt man, daß diese Gestalt, weit entfernt, ihre erträumte Verklärung zu sein, just die gegenwärtige Gestalt der Gesellschaft ist.4[105]

2

Ricardo bestimmt bekanntlich den Wert einer Ware durch die »Menge der Arbeit, die zu ihrer Erlangung erforderlich ist« [Ricardo, a. a. O., I, S. 4]. Die in jeder auf Warenproduktion beruhenden Produktionsweise, also auch in der kapitalistischen, herrschende Austauschform bringt es aber mit sich, daß dieser Wert nicht direkt in Mengen von Arbeit ausgedrückt wird, sondern in Mengen einer anderen Ware. Der Wert einer Ware, ausgedrückt in einem Quantum einer anderen Ware (Geld oder nicht), heißt bei Ricardo ihr relativer Wert. F. E.

3

Der Satz, daß der »natürliche«, d.h. normale Preis der Arbeitskraft zusammenfällt mit dem Minimum des Lohnes, d.h. mit dem Wertäquivalent der zum Leben und zur Fortpflanzung des Arbeiters absolut notwendigen Lebensmittel – dieser Satz wurde zuerst von mir aufgestellt in den »Umrissen zu einer Kritik der Nationalökonomie« (»Deutsch-Französische Jahrbücher«, Paris 1844) und in der »Lage der arbeitenden Klasse in England«. Wie man hier sieht, hatte Marx diesen Satz damals akzeptiert. Von uns beiden hat Lassalle ihn übernommen. Wenn aber auch in der Wirklichkeit der Arbeitslohn die beständige Tendenz hat, sich seinem Minimum zu nähern, so ist der obige Satz dennoch falsch. Die Tatsache, daß die Arbeitskraft in der Regel und im Durchschnitt unter ihrem Wert bezahlt wird, kann ihren Wert nicht ändern. Im »Kapital« hat Marx sowohl den obigen Satz richtiggestellt (Abschnitt: »Kauf und Verkauf der Arbeitskraft«) wie auch (Kap. XXIII, »Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation«) die Umstände entwickelt, welche der kapitalistischen Produktion erlauben, den Preis der Arbeitskraft mehr und mehr unter ihren Wert zu drücken. F. E.

4

Wie jede andere Theorie hat auch die des Herrn Bray ihre Anhänger gefunden, die sich durch den Schein haben täuschen lassen. Man hat in London, in Sheffield, in Leeds, in vielen anderen Städten Englands Equitable Labour-Exchange-Bazaars gegründet, die nach Absorbierung beträchtlicher Kapitalien sämtlich skandalösen Bankerott gemacht haben. Man hat den Geschmack daran für immer verloren: Warnung für Herrn Proudhon! [Anmerkung von Marx.]

(Man weiß, daß Proudhon sich diese Warnung nicht zu Herzen genommen hat. Im Jahre 1849 versuchte er selbst eine neue Tauschbank in Paris. Sie scheiterte aber schon, ehe sie ordentlich in Gang gekommen war; eine gerichtliche Verfolgung Proudhons mußte zur Deckung ihres Zusammenbruchs vorhalten. F. E.)

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1959, Band 4, S. 77-106.
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