Fünftes Capitel.

Das allgemeine Causalgesetz.

[382] §. 1. Die Naturerscheinungen stehen in einem doppelten Verhältniss zu einander: in dem Verhältniss der Gleichzeitigkeit und dem der Folge. Eine jede Naturerscheinung wird in einer gleichförmigen Weise auf Erscheinungen, die mit ihr bestehen, und auf andere, welche ihr vorhergegangen sind, bezogen.

Von den Gleichförmigkeiten unter den gleichzeitigen Naturerscheinungen sind in jeder Beziehung die Gesetze der Zahlen die wichtigsten; nach ihnen sind es die Gesetze des Raumes, oder mit anderen Worten, der Ausdehnung und der Gestalt. Die Gesetze der Zahlen sind gleichzeitigen und auf einander folgenden Erscheinungen gemeinschaftlich. Dass Zwei und Zwei Vier geben, ist wahr, ob das zweite Zwei das erste begleite, oder ob es ihm folge; es ist ebenso wahr von Tagen und Jahren, als von Fussen und Zollen. Die Gesetze der Ausdehnung und Gestalt, oder mit anderen Worten, die Lehrsätze der Geometrie von den niedrigsten bis zu ihren höchsten Zweigen, sind im Gegentheil nur Gesetze der Gleichzeitigkeit von Erscheinungen. Die verschiedenen Theile des Raumes und der Gegenstände, welche ihn, wie man sagt, aus fallen, sind zugleich (coexistiren), und die unveränderlichen Gesetze, welche der Gegenstand der Geometrie sind, sind ein Ausdruck von der Art ihres Zugleichseins. Es ist dies eine Classe von Gesetzen oder Gleichförmigkeiten, für deren Verständniss und Beweis man nicht nöthig hat, irgend einen Zeitverlauf, irgend eine Verschiedenheit von auf einanderfolgenden Thatsachen oder Ereignisse anzunehmen. Wenn alle Dinge von Ewigkeit an unwandelbar festgesetzt gewesen wären, so würden die geometrischen Lehrsätze dennoch für sie wahr sein. Alle Dinge, welche Ausdehnung besitzen, oder mit[382] anderen Worten, einen Raum ausfüllen, sind geometrischen Gesetzen unterworfen. Wenn sie Ausdehnung besitzen, so besitzen sie auch Gestalt; wenn sie Gestalt besitzen, so besitzen sie eine besondere Gestalt und damit alle Eigenschaften, welche die Geometrie dieser Gestalt anweist. Wenn ein Körper eine Kugel, und ein anderer ein Cylinder von gleicher Höhe und Durchmesser ist, so wird der erstere genau zwei Drittel des andern sein, gleichgültig von welcher Natur und Eigenschaft das Material sei. Es muss ferner jeder Körper oder ein jeder Punkt eines Körpers einen Raum oder eine Lage unter anderen Körpern einnehmen, und die relative Lage zweier Körper zu einander kann untrüglich aus der relativen Lage eines jeden derselben zu einem dritten Körper geschlossen werden von welcher Natur die Körper auch sein mögen.

In den Gesetzen der Zahlen und des Raums erkennen wir also in unzweifelhafter Weise die strengen Gleichförmigkeiten, welche wir suchen. Zu allen Zeiten waren diese Gesetze das Bild der Gewissheit, das vergleichende Maass für die niedrigeren Grade von Beweis. Ihre Unveränderlichkeit ist so vollkommen, dass wir nicht einmal fähig sind, eine Ausnahme davon zu begreifen; so vollkommen, dass sich Philosophen zu dem Irrthum verleiten liessen, ihre Zuverlässigkeit als nicht in der Erfahrung, sondern als in der ursprünglichen Beschaffenheit des menschlichen Geistes liegend, w betrachten. Wenn wir also im Stande sind, von den Gesetzen des Raums und der Zahlen Gleichförmigkeiten von irgend einer andern Art abzuleiten, so wäre dies für uns ein gültiger Beweis, dass diese anderen Gleichförmigkeiten denselben Grad von strenger Gewissheit besitzen. Dies können wir aber nicht. Von den Gesetzen des Raumes und der Zahlen allein können nur Gesetze von Raum und Zahlen abgeleitet werden.

Von allen auf Naturerscheinungen sich beziehenden Wahrheiten sind diejenigen, welche sich auf die Ordnung in deren Folge (Succession) beziehen, für uns die werthvollsten. Auf die Kenntniss derselben ist jede vernünftige Anticipation der künftigen Dinge, und eine jede Macht, auf diese Dinge einen Einfluss zu unserm Vortheil zu üben, gegründet. Sogar die geometrischen Gesetze sind hauptsächlich deshalb von praktischer Wichtigkeit für uns, weil sie einen Theil der Prämissen ausmachen, aus welchen die Ordnung in der Folgereihe der Naturerscheinungen gefolgert werden kann. Da die[383] Bewegung der Körper, die Wirkung von Kräften und die Fortpflanzung von Einflüssen aller Art in gewissen Linien und in einem bestimmten Raume stattfinden, so sind die Eigenschaften dieser Linien und des Raumes wichtige Theile der Gesetze, denen jene Naturerscheinungen selbst unterworfen sind. Ueberdies sind Bewegungen, Kräfte, Einflüsse und Zeiten zählbare Dinge, und die Eigenschaften der Zahlen sind so gut auf sie, wie auf andere Dinge, anwendbar. Aber obgleich die Gesetze der Zahlen und des Raums wichtige Elemente bei der Erforschung von Gleichförmigkeiten der Folge (des Aufeinanderfolgens) sind, so können sie für sich allein hierzu nichts nützen. Sie können nur dann zu diesem Zwecke dienen, wenn wir sie mit anderen Prämissen, welche schon bekannte Gleichförmigkeiten der Folge ausdrücken, verbinden. Nehmen wir z.B. als Prämisse die Sätze, dass Körper, auf welche eine momentane Kraft wirkt, sich mit gleichförmiger Geschwindigkeit in einer geraden Linie bewegen; dass Körper, auf welche eine constante Kraft wirkt, sich mit beschleunigter Geschwindigkeit in einer geraden Linie bewegen; und dass Körper, auf welche zwei Kräfte in verschiedenen Richtungen wirken, sich in der Diagonale eines Parallelogramms bewegen, dessen Seiten die Richtungen und Grösse dieser Kräfte repräsentiren: so können wir, indem wir diese Wahrheiten mit Sätzen, welche sich auf die Eigenschaften der geraden Linien und der Parallelogramme beziehen (wie dass das Dreieck die Hälfte eines Parallelogramms von gleicher Grundlinie und Höhe ist), eine andere wichtige Gleichförmigkeit der Folge anleiten, die nämlich, dass ein Körper, welcher sich um einen Kräftemittelpunkt bewegt, Flächen beschreibt, die den Zeiten proportional sind. Hätten indessen die Prämissen nicht Gesetze der Folge enthalten, so hätte unser Schluss keine Wahrheiten der Folge enthalten können. Eine ähnliche Bemerkung kann auf eine jede andere Classe von wirklich eigenthümlichen Naturerscheinungen ausgedehnt werden, und würde, wenn man sie beachtet hätte, viele chimärische Versuche, das Unbeweisbare zu beweisen und das Unerklärliche zu erklären, verhindert haben.

Es ist uns also nicht genug, dass die Gesetze des Raumes, reiche nur Gesetze der gleichzeitigen Phänomene, und die Gesetze der Zahlen, die, obgleich wahr für auf einander folgende Erscheinungen, sich nicht auf deren Folgereihe beziehen, jene strenge[384] Gewissheit und Allgemeinheit besitzen, welche wir suchen. Wir müssen suchen, ein Gesetz der Folge zu finden, welches gerade diese Attribute besitzt und daher geeignet ist, das Fundament von Processen abzugeben, um alle anderen Gleichförmigkeiten der Folge zu entdecken und zu prüfen. Dieses Grundgesetz muss den Wahrheiten der Geometrie in ihrer bemerkenswerthesten Eigenthümlichkeit, in der nämlich, niemals in irgend einem Falle durch irgend einen Wechsel von Umständen aufgehoben oder unterbrochen zu werden, gleichen.

Unter allen jenen Gleichförmigkeiten der Succession von Naturerscheinungen, welche die gewöhnliche Beobachtung nachweist, giebt es nur sehr wenige, welche, wenn auch nur scheinbar, einen Anspruch auf diese strenge Unverbrüchlichkeit machen könnten; und von diesen wenigen hat nur ein einziges diesen Anspruch behaupten können. In diesem einen erkennen wir indessen ein Gesetz, das noch in einem andern Sinne allgemein ist; es hat den Umfang des ganzen Gebietes der aufeinanderfolgenden Naturerscheinungen, alle Beispiele der Folge sind Fälle desselben. Dieses Gesetz ist das Causalgesetz. Es ist eine ebensoweit reichende Wahrheit als die menschliche Erfahrung, dass jedes Ding, das einen Anfang, auch eine Ursache hat.

Diese Generalisation mag Manchem unbedeutend scheinen, da sie im Grunde nur behauptet: »es ist ein Gesetz, dass jedes Ereigniss von einem Gesetz abhängig ist,« »es ist ein Gesetz, dass es ein Gesetz für Alles giebt.« Wir dürfen indessen nicht schliessen, dass die Allgemeinheit dieses Grundsatzes bloss wörtlich sei; es wird sich bei der Prüfung desselben finden, dass es keine vage, nichtssagende Behauptung, sondern dass eine höchst wichtige und wirklich fundamentale Wahrheit ist.

§. 2. Da der Begriff der Ursache die Wurzel der ganzen Theorie der Induction ist, so ist es unumgänglich nöthig, dass derselbe gleich im Anfang unserer Untersuchung, und mit dem möglichsten Grad von Genauigkeit festgestellt werde. Wenn es zum Zweck einer inductiven Logik nöthig wäre, dass der Streit, welcher unter den verschiedenen Schulen von Metaphysikern über den Ursprung und die Analyse unserer Ideen von einer Verursachung so lange gewüthet hat, unterdrückt wurde, so dürfte für eine lange[385] Zeit hinaus die Veröffentlichung einer wahren Theorie der Induction als ein verzweifeltes Unternehmen zu betrachten sein. Es braucht jedoch in dieser, wie in anderen Beziehungen, die Wissenschaft von der inductiven Erforschung der Wahrheit der Lehre von der Beschaffenheit oder Constitution des menschlichen Geistes keine Prämissen, mit Ausnahme solcher zu entlehnen, welche zuletzt, obgleich oft erst nach hartem Streit, sämmtlichen Systemen der Philosophie des Geistes einverleibt worden sind; am wenigsten aber solche, die als wesentlich unbrauchbar angesehen werden können.

Ich erwähne also vorläufig, dass, wenn ich im Verlauf unserer Untersuchung von der Ursache einer Naturerscheinung spreche, ich nicht eine Ursache meine, die nicht selbst eine Naturerscheinung ist, dass ich nicht die letzte oder ontologische Ursache der Dinge suche. Die Ursachen, um welche ich mich bekümmere, sind nicht urwirkende, sondern physikalische Ursachen. Nur in diesem Sinne kann man von einer physikalischen Thatsache sagen, dass sie die Ursache einer andern sei. Ich fühle mich nicht berufen, über die urwirkenden Ursachen (causae efficientes), oder deren Existenz eine Meinung abzugeben. Der Begriff von Ursache schliesst nach den gegenwärtig am meisten in Ruf stehenden metaphysischen Schulen ein geheimnissvolles, höchst wirksames Band in sich, wie es zwischen einer physikalischen Thatsache und einer andern physikalischen Thatsache, wovon sie eine unveränderliche Folge ist, und welche in populärer Sprache ihre Ursache heisst, nicht existiren kann, oder wenigstens nicht existirt. Man leitete hieraus die supponirte Nothwendigkeit ab, höher zu steigen, bis zu dem Wesen (der Essenz) und der inwohnenden Beschaffenheit der Dinge zu gelangen, die wahre Ursache zu finden, die Ursache nämlich, welcher die Wirkungen nicht allein folgen, sondern welche die Wirkungen wirklich erzeugt. Zu dem Zweck der gegenwärtigen Untersuchung besteht eine solche Nothwendigkeit nicht, und man wird in dem Folgenden vergeblich eine solche Lehre suchen. Der Begriff von Ursache, wie ihn die Theorie der Induction verlangt, ist einzig ein Begriff, der aus der Erfahrung gewonnen werden kann. Das Causalgesetz, dessen Erkenntniss der Grundpfeiler der inductiven Philosophie ist, besteht bloss in der allbekannten Wahrheit, dass, unabhängig von einer jeden Betrachtung bezüglich der letzten Erzeugungsweise von Naturerscheinungen[386] und von jeder Frage nach den »Dingen an sich«, die Beobachtung eine Unveränderlichkeit der Succession zwischen einer Thatsache in der Natur und einer andern, die ihr vorhergegangen ist, nachweist.

Zwischen den Naturerscheinungen, die in irgend einem Augenblick vorhanden sind, und den Erscheinungen in dem folgenden Augenblick besteht also eine unveränderliche Ordnung der Folge, und wie wir es bei der Betrachtung der Gleichförmigkeit in dem Gange der Natur aussprachen: das Gewebe ist aus einzelnen Fäden zusammengesetzt; diese collective Ordnung ist also durch die zwischen den einzelnen Theilen unveränderlich bestehenden Folgen hervorgebracht. Gewissen Thatsachen folgen gewisse Thatsachen, und werden ihnen, wie wir glauben, immer folgen. Die unveränderlich vorhergehende Thatsache wird die Ursache, die unveränderlich folgende die Wirkung genannt, und die Allgemeinheit des Causalgesetzes besteht darin, dass eine jede folgende auf irgend eine Weise mit einer vorhergehenden oder mit einer Reihe von vorhergehenden Thatsachen verknüpft ist. Die Thatsache sei wie sie wolle, wenn sie angefangen hat zu existiren, so war ihr eine Thatsache oder Thatsachen vorausgegangen, mit denen sie unveränderlich verknüpft ist. Für einen jeden Vorgang (ein jedes Ereigniss) besteht also eine Combination von Dingen oder Vorgängen, ein gegebenes Zusammenwirken von positiven und negativen Umständen, die, wenn sie eintreten, jene Erscheinung zur Folge haben. Wir haben noch nicht ausfindig gemacht, welches dieses Zusammenwirken von Umständen sein kann; wir zweifeln jedoch nicht, dass es ein solches giebt, und dass es, wenn es eintritt, immer das fragliche Phänomen als Wirkung oder Folge habe. Von der Allgemeinheit dieser Wahrheit hängt die Möglichkeit ab, das inductive Verfahren auf Regeln zurückzuführen. Es wird sich nun zeigen dass die unzweifelhafte Gewissheit, welche wir haben, dass ein Gesetz gefunden werden kann, wenn wir nur wüssten, wie es zu finden ist, die Quelle ist, aus welcher die Regeln der inductiven Logik ihre Gültigkeit schöpfen.

§. 3. Wenn überhaupt je, so besteht diese unveränderliche Folge nur selten zwischen einer folgenden und einer einzigen vorhergehenden Naturerscheinung, zwischen einem einzelnen Antecedens[387] und einem Consequens, aber gewöhnlich zwischen einer folgenden und einer Summe von verschiedenen vorhergehenden Erscheinungen, deren aller Zusammenwirken nöthig ist, um die folgenden Erscheinungen hervorzubringen, d.h. damit sie ihnen gewiss folgen. In solchen Fällen ist es sehr gewöhnlich, dass man ein einzelnes von den Antecedentien unter der Benennung Ursache absondert, indem man die anderen bloss Bedingungen nennt. Wenn Jemand von einer Speise isst und davon stirbt, d.h. wenn er nicht gestorben wäre im Falle er nicht davon gegessen hätte, so sagt man gewöhnlich, dass der Genuas dieser Speise die Ursache seines Todes war. Es ist indessen nicht nothwendig, dass zwischen dem Genuss der Speise und dem Tode ein unveränderlicher Zusammenhang stattfinde; aber gewiss besteht unter den Umständen, welche stattfanden, irgend eine Combination, deren unveränderliche Folge der Tod ist, wie z.B. der Act des Genusses der Speise verbunden mit der besondern körperlichen Constitution, mit einem besondern Zustand der Gesundheit, und vielleicht sogar der Atmosphäre. Das Ganze dieser Umstände machte in diesem besondern Falle die Bedingungen des Phänomens, oder mit anderen Worten die Reihe von Antecedentien aus, welche dasselbe hervorriefen und ohne welche es nicht stattgefunden hätte. Die wahre Ursache ist das Ganze dieser Antecedentien und philosophisch gesprochen haben wir kein Recht, den Namen Ursache einer einzigen von ihnen ausschliesslich der andern zu geben. Die Ungenauigkeit dieses Ausdrucks wird in dem supponirten Falle dadurch verdeckt, dass die verschiedenen Bedingungen, mit Ausnahme der einzigen des Genusses der Speise, nicht Vorgänge (d.h. augenblickliche Veränderungen oder Aufeinanderfolgen solcher Veränderungen), sondern Zustände waren, die: mehr oder weniger Dauer hatten, und welche deshalb der Wirkung eine unbestimmte Zeitdauer vorhergegangen sein konnten indem der Vorgang fehlte, welcher zur Vervollständigung des erforderlichen Zusammenwirkens von Bedingungen nöthig war. Sobald dieser Vorgang, der Genuss der Speise, Statt fand, fehlte keine Ursache mehr, die Wirkung trat sogleich ein, und hieraus entsteht der Schein, als bestehe zwischen der Wirkung und diesem einen Antecedens ein unmittelbarerer und engerer Zusammenhang, als zwischen der Wirkung und den übrigen Bedingungen. Aber[388] obgleich wir es für geeignet halten mögen, der Bedingung, deren Erfüllung die Wirkung ohne Verzug hervorbrachte, den Namen Ursache beizulegen, so steht sie doch in keiner engeren Beziehung zur Wirkung, als die anderen; um die Wirkung hervorzubringen, mussten alle unmittelbar vorher existiren, aber sie brauchten nicht alle anzufangen zu existiren. Die Angabe der Ursache ist unvollständig, wenn wir nicht alle Bedingungen in irgend einer Form einführen. Es nimmt Jemand Quecksilber ein, geht aus und erkältet sich. Wir suchen vielleicht die Ursache seiner Erkältung darin, dass er sich der Luft ausgesetzt hat. Es ist indessen klar, dass das Einnehmen von Quecksilber eine nothwendige Bedingung seiner Erkältung gewesen sein kann, und obgleich es sich mit dem Sprachgebrauch verträgt, das sich der Luft Aussetzen die Ursache des Uebels zu nennen, so müssten wir in genauer Sprechweise sagen, dass das sich der Luft Aussetzen unter dem Einfluss des Quecksilbers die Ursache war.

Wenn wir bei dem Streben nach Genauigkeit nicht alle Bedingungen aufzählen, so geschieht dies, weil in den meisten Fällen einige, ohne dass sie ausgedrückt werden, als von selbst verstanden angesehen werden, oder weil sie für den Zweck, den man im Auge hat, ohne Nachtheil übergangen werden können. Wenn wir z.B. sagen, die Ursache des Todes eines Menschen war, dass sein Fuss ausglitt als er eine Leiter hinaufkletterte, so übergehen wir sein Gewicht als einen Umstand, den man nicht anzuführen braucht, obgleich er eine unerlässliche Bedingung der erfolgten Wirkung war. Wenn wir sagen, dass die Zustimmung der Krone zu einer Bill dieselbe zum Gesetz erhebt, so meinen wir, dass diese Zustimmung, die sie niemals gegeben wird, ehe alle anderen Bedingungen erfüllt wurden, die Summe der Bedingungen ergänzt, obgleich sie Niemand als die Hauptbedingung ansieht. Wenn die Entscheidung einer gesetzgebenden Versammlung durch die entscheidende Stimme des Vorsitzenden bestimmt wird, so sagen wir häufig, dieses einzige Individuum sei die Ursache aller Wirkungen, welche aus der Verfügung entsprangen. Wir setzen jedoch hierbei nicht voraus, dass dieses einzelne Votum mehr zu dem Resultat beigetragen habe, als die Stimme eines Jeden, der im bejahenden Sinne stimmte; aber zu dem Zwecke, den wir im Auge haben, nämlich ihn mit der Verantwortlichkeit zu behaften, ist der[389] Antheil, den die Anderen an der Verhandlung nahmen, nicht von Wichtigkeit.

In allen diesen Fällen war die Thatsache, welcher wir den Namen Ursache ertheilten, die eine Bedingung, welche zuletzt ins Leben trat. Man darf jedoch nicht voraussetzen, dass bei dem Gebrauche dieses Wortes diese oder irgend eine andere Regel immer befolgt wird. Nichts kann besser die Abwesenheit eines jeden wissenschaftlichen Grundes in der Unterscheidung zwischen einer Naturerscheinung und ihren Bedingungen zeigen, als die seltsame Weise, in der wir unter den Bedingungen diejenigen wählen, welche es uns beliebt Ursache zu nennen. Wie zahlreich auch die Bedingungen sein mögen, so werden wir zu unserm jedesmaligen Zweck immer eine darunter finden, der wir diesen nominellen Vorzug ertheilen können. Es ergiebt sich dies aus der Betrachtung einer der gewöhnlichsten Erscheinungen; z.B. ein Stein, der ins Wasser geworfen wird, sinkt auf den Grund. Welches sind die Bedingungen dieser Erscheinung? Zuerst muss ein Stein und Wasser vorhanden sein, und der Stein muss ins Wasser geworfen werden; aber diese Voraussetzungen bilden einen Theil der Benennung der Erscheinung selbst, und es wäre eine Tautologie, wenn man sie in die Bedingungen einschliessen wollte; auch hat diese Classe von Bedingungen den Namen Ursache nur von einigen Scholastikern, welche sie die materielle Ursache (causa materialis) nannten erhalten. Die nächste Bedingung ist, es muss eine Erde da sein, und demgemäss sagt man häufig, dass der Fall des Steins durch die Erde verursacht wird, oder durch eine Macht oder Eigenschaft der Erde, oder eine von ihr ausgeübte Kraft, was alles nur eine weitläufige Art ist zu sagen, er werde durch die Erde verursacht; oder endlich man sagt, er sei durch die Anziehung der Erde verursacht, was nur wieder eine technische Art zu sagen ist, dass die Erde die Bewegung verursacht, mit der neuen Eigenthümlichkeit, dass die Bewegung nach der Erde stattfindet, was nicht ein Charakter der Ursache, sondern der Wirkung ist. Es ist nun, um zu einer andern Bedingung überzugehen, nicht genug, dass die Erde da sei, der Körper muss auch in einer Entfernung von ihr stehen, dass die Anziehung der Erde die eines jeden andern Körper überwiegt. Wir könnten also demgemäss sagen, und der Ausdruck wäre unläugbar richtig, dass die Ursache des Fallens[390] des Steines darin lag, dass er sich in der Sphäre der Anziehung der Erde befand. Wenden wir uns zu einer weitern Bedingung. Der Stein wird ins Wasser gesenkt; wenn er den Grund erreichen soll, so muss sein specifisches Gewicht das der umgebenden Flüssigkeit übersteigen. Danach würde man sich ganz richtig ausdrücken, wenn man sagte, dass das grössere specifische Gewicht des Steines die Ursache seines Sinkens war.

Wir sehen also, dass man der Reihe nach eine jede von den Bedingungen des Phänomens einzeln nehmen, und sie gleich richtig in gewöhnlicher, aber ungleich richtig in der wissenschaftlichen Sprache als die ganze Ursache bezeichnen könnte. Im Leben nennt man gewöhnlich diejenige Bedingung Ursache, deren Antheil an dem Gegenstande oberflächlich am ersichtlichsten ist, und auf dessen Unentbehrlichkeit zur Hervorbringung der Wirkung wir gerade im Augenblick bestehen. Die Gewalt der letztern Betrachtung ist so gross, dass sie uns oft verleitet, einer negativen Bedingung den Namen Ursache zu geben. Wir sagen z.B., die Ursache, dass die Armee überfallen wurde, war, dass die Schildwache sich von ihren Posten entfernt hatte. Aber wie konnte diese Abwesenheit die Ursache des Ueberfalls sein, da sie weder die Feinde schuf, noch die Soldaten in Schlaf versetzte? Was wirklich damit gemeint ist, ist, dass das Ereigniss nicht würde stattgefunden haben, wenn sie ihre Schuldigkeit gethan hätte. Ihre Abwesenheit vom Posten war keine erzeugende, sondern die Abwesenheit einer verhindernden Ursache; sie war einfach ein Aequivalent seiner Nicht-Existenz. Aus nichts, aus einer blossen Negation kann keine Folge entstehen. Alle Wirkungen sind durch das Causalgesetz mit einer Reihe von positiven Bedingungen verknüpft, obgleich negative fast immer ebenfalls erforderlich sind. Mit anderen Worten: eine jede Thatsache oder Naturerscheinung, welche einen Anfang hat, entsteht beständig wenn eine gewisse Combination von positiven Thatsachen existirt, und gewisse andere positive Thatsachen nicht existiren.

Es besteht ohne Zweifel die Neigung – wie unser erstes Beispiel, dass der Tod die Folge des Genusses einer besondern Speise war, hinreichend zeigt – die Idee der Ursache eher an das zunächst vorhergehende Ereigniss, als an einen der vorhergehenden Zustände oder permanente Thatsachen, welche ebenfalls Bedingungen[391] der Erscheinung sein können, zu knüpfen; die Ursache lieft aber darin, dass das Ereigniss nicht bloss existirt, sondern dass es auch unmittelbar vorher anfängt zu existiren, während die anderen Bedingungen eine unbestimmte Zeit vorher vorhanden gewesen sein können. Diese Neigung zeigt sich sehr sichtlich in den verschiedenen logischen Fictionen, zu denen sogar Philosophen ihre Zuflucht zur Vermeidung der Nothwendigkeit nehmen, etwas was eine unbestimmte Zeit vor der Wirkung existirte, den Namen Ursache zu geben. Ehe sie sagen, die Erde verursache den Fall der Körper, schreiben sie ihn einer von ihr ausgeübten Kraft, einer Anziehung derselben zu; es sind dies Abstractionen, welche sie sich als bei jeder Anstrengung erschöpft, und daher jeden folgenden Augenblick eine neue, mit der Wirkung gleichzeitige, oder ihr unmittelbar vorhergehende Thatsache constituirend, vorstellen können. Insofern das Eintreffen des Umstandes, welcher die Summe der Bedingungen ergänzt, eine Veränderung oder ein Ereigniss ist, so trifft es sich, dass ein Ereigniss immer das mit der folgenden Erscheinung im engsten, sichtbaren Zusammenhang stehende Antecedens ist, und dies mag die Illusion erklären, welche uns veranlasst, das nächste Ereigniss eher als die vorhergehenden Zustände als Ursache zu be trachten. Aber auch die Eigenthümlichkeit, der Wirkung näher zu sein als die anderen Bedingungen, ist, wie wir bereits gesehen haben, für den gewöhnlichen Begriff von Ursache nicht nöthig, da im Gegentheil eine jede positive oder negative Bedingung damit übereinstimmen kann.82[392]

Wissenschaftlich gesprochen, besteht also die Ursache aus der ganzen Summe der positiven und negativen Bedingungen, aus dem[393] Ganzen von Ereignissen jeder Art, denen die Wirkung unveränderlich folgt, wenn sie realisirt werden. Die negativen Bedingungen[394] eines Phänomens, deren specielle Aufzählung im allgemeinen sehr weitläufig sein würde, können indessen der Kürze wegen als die Abwesenheit entgegenwirkender oder verhindernder Ursachen bezeichnet werden. Die Anwendbarkeit dieses Ausdrucks ist hauptsächlich auf die Thatsache gegründet, dass die Wirkungen einer Ursache, welche einer andern Ursache entgegenwirkt, in den meisten Fällen mit streng wissenschaftlicher Genauigkeit als eine blosse Ausdehnung ihrer eigenen und besonderen Wirkungen betrachtet werden können. Wenn die Schwerkraft die Bewegung eines aufwärts geworfenen Körpers verzögert und seine Bahn in eine Parabel verwandelt, so bringt sie dabei dieselbe Art und sogar dieselbe Quantität von Wirkung hervor, als wenn sie den Fall eines Körpers bewirkt, der seiner Unterlage beraubt ist. Wenn eine alkalische Lösung mit einer Säure vermischt deren saure Eigenschaft aufhebt und sie verhindert, blaue Pflanzenfarben roth zu färben, so geschieht dies, weil die specifische Wirkung des Alkali ist, sich mit der Säure zu verbinden, und einen zusammengesetzten Körper von ganz anderen Eigenschaften zu bilden. Diese Eigenschaft von Ursachen einer jeden Art, die Wirkungen anderer Ursachen vermöge derselben Gesetze, wonach sie ihre eigenen Wirkungen hervorbringen, zu verhindern,83 setzt uns,[395] nachdem wir das Axiom aufgestellt haben, dass sich alle Ursachen in ihren Wirkungen entgegenwirken können, in den Stand, die Betrachtung von negativen Bedingungen ganz zu umgehen, und den Begriff von Ursache auf die Summe der positiven Bedingungen eines Phänomens zu beschränken, indem eine negative Bedingung (die Abwesenheit entgegenwirkender Ursachen nämlich) hierbei als verstanden und in allen Fällen mit der Summe der positiven Bedingungen hinreichend ist, um die ganze Reihe von Umständen zusammenzusetzen, wovon die Naturerscheinung abhängt.

§. 4. Wie wir gesehen haben, giebt es unter den positiven Bedingungen solche, denen in gewöhnlicher Sprechweise der Name Ursache eher und häufiger gegeben wird, während er anderen unter gewöhnlichen Umständen versagt wird. In den meisten Fällen, in denen eine Ursache wirkt, unterscheidet man gewöhnlich zwischen einem Dinge, das wirkt, und einem andern Dinge, auf das gewirkt wird, zwischen einem Agens und einem Patiens. Man wird allgemein zugeben, dass beide Bedingungen des Phänomens sind, aber man wird es für absurd erklären, das letztere die Ursache zu nennen, da dieser Name dem ersteren vorbehalten ist. Bei näherer Prüfung verschwindet indessen diese Unterscheidung, oder erscheint vielmehr als eine bloss verbale, als der Zufälligkeit eines blossen Ausdrucks entspringend, dem nämlich, dass der Gegenstand, von dem man sagt, es werde auf ihn gewirkt, und welcher als die Scene betrachtet wird, auf welcher die Wirkung vor sich geht, gewöhnlich in dem Ausdruck, in welchem man von der Wirkung spricht, einbegriffen ist, so dass wenn man ihn als einen Theil der Ursache rechnen wollte, die scheinbare Ungereimtheit durch die Voraussetzung entstände, er verursache sich selbst. In dem bereits gebrauchten Beispiele von dem Falle der Körper war die Frage so[396] gestellt: – Welches ist die Ursache, die einen Stein fallen macht? Wenn die Antwort gewesen wäre »der Stein selbst«, so würde der Ausdruck in scheinbarem Widerspruche mit der Bedeutung des Wortes Ursache gewesen sein. Der Stein wird daher als das Patiens und die Erde (oder zufolge einem gewöhnlichen und sehr unphilosophischen Gebrauch, irgend eine verborgene Eigenschaft der Erde) als das Agens oder die Ursache dargestellt. Dass aber die Unterscheidung keine fundamentale ist, geht daraus hervor, dass wenn wir die Frage nur in anderen Worten in folgender Art ausdrücken: – welches ist die Ursache, welche eine senkrechte Bewegung nach der Erde bewirkt? wir nun ohne Ungereimtheit von dem Steine, oder einem andern schweren Körper als dem Agens, welches kraft seiner eigenen Gesetze und Eigenschaften die Bewegung nach der Erde beginnt, sprechen könnten; obgleich man, um die aufgestellte Lehre von der Unthätigkeit der Materie zu retten, vorzieht, die Wirkung einer verborgenen Eigenschaft zuzuschreiben und zu sagen, dass nicht der Stein, sondern das Gewicht des Steines oder seine Gravitation die Ursache ist.

Diejenigen, welche für eine radicale Unterscheidung zwischen Agens und Patiens stritten, stellten sich das Agens gewöhnlich als etwas vor, was einen Zustand oder eine Veränderung in dem Zustande eines, Patiens genannten, Gegenstandes verursacht. Ein wenig Ueberlegung wird aber zeigen, dass die von uns geübte Freiheit, von Naturerscheinungen als von Zuständen der verschiedenen daran theilnehmenden Gegenstände zu sprechen (ein Kunstgriff, der von einigen Philosophen, besonders aber von Brown als eine scheinbare Erklärung von Naturerscheinungen gebraucht wurde) einfach eine Art logische Fiction, und als eine unter verschiedenen Ausdrucksweisen manchmal nützlich ist, die aber niemals als die Angabe einer philosophischen Wahrheit betrachtet werden sollte. Sogar diejenigen Attribute eines Gegenstandes, von denen es scheint, als dürften sie mit dem grössten Recht als Zustände des Gegenstandes selbst betrachtet werden, wie seine sinnfälligen Eigenschaften, seine Farbe, Härte, Gestalt u. dgl., sind in Wirklichkeit Causalerscheinungen, in welchen die Substanz offenbar das Agens oder die bewirkende Ursache ist, während unsere Organe und die anderer empfindenden Wesen das Patiens sind. Was wir die Zustände der Gegenstände nennen, sind immer[397] Sequenzen, in die diese Gegenstände gemeinlich als Antecedentien oder Ursachen eintreten, und die Dinge sind nie thätiger als wenn sie jene Naturerscheinungen hervorbringen, bei welchen man von ihnen sagt, dass auf sie gewirkt wird. In dem Beispiel von dem auf die Erde fallenden Stein ist nach der Gravitationstheorie der Stern ebensogut ein Agens als die Erde, die nicht bloss den Stein anzieht, sondern auch von ihm angezogen wird. In dem Fall von einer in unseren Organen bewirkten Empfindung sind die Gesetze unserer Organisation, und sogar die unseres Verstandes, bei der Erzeugung der hervorgebrachten Wirkung ebenso direct thätig, als die Gesetze der äusseren Dinge. Obgleich wir Blausäure als die Ursache des Todes eines Menschen bezeichnen, so ist doch in der Kette von Wirkungen, die seiner empfindenden Existenz so schnell ein Ziel setzen, das Ganze der vitalen und organischen Eigenschaften des Patiens ebenso thätig wirksam, als das Gift. In dem Erziehungsprocess können wir den Lehrer das Agens und den Schüler das Material nennen, worauf gewirkt wird; aber in Wahrheit üben alle Thatsachen, welche in dem Geiste der Schüler präexistirten, entweder eine mitwirkende oder eine entgegenwirkende Wirkung in Beziehung auf die Bemühungen des Lehrers aus. Es ist nicht das Licht allein das Agens des Sehens, sondern das Licht, verbunden mit den thätigen Eigenschaften des Auges und des Gehirns und denjenigen der sichtbaren Gegenstände. Der Unterschied zwischen Agens und Patiens besteht nur den Worten nach; ein Patiens ist immer ein Agens und in einer grossen Anzahl von Naturerscheinungen in einem Grade, dass es sehr kräftig auf die Ursachen, welche auf es wirken, zurückwirkt, und sogar wenn dies nicht der Fall ist, trägt es in derselben Weise, wie irgend eine der anderen Bedingungen, zur Erzeugung der Wirkung bei, wovon es gewöhnlich nur als der Schauplatz betrachtet wird. Alle positiven Bedingungen eines Phänomens sind in gleicher Weise Agentien, sind gleich thätig, und ein Ausdruck der Ursache, der Anspruch auf Vollständigkeit macht, darf keine derselben ausschliessen, mit Ausnahme solcher, die bereits in den Worten, die zur Beschreibung der Wirkung dienen, inbegriffen sind, und beim Einbegreifen sogar dieser würde man sich einem bloss wörtlichen Widerspruche aussetzen.

[398] §. 5. Es bleibt nun noch auf eine Unterscheidung aufmerksam zu machen, welche sowohl für die Aufklärung des Begriffes von Ursache, als auch zur Beseitigung eines oft gemachten, sehr scheingültigen Einwurfs gegen den Gesichtspunkt, aus welchem wir den Gegenstand betrachtet haben, von der grössten Wichtigkeit ist.

Wenn wir die Ursache von Etwas (in dem einzigen Sinne, in dem die gegenwärtige Untersuchung mit Ursachen etwas zu schaffen hat) definiren als »das Antecedens, dem dies Etwas unveränderlich folgt«, so gebrauchen wir diesen Ausdruck nicht als genau synonym mit folgendem »das Antecedens, welchem es in unserer vergangenen Erfahrung beständig gefolgt ist«. Eine solche Auffassungsweise würde dem sehr plausiblen Einwurf ausgesetzt sein, den Reid ausgesprochen hat, dass nämlich nach dieser Lehre die Nacht die Ursache des Tages, und der Tag die Ursache der Nacht sein muss, indem seit dem Anfange der Welt diese Naturerscheinungen aufeinanderfolgten. Für unsern Gebrauch des Wortes Ursache ist es aber nothwendig, zu glauben, nicht allein, dass dem Antecedens das Consequens immer gefolgt ist, sondern auch, dass es so lange die gegenwärtige Beschaffenheit der Dinge84 dauert, ihm folgen wird; dies wäre aber von Tag und Nacht nicht richtig. Wir glauben nicht, dass der Tag der Nacht unter allen denkbaren Umständen folgen wird, sondern dass dies nur der Fall ist unter der Bedingung, dass die Sonne am Horizont aufgehe. Wenn die Sonne nicht mehr aufginge, was, so viel wir wissen, mit den allgemeinen Gesetzen der Materie nicht in Widerspruch steht, so würde oder könnte die Nacht ewig währen. Wenn von der andern Seite die Sonne über dem Horizont steht, wenn ihr Licht nicht erloschen, und zwischen ihr und uns kein dunkler Körper vorhanden ist, so glauben wir fest, dass wenn keine Veränderung in den Eigenschaften der Materie eintritt, diese Combination von Antecedentien von dem Consequens, dem Tage, begleitet sein wird; dass wenn diese Combination von Antecedentien ohne Ende verlängert werden[399] könnte, der Tag immer dauern würde, und dass wenn sie immer vorhanden gewesen wäre, es unabhängig von der Nacht als vorhergehender Bedingung, immer Tag gewesen sein würde. Wir nennen deshalb die Nacht nicht die Ursache, ja nicht einmal eine Bedingung des Tages. Die Existenz der Sonne (oder eines leuchtenden Körpers) und die Abwesenheit eines dunklen Mittels in gerader Richtung85 zwischen der Sonne und dem Theile der Erde, den wir bewohnen, sind die einzigen Bedingungen, und durch die Vereinigung derselben wird ohne Zuthun eines jeden überflüssigen Umstandes die Ursache zusammengesetzt. Dies ist es, was die Schriftsteller meinen, wenn sie sagen, dass der Begriff der Ursache die Idee der Nothwendigkeit einschliesst. Wenn dem Wort Nothwendigkeit irgend eine Bedeutung unleugbar zukommt, so ist es die der Unbedingtheit. Dass etwas nothwendig ist, dass etwas sein muss, heisst, dass etwas sein wird, welche Voraussetzungen wir auch in Beziehung auf alle anderen Dinge machen mögen. Die Folge von Tag und Nacht ist in diesem Sinne offenbar nicht nothwendig, sie ist bedingt durch das Zusammenwirken verschiedener Antecedentien. Das, was von einer gegebenen Folge begleitet ist, wann, und nur wann, irgend ein dritter Umstand ebenfalls existirt, ist nicht die Ursache, wenn auch niemals ein Fall vorgekommen ist, dass das Phänomen ohne es stattgefunden hätte.

Unveränderliche Sequenz ist daher nicht synonym mit Ursache wenn die Folge ausser unveränderlich nicht auch unbedingt ist. Es giebt Sequenzen, die in der vergangenen Erfahrung so gleichförmig sind, als nur irgend andere, und die wir doch nicht als Fälle von Verursachung, sondern als gewissermaassen zufällige Verbindungen (Conjunctionen) ansehen, wie in dem Falle von Tag und Nacht. Die eine könnte eine ganze Zeit hindurch existirt haben, und der andere darum nicht eher darauf gefolgt sein; er folgt nur wenn gewisse andere Antecedentien existiren, und wo diese existirten, da würde er in jedem Fall folgen. Niemand hat wahrscheinlich jemals die Nacht die Ursache des Tages genannt; so[400] frühe müssen die Menschen zu der sehr einleuchtenden Generalisation gelangt sein, dass der Zustand von allgemeiner Beleuchtung, den wir Tag nennen, auf die Gegenwart eines hinreichend leuchtenden Körpers folgt, ob nun Finsterniss vorausging oder nicht.

Wir können daher die Ursache einer Naturerscheinung definiren als das Antecedens, oder das Zusammenwirken von Antecedentien, worauf dieselbe unveränderlich und unbedingt folgt; oder wir nehmen die bequeme Modification der Bedeutung des Wortes Ursache an, wonach sie die Summe der positiven Bedingungen ohne die negativen ist; wir müssen dann statt »unbedingt« sagen: »keinen andern als negativen Bedingungen unterworfen«.

Da die Folge von Nacht und Tag unserer Erfahrung nach unveränderlich ist, so mag es manchem scheinen, dass wir in diesem Fall gerade so viel Grund haben, als die Erfahrung in irgend einem Fall nur geben kann, um die zwei Phänomene als Ursache und Wirkung anzuerkennen, und dass zu sagen, es wäre mehr nöthig – den Glauben zu verlangen, die Succession sei unbedingt, oder mit anderen Worten, sie würde bei allen Veränderungen von Umständen unveränderlich sein – in der Causalität ein Glaubenselement anerkennen heisst, das sich nicht von der Erfahrung ableitet.. Hierauf ist die Antwort: die Erfahrung selbst lehrt uns, dass die eine Gleichförmigkeit der Folge bedingt und die andere unbedingt ist. Wenn wir urtheilen, dass die Folge von Nacht und Tag eine abgeleitete Folge, eine derivative Sequenz ist, die von sonst etwas abhängt, so stützen wir uns auf Erfahrungsgründe. Es ist der Erfahrungsbeweis, der uns überzeugt, dass der Tag gleich gut existiren könnte, ohne von der Nacht gefolgt zu sein, und dass die Nacht ebenfalls bestehen könnte, ohne dass der Tag darauf folgte. Sagen, »dass dieser Glaube nicht durch die blosse Beobachtung der Sequenz in uns erzeugt wird,« heisst vergessen, dass wir bei klarem Himmel in vierundzwanzig Stunden zweimal ein Experimentum crucis haben, dass die Sonne die Ursache des Tages ist. Wir haben eine experimentelle Kenntniss von der Sonne, wodurch wir auf experimentelle Gründe hin gerechtfertigt sind, zu schliessen, dass wenn die Sonne immer über dem Horizont stehen, es Tag sein würde, obgleich es niemals Nacht war, und dass wenn die Sonne immer unterhalb des Horizonts[401] stehen, es Nacht sein würde wenn es auch nicht Tag gewesen wäre. Wir wissen so, dass die Succession von Tag und Nacht nicht unbedingt ist. Ich möchte noch hinzufügen, dass das Antecedens, welches nur bedingungsweise unveränderlich ist, nicht das unveränderliche Antecedens ist. Obgleich erfahrungsgemäss eine Thatsache immer auf eine andere gefolgt sein mag, im übrigen aber unsere Erfahrung uns lehrt, dass sie ihr vielleicht nicht immer folgen dürfte, oder wenn die Erfahrung selbst der Art ist, dass sie der Möglichkeit Raum lässt, es möchten die bekannten Fälle nicht genau alle möglichen Fälle vorstellen, so wird das soweit unveränderliche Antecedens nicht für die Ursache genommen; aber warum? Weil wir nicht gewiss sind, dass es das unveränderliche Antecedens ist.

Fälle von Sequenz wie die von Tag und Nacht widersprechen nicht allein nicht der Lehre, welche die Verursachung in unveränderliche Folge (Sequenz) auflöst, sondern sie sind nothwendig in dieser Lehre eingeschlossen. Es ist klar, dass aus einer unbestimmten Anzahl von unbedingten Folgen eine noch grössere Anzahl von bedingten hervorgehen wird. Wenn gewisse Ursachen, d.h. gewisse Antecedentien, welche unbedingt von gewissen Folgen begleitet sind, gegeben sind, so wird die blosse Coexistenz dieser Ursachen eine unbegrenzte Anzahl von neuen Gleichförmigkeiten hervorrufen. Wenn zwei Ursachen zugleich existiren, so werden die Wirkungen beider auch zu gleich existiren; und wenn viele Ursachen zusammen existiren, so werden diese Ursachen (durch das, was wir später die Vermischung ihrer Gesetze nennen werden) neue Wirkungen hervorrufen, welche sich einander begleiten, oder in einer besondern Ordnung aufeinanderfolgen, und diese Ordnung wird, so lange die Ursachen zusammen fortexistiren, unveränderlich sein, aber nicht länger. Die Bewegung der Erde um die Sonne in einer gegebenen Bahn ist eine Reihe von Veränderungen, die sich als Antecedentien und Folgen begleiten, und zwar so lange, als die Anziehung der Sonne und die Kraft, womit die Erde strebt, sich in einer geraden Linie zu bewegen, zusammen in demselben Grössenverhältnisse wie bisher fortdauern werden. Wird eine dieser Ursachen verändert, so wird die unveränderliche Reihenfolge von Bewegungen nicht mehr Statt haben. Die Reihe von Bewegungen der Erde, obgleich ein Fall von unveränderlicher[402] Folge innerhalb der Grenzen menschlicher Erfahrung, ist daher kein Fall von Verursachung, sie ist nicht unbedingt.

Diese Unterscheidung zwischen den Beziehungen der Reihenfolge, die soweit wir wissen unbedingt sind, und denjenigen Beziehungen sowohl der Succession als auch der Coexistenz, die wie die Bewegung der Erde oder die Folge von Tag und Nacht von der Existenz oder von der Coexistenz einer vorausgängi gen Thatsache abhängig sind, diese Unterscheidung entspricht der grossen, von Dr. Whewell und anderen Schriftstellern gemachten Eintheilung des wissenschaftlichen Gebiets in die Erforschung von sogenannten Gesetzen der Erscheinungen, und in die Erforschung von Ursachen; eine Phraseologie, die wie ich glaube, philosophisch nicht haltbar ist, insofern die Bestimmung von Ursachen, und zwar von Ursachen, wie sie menschliche Fähigkeiten bestimmen können, von Ursachen nämlich, die selbst Erscheinungen sind, bloss in der Bestimmung von anderen und allgemeineren Gesetzen der Erscheinungen bestehen kann. Es sei mir erlaubt, hier zu bemerken, dass Dr. Whewell und bis zu einem gewissen Grad sogar Sir John Herschel die Meinung jener Schriftsteller missverstanden haben, die wie Hr. Comte die Sphäre der wissenschaftlichen Erforschung der Gesetze der Erscheinungen beschränken, und die Erforschung von Ursachen eitel und nichtig nennen. Die Ursachen, welche Hr. Comte für unzugänglich erklärt, sind urwirkende Ursachen (causae efficientes). Die Erforschung physikalischer, im Gegensatz zu urwirkenden Ursachen (mit Einschluss des Studiums aller thätigen, als Thatsachen der Beobachtung betrachteten Kräfte in der Natur) bildet bei Hrn. Comte einen eben so wichtigen Theil von dem Begriff der Wissenschaft wie bei Hrn. Whewell. Sein Einwurf gegen das Wort Ursache ist bloss eine Sache der Nomenclatur, in der ich ihm als einer Sache der Nomenclatur gänzlich Unrecht geben muss. »Diejenigen,« bemerkt Hr. Bailey86 ganz richtig, »welche wie Herr Comte Anstand nehmen, Ereignisse oder Vorgänge als Ursachen zu bezeichnen, widersetzen sich ohne einen wirklichen Grund einer äusserst bequemen Generalisation, einem sehr nützlichen Gemeinnamen, dessen Gebrauch keine besondere Theorie einschliesst oder einzuschliessen braucht.« Man kann noch hinzufügen, dass Hr.[403] Comte durch Verwerfung dieser Ausdrucksweise ohne ein Wort bleibt, um eine Unterscheidung zu bezeichnen, welche, so unrichtig sie auch ausgedrückt wird, nicht bloss eine reale, sondern auch eine der fundamentalen Unterscheidungen in der Wissenschaft ist; wie wir später sehen werden, beruht auf ihr in der That allein die Möglichkeit, eine strenge Regel der Induction aufzustellen. Und da Dinge ohne Namen sehr leicht vergessen werden, so gehört eine solche Regel nicht zu den vielen Gewinnen, welche die Philosophie der Induction von Hrn. Comte gezogen hat.

§. 6. Steht die Ursache mit ihrer Wirkung immer im Verhältnisse von Antecedens und Folge? Sagen wir nicht oft von zwei gleichzeitigen Thatsachen, dass sie Ursache und Wirkung sind – wie wenn wir sagen, dass das Feuer Ursache der Wärme, die Sonne und Feuchtigkeit Ursache der Vegetation sind und dergleichen. Es ist gewiss, dass eine Ursache nicht nothwendig vergeht, weil ihre Wirkung hervorgebracht worden ist; beide bestehen daher gewöhnlich zusammen, und es giebt einige Erscheinungen, und einige gewöhnliche Ausdrücke, welche zu besagen scheinen, nicht allein dass die Ursachen gleichzeitig mit ihren Wirkungen vorhanden sein können, sondern auch dass sie damit gleichzeitig sein müssen. Cessante causa cessat effectus war ein Dogma der Schulen; die Nothwendigkeit der Fortdauer der Ursache für die Fortdauer der Wirkung scheint einst eine allgemeine Lehre der Philosophen gewesen zu sein. Die zahlreichen Versuche Kepler's, die Bewegung der Himmelskörper nach mechanischen Grundsätzen zu erklären, scheiterten dadurch, dass er immer voraussetzte, die Kraft, welche diese Körper in Bewegung setzte, müsse fortwirken, um die zuerst hervorgebrachte Bewegung zu unterhalten. Es gab jedoch zu allen Zeiten viele bekannte Beispiele, die in offenem Widerspruche mit diesem angenommenen Axiom waren. Ein Sonnenstich verursacht jemanden ein Fieber; wird das Fieber aufhören, wenn er aus der Sonne gebracht wird? Es wird Einer mit einem Degen durchbohrt; muss der Degen in seinem Leibe bleiben, damit er todt bleibe? Wenn eine Pflugschar einmal gemacht ist, so bleibt sie eine Pflugschar, wenn auch das Erhitzen und Hämmern nicht fortgesetzt wird, und sogar wenn der Mann, der sie gemacht hat, zu seinen Vätern versammelt worden ist.[404] Von der andern Seite muss der Druck, welcher das Quecksilber in eine luftleere Röhre treibt, fortdauern, um es in derselben zu erhalten. Dieses (kann man erwidern) geschieht, weil eine andere Kraft, die Schwerkraft, ohne Unterbrechung wirkt, und welche es in eine horizontale Fläche zurückbringen würde, wenn sie nicht von einer ebenfalls beständigen Kraft im Gleichgewicht gehalten würde. Ein enger Verband verursacht oft Schmerz, und dieser Schmerz hört manchmal auf wenn der Verband entfernt wird. Die Beleuchtung, welche die Sonne über die Erde verbreitet, hört auf wenn die Sonne untergeht.

Es ist daher ein Unterschied zu machen. Die Bedingungen, welche zur ersten Erzeugung einer Naturerscheinung nothwendig sind, sind manchmal zu ihrer Fortdauer nothwendig, aber gewöhnlich erfordert diese Fortdauer nur negative Bedingungen. Einmal hervorgebracht, dauern die meisten Dinge fort, bis sie durch etwas verändert oder vernichtet werden; manche aber verlangen die beständige Gegenwart der Agentien, welche sie zuerst hervorbrachten. Die Beleuchtung eines gegebenen Punktes des Raumes wurde demgemäss immer als eine augenblickliche Thatsache betrachtet, welche vergeht und fortwährend erneuert wird so lange die nothwendigen Bedingungen bestehen. Wenn wir diese Ausdrucksweise annehmen, so vermeiden wir die Nothwendigkeit der Annahme, dass die Fortdauer der Ursache zur Erhaltung der Wirkung nöthig sei. Wir können sagen, sie ist nicht erforderlich, um die Wirkung zu erhalten, sondern um sie zu reproduciren, oder auch einer Kraft, welche sie zu vernichten strebt, entgegenzuwirken. Dies mag eine bequeme Ausdrucksweise sein, aber es ist auch nichts als eine Ausdrucksweise. Die Thatsache, dass in manchen Fällen (obgleich in der Minderzahl) die Fortdauer der Bedingungen, welche eine Wirkung hervorbrachten, für die Fortdauer der Wirkung nothwendig ist, bleibt bestehen.

Was ferner die Frage betrifft, ob es streng nothwendig sei, dass die Ursache, oder die Vereinigung von Bedingungen der Erzeugung der Wirkung, wenn auch einen noch so kurzen Augenblick, vorausgehe (eine von Sir John Herschel angeregte und mit grossem Scharfsinn erörtete Frage. Essays S. 206 bis 208) so ist dies eine Untersuchung ohne Belang für unsern jetzigen Zweck. Gewiss giebt es Fälle, in denen die Wirkung so schnell folgt, dass wir[405] mit unseren Fähigkeiten die Zwischenzeit nicht bemerken können, und wenn eine Zwischenzeit besteht, so können wir nicht sagen, durch welche, für uns nicht wahrnehmbaren, Zwischenglieder dieselbe wirklich ausgefüllt wird. Aber auch zugegeben, eine Wirkung entstehe gleichzeitig mit ihrer Ursache, so wird die Ansicht, welche ich von der Verursachung habe, in keiner Weise dadurch praktisch berührt. Ob die Ursache und ihre Wirkung nothwendig nach einander folgen oder nicht, der Beginn eines Phänomens ist es, der eine Ursache einschliesst, und Verursachung ist das Gesetz der Succession der Erscheinungen.

Dies sind die Axiome unserer Lehre; wenn sie zugestanden werden, so können wir, obgleich ich die Notwendigkeit nicht einsehe, die auf Ursache und Wirkung angewandten Worte Antecedens und Consequens fallen lassen. Ich habe der Definition, die Ursache sei eine Vereinigung von Naturerscheinungen, in deren Zusammenwirken eine andere Naturerscheinung ihren Anfang oder Ursprung nimmt, nichts entgegenzusetzen. Ob die Wirkung in Betreff der Zeit mit ihrer allerletzten Bedingung zusammenfällt, oder ob sie ihr unmittelbar folgt, ist nicht von Belang. In keinem Falle geht sie ihr voraus, und wenn wir im Zweifel sind, welche von zwei zugleich bestehenden Naturerscheinungen Ursache und welche Wirkung ist, so halten wir mit Recht die Frage gelöst, wenn wir bestimmen können, welche von ihnen der andern vorausgegangen ist.

§. 7. Es kommt fortwährend vor, dass mehrere sich von einander unterscheidende Naturerscheinungen, die nicht im geringsten Grade von einander abhängig oder bedingt sind, wie der Ausdruck sagt, von einem und demselben Agens abhängen; mit anderen Worten, man sieht, dass ein und dieselbe Naturerscheinung von verschiedenen Arten durchaus heterogener Wirkungen, die aber gleichzeitig miteinander erscheinen, begleitet wird, natürlich vorausgesetzt, dass die für eine jede derselben erforderlichen Bedingungen ebenfalls vorhanden seien. So bringt die Sonne die Bewegungen der Himmelskörper, das Tageslicht und die Wärme hervor. Die Erde verursacht den Fall schwerer Körper, und durch ihre Eigenschaft eines grossen Magneten das Phänomen der Magnetnadel. Ein Bleiglanzkrystall verursacht die Empfindung von Härte, Gewicht,[406] einer cubischen Form, von grauer Farbe. Dem Zwecke der Bezeichnung dieser Art Fälle sind die Ausdrücke Eigenschaft und Kraft ganz besonders angepasst. Wenn dasselbe Phänomen von Wirkungen verschiedener Art begleitet wird, so ist es gebräuchlich zu sagen, dass jede verschiedene Art von Wirkung durch eine verschiedene Eigenschaft der Ursache hervorgebracht wird. So unterscheiden wir die anziehende oder gravitirende Eigenschaft der Erde von ihrer magnetischen; die gravitirenden, leuchtenden, wärmenden Eigenschaften der Sonne; die Farbe, Gestalt, Härte und das Gewicht des Krystalls. Dies sind jedoch bloss Phrasen, die nichts erklären und unserer Kenntniss vom Gegenstande nichts hinzufügen, die aber, als abstracte Namen betrachtet, welche den Zusammenhang zwischen den verschiedenen hervorgebrachten Wirkungen und dem sie hervorbringenden Gegenstand bezeichnen, ein mächtiges Instrument der Abkürzung und der Beschleunigung des Denkprocesses sind, den die Abkürzung vollbringt.

Diese Art von Betrachtungen führt uns zu einer Vorstellung, die uns für die Interpretation der Natur von grosser Wichtigkeit sein wird, nämlich zu der Vorstellung einer permanenten Ursache oder eines ursprünglichen natürlichen Agens. Es existirt in der Natur eine Anzahl von permanenten Ursachen, welche bestanden haben, seitdem das menschliche Geschlecht besteht, und eine unbestimmte und wahrscheinlich enorme Zeit vorher. Die Sonne, die Erde und die Planeten mit ihren verschiedenen Bestandtheilen, dem Wasser, der Luft und anderen unterscheidbaren, einfachen oder zusammengesetzten Substanzen, aus denen die Natur besteht, sind solche permanente Ursachen. Diese haben existirt, und die Wirkungen oder Folgen, welche sie fähig waren hervorzubringen, haben (so oft als die anderen Bedingungen der Erzeugung zusammentrafen) von dem Anfange unserer Erfahrung an stattgehabt; wir können aber den Ursprung der permanenten Ursachen selbst nicht erklären. Warum gerade diese natürlichen Agentien und keine anderen ursprünglich existirten, warum sie gerade in diesen Verhältnissen gemischt, in dieser Weise durch den Raum vertheilt sind, ist eine Frage, die wir nicht beantworten können; ja noch mehr, wir können in ihrer Vertheilung selbst nichts Regelmässiges erblicken, wir können sie auf keine Gleichförmigkeit, auf kein Gesetz zurückführen. Es giebt keine Mittel, wonach wir aus der Vertheilung[407] dieser Ursachen oder Agentien in dem einen Theil des Raums vermuthen könnten, ob eine ähnliche Vertheilung in einem andern Theile herrscht. Das Zugleichsein von urersten Ursachen steht daher für uns bloss in der Reihe eines zufälligen Zusammentreffens, und alle jene Sequenzen oder Coexistenzen in den Wirkungen von mehreren solcher Ursachen, welche, obgleich beständig so lange jene Ursachen zusammenbestehen, ein Ende nehmen würden, wenn die Coexistenz ein Ende nähme, rechnen wir nicht als Fälle von Verursachung oder Naturgesetze; wir können nur, indem wir diese Sequenzen oder Coexistenzen da finden, wo wir dies durch den directen Beweis wissen, berechnen, dass die natürlichen Agentien, von deren Eigenschaften sie zuletzt abhängen, in der erforderlichen Weise vertheilt sind. Diese permanenten Ursachen sind nicht immer Gegenstände, sie sind manchmal Ereignisse, d.h. periodische Cyclen von Vorgängen, da dies die einzige Art ist, in welcher Begebenheiten die Eigenschaft der Permanenz besitzen können. So ist z.B. nicht allein die Erde selbst eine permanente Ursache oder ein primitives natürliches Agens, sondern auch ihre Rotation, sie ist eine Ursache, welche (unter Mithülfe anderer nothwendigen Bedingungen) von der frühesten Zeit an die Folge von Tag und Nacht, die Ebbe und Fluth des Meeres und manche anderen Wirkungen hervorgebracht hat, während die Rotation selbst, da wir keine Ursache (ausgenommen eine muthmaassliche) dafür angeben können, mit Recht den urersten Ursachen zugezählt wird. Es ist uns indessen nur der Ursprung der Rotation unerklärlich; wenn sie einmal begonnen hat, so wird ihre Fortdauer durch das erste Gesetz der Bewegung (das der Permanenz der einmal begonnenen geradlinigen Bewegung), verbunden mit der Anziehung der Erdtheilchen untereinander, erklärt.

Alle Naturerscheinungen, welche anfangen zu existiren, d.h. alle, mit Ausnahme der urersten Ursachen sind entweder unmittelbare oder entfernte Wirkungen jener ursprünglichen Thatsachen oder von irgend einer Combination derselben. In dem Universum wird kein Ding hervorgebracht, findet kein Ereigniss Statt, das nicht durch eine Gleichförmigkeit oder beständige Folge mit einer oder mehreren vorhergehenden Phänomenen in so weit verknüpft wäre, dass es stattfinden wird, so oft diese Phänomene zusammentreffen, und kein anderes Phänomen, das den Charakter einer entgegenwirkenden[408] Ursache hat, zugleich existirt. Diese vorhergehenden Phänomene sind wiederum in ähnlicher Weise mit denjenigen verknüpft, welche ihnen vorausgingen u.s.w., bis wir zuletzt entweder zu den Eigenschaften einer urersten Ursache oder einer Verbindung von mehreren gelangen. Das Ganze der Naturerscheinungen war daher aus den nothwendigen oder, mit anderen Worten, aus den unbedingten Folgen einer früheren Collocation der permanenten Ursachen zusammengesetzt.

Wir glauben dass der Zustand des ganzen Weltalls in einem jeden Augenblicke die Folge des Zustandes vom vorhergehenden Augenblicke insofern ist, dass wenn uns alle Agentien, welche im gegenwärtigen Augenblicke existiren, ihre Ordnung im Raume, ihre Eigenschaften, oder mit anderen Worten, wenn uns die Gesetze ihrer Wirksamkeit bekannt wären, wir die ganze folgende Geschichte des Weltalls voraussagen könnten, vorausgesetzt, dass nicht irgend ein neuer Wille einer Macht, die das Weltall zu beherrschen fähig ist, hinzukomme.87

Wenn je irgend ein besonderer Zustand des ganzen Weltalls[409] zum zweiten Male wiederkehrte, so würden alle darauf folgenden Zustände ebenfalls wiederkehren und die Geschichte würde sich wie ein vielziffriger periodischer Decimalbruch periodisch wiederholen:


Jam redit et virgo, redeunt Saturnia regna....

Alter erit tum Tiphys, et altera quae vehat Argo

Delectos heroas; erunt quoque altera bella,

Atque iterum ad Troiam magnus mittetur Achilles.


Obgleich sich die Dinge nicht in diesem ewigen Kreise bewegen, so hätte doch die ganze Reihe der vergangenen und zukünftigen Ereignisse in der Geschichte des Weltalls durch Jemand, der mit der ursprünglichen Vertheilung aller natürlichen Agentien und mit dem Ganzen ihrer Eigenschaften, d.h. den Gesetzen der Folge, die zwischen ihnen und ihren Wirkungen bestehen, bekannt gewesen wäre, a priori construirt werden können, die unendlich mehr als menschlichen Combinationsgaben und Berechnungen, die sogar beim Besitze der Data zur wirklichen Vollendung der Aufgabe erforderlich wären, vorausgesetzt.

§. 8. Da Alles, was im Universum geschieht, durch Causalgesetze und die Collocationen der ursprünglichen Ursachen bestimmt wird, so folgt, dass die unter Wirkungen bemerkbaren Coexistenzen nicht selbst der Gegenstand einer ähnlichen Reihe von Gesetzen, die von Causalgesetzen verschieden sind, sein können. Es giebt unter den Wirkungen Gleichförmigkeiten sowohl der Coexistenz als auch der Succession, aber in allen Fällen müssen dieselben ein blosses Resultat entweder der Identität oder der Coexistenz ihrer Ursachen sein; wären die Ursachen nicht zugleich, so könnten es auch die Wirkungen nicht sein. Da diese Ursachen ebenfalls Wirkungen von früheren Ursachen, und diese es von anderen sind, bis wir zu den urersten Ursachen gelangen, so folgt, dass (mit Ausnahme des Falles von Wirkungen, denen man unmittelbar oder entfernter bis zu ein und derselben Ursache folgen kann) das Zugleichsein von Naturerscheinungen in keinem Falle allgemein sein kann, wenn nicht das Zugleichsein der urersten Ursachen, bis zu denen die Wirkungen verfolgt werden können, auf ein allgemeines Gesetz zurückgeführt werden kann; wir haben aber gesehen, dass dies nicht geschehen kann. Es giebt[410] demgemäss keine ursprüngliche und unabhängige, oder mit anderen Worten, keine unbedingte Gleichförmigkeiten des Zugleichseins zwischen den Wirkungen verschiedener Ursachen; wenn sie zugleich sind, so ist dies nur, weil die Ursachen zufällig zugleich waren. Die einzig unabhängigen und unbedingten Coexistenzen, die hinreichend beständig sind, um einen Anspruch auf den Charakter von Gesetzen zu haben, bestehen zwischen verschiedenen und gegenseitig unabhängigen Wirkungen derselben Ursache, mit anderen Worten, zwischen verschiedenen Eigenschaften desselben natürlichen Agens. Dieser Theil von Naturgesetzen wird in dem letzten Theil dieses Buches unter dem Namen Specifische Eigenschaften der Arten abgehandelt werden.

§. 9. Es ist hier der geeignete Ort, die Aufmerksamkeit auf eine ziemlich alte Lehre bezüglich der Causalität zu lenken, die jedoch in den letzten Jahren an manchen Orten wieder aufgetaucht ist, und gegenwärtig mehr Lebenszeichen von sich giebt, als eine jede andere, von der in den vorhergehenden Capiteln niedergelegten abweichende Theorie der Verursachung.

Nach der fraglichen Theorie ist der Geist, oder genauer ausgedrückt, der Wille die einzige Ursache der Erscheinungen. Unsere eigene Willensthätigkeit ist der Typus der Verursachung, sowie die ausschliessliche Quelle, aus der wir die Idee schöpfen. Da und nur da (so sagt man) haben wir den directen Beweis einer Verursachung. Wir wissen, dass wir unseren Körper bewegen können. Bezüglich der Erscheinungen der leblosen Natur besitzen wir keine andere directe Kenntniss, als die von Antecedens und Folge, aber in Betreff unserer freiwilligen Handlungen behauptet man, wir wären uns eines Vermögens bewusst, bevor wir die Erfahrung von Resultaten haben. Ob eine Wirkung darauf folge oder nicht, der Willensact ist von einem Bewusstsein einer Anstrengung, »einer ausgeübten Kraft, einer Kraft in Thätigkeit, die nothwendig ursächlich oder bewirkend (causal oder causativ) ist,« begleitet. Dieses einem Willensacte inhärente Gefühl von Energie oder Kraft ist Wissen a priori, der Erfahrung vorausgehende Gewissheit, dass wir das Vermögen besitzen, Wirkungen zu verursachen. Das Wollen, so wird behauptet, ist daher etwas mehr als das unbedingte Antecedens, es ist[411] eine Ursache, und zwar in einem andern Sinne als man physikalische Phänomene einander verursachend nennt, es ist eine causa efficiens. Von dieser Lehre zu der Lehre, dass die Willensthätigkeit die einzige causa efficiens aller Erscheinungen sei, ist der Uebergang leicht. »Es ist unbegreiflich, dass todte Kraft, wenn sie nicht unterhalten wird, auch nur einen Augenblick nach ihrer Erschaffung fortdauern könnte. Ohne die Wirksamkeit eines Geistes können wir uns Veränderungen oder Phänomene gar nicht vorstellen.« »Das Wort Wirkung selbst,« sagt ein anderer Schriftsteller derselben Schule, »hat nur dann eine reelle Bedeutung, wenn es auf die Handlungen eines intelligenten Agens angewendet wird. Man stelle sich ein in einem Klumpen Materie inhärentes Vermögen, Wirksamkeit, oder Kraft vor, wenn man es vermag.« Die Phänomene mögen wohl so aussehen als wären sie durch physikalische Kräfte erzeugt, aber in Wirklichkeit, sagen diese Autoren, werden sie durch die unmittelbare geistige Thätigkeit hervorgebracht. Alles was nicht einem menschlichen (oder, wie ich vermuthe, einem thierischen) Willen entspringt, geht direct aus einem göttlichen Willen hervor. Die Erde wird nicht durch das Zusammenwirken einer centripetalen und centrifugalen Kraft bewegt, dies ist nur eine Sprechweise, welche dazu dient, unsere Vorstellungen zu erleichtern, sondern sie wird durch den directen Willen eines allmächtigen Wesens in einer Bahn bewegt, die mit der Bahn zusammenfällt, die wir aus der Annahme dieser zwei Kräfte herleiten.

Wie ich schon oft bemerkt habe, so gehört die Frage von der Existenz von urwirkenden Ursachen, von causae efficientes nicht in das Bereich unseres Gegenstandes; aber eine Theorie, welche dieselben als der menschlichen Erkenntniss zugänglich darstellt, und die für causae efficientes ausgiebt, was nur physikalische oder phenomenale Ursachen sind, gehört so gut zur Logik als zur Metaphysik, und ist ein geeigneter Gegenstand der Erörterung an dieser Stelle.

Meinem Verständniss nach ist eine Willensthätigkeit nicht eine urwirkende, sondern einfach eine physikalische Ursache. Unser Wille verursacht unsere körperlichen Thätigkeiten in demselben und in keinem andern Sinne, in dem die Kälte Eis, oder in dem ein Funke die Explosion des Pulvers verursacht. Der Wille, ein Zustand unseres Geistes, ist das Antecedens, die in Uebereinstimmung[412] mit dem Willen erfolgte Bewegung unserer Glieder ist die Folge, das Consequenz. Diese Folge halte ich nun nicht für einen Gegenstand des directen Bewusstseins in dem Sinne jener Theorie. Das Antecedens und das Consequens sind in der That Gegenstände des Bewusstseins, aber der Connex, der Zusammenhang zwischen denselben ist ein Gegenstand der Erfahrung. Ich kann nicht zugeben, dass unser Bewusstsein von einem Willen die geringste Kenntniss a priori in sich fasse, dass die Muskelbewegung auf denselben folgen werde. Wenn unsere Bewegungsnerven gelähmt, oder unsere Muskeln steif und unbiegsam wären und unser Leben lang gewesen wären, so wäre meiner Meinung nach nicht der geringste Grund vorhanden, anzunehmen, dass wir jemals etwas von dem Willen als einer physikalischen Kraft gewusst hätten (ausser durch Mittheilung anderer), oder dass wir uns jemals einer Neigung in den Gefühlen unseres Geistes, Bewegungen unseres Körpers oder des Körpers Anderer zu erzeugen bewusst geworden wären. Ich will nicht unternehmen zu sagen, ob wir in einem solchen Falle das physikalische Gefühl gehabt hätten, das, wie ich vermuthe, jene Autoren meinen, wenn sie von dem »Bewusstsein einer Anstrengung« sprechen; ich sehe zwar keinen Grund, warum dies nicht sein sollte, da jenes physikalische Gefühl wahrscheinlich ein Zustand von nervöser Sensation ist, die in dem Gehirn anfängt und endigt, ohne den Bewegungsapparat einzuschliessen, gewiss aber würden wir sie nicht durch ein dem Wort Anstrengung gleichbedeutendes Wort bezeichnet haben, denn Anstrengung schliesst ein bewusstes Streben nach einem Ziel ein, wofür wir in diesem Falle nicht allein keinen Grund gehabt hätten, sondern was wir zu thun nicht einmal die Idee gehabt haben konnten. Wenn wir dieser besondern Sensation überhaupt bewusst waren, so glaube ich konnten wir ihrer nur als einer, unsere Gefühle des Begehrens begleitenden, Unbehaglichkeit bewusstsein.

Gegen die fragliche Theorie argumentirt Sir William Hamilton ganz richtig, »sie werde durch die Betrachtung widerlegt, dass zwischen die offenliegende Thatsache einer uns bewussten körperlichen Bewegung und den innern Act einer geistigen Bestimmung (Determination), dessen wir uns ebenfalls bewusst sind, eine zahlreiche Reihe von Zwischenthätigkeiten eintritt, von denen[413] wir keine Kenntniss besitzen, und dass wir folglich nicht wie diese Hypothese behauptet, das Bewusstsein eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den äussersten Gliedern dieser Kette, zwischen dem Willen zu bewegen und den Gliedern in Bewegung, haben können. Niemand ist sich z.B. der Bewegung seines Arms durch seinen Willen unmittelbar bewusst. Vor dieser letzten Bewegung müssen Muskeln, Nerven, und eine Menge fester und flüssiger Theile durch den Willen in Bewegung gesetzt werden, aber unser Bewusstsein weiss von dieser Bewegung absolut nichts. Ein Gelähmter ist sich keiner Unfähigkeit seiner Glieder, die Bestimmungen seines Willens zu vollziehen, bewusst, und nur nachdem er gewollt und gefunden hat, dass seine Glieder seinem Willen nicht gehorchen, lernt er durch die Erfahrung, dass die äussere Bewegung dem innern Act nicht folgt. Aber so wie der Gelähmte erst nach dem Willensact lernt, dass seine Glieder seinem Geist nicht gehorchen, so lernt der Gesunde erst nach dem Willensact, dass seine Glieder den Mandaten seines Willens gehorchen«.88

Diejenigen, gegen welche ich streite, haben niemals einen positiven Beweis89 beigebracht, und haben auch gar nicht vor, ihn[414] beizubringen, dass uns das Vermögen unsers Willens, den Körper zu bewegen, unabhängig von der Erfahrung bekannt sein würde. Alles was sie über den Gegenstand zu sagen haben, ist, dass die Erzeugung physikalischer Vorgänge durch einen Willen ihre Erklärung selbst mitzufahren scheint, während die Einwirkung von Materie auf Materie zu ihrer Erklärung noch etwas Anderes erfordert, und nach ihnen sogar auf eine jede andere Voraussetzung hin, als die Dazwischenkunft eines Willens zwischen der scheinbaren Ursache und ihrer scheinbaren Wirkung, »unbegreiflich ist.« Sie stützen so ihren Fall auf eine Berufung auf die inhärenten Gesetze unseres Begriffsvermögens, indem sie meiner Ansicht nach die Gewohnheiten dieses Vermögens, welche sich auf die spontanen Neigungen desselben im uncultivirten Zustande gründen, irrthümlich für die Gesetze dieses Vermögens halten. Die Succession zwischen dem Willen, ein Glied zu bewegen, und der wirklichen Bewegung ist eine der directesten und augenblicklichsten Sequenzen, welche wir beobachten, und ist von unserer frühesten Kindheit an der Erfahrung eines jeden Augenblicks geläufig, sogar geläufiger als irgend eine Folge von Vorgängen ausserhalb unseres Körpers, und besonders geläufiger als ein jeder andere Fall einer scheinbaren (als von der blossen Mittheilung unterschiedenen) Erzeugung von Bewegung. Es ist nun aber die natürliche Neigung des menschlichen Geistes, dass er immer sucht seine Vorstellung von ungeläufigen Thatsachen durch Vergleichung mit anderen,[415] ihm geläufigen, zu erleichtern. Da demnach unsere Willensacte diejenigen Fälle von Verursachung ausmachen, mit denen wir am meisten vertraut sind, so werden sie in der Kindheit und in der frühen Jugend des Menschengeschlechts spontan als der Typus von Verursachung im allgemeinen genommen, und von allen Erscheinungen wird angenommen, sie wür den durch den Willen eines empfindenden Wesens direct hervorgebracht. Ich werde diesen ursprünglichen Fetischismus nicht mit den Worten Hume's oder eines Anhängers desselben, sondern mit den Worten eines religiösen Metaphysikers wie Reid charakterisiren, damit die Uebereinstimmung aller competenten Denker in Beziehung auf diesen Gegenstand um so stärker hervortrete.

Wenn wir unsere Aufmerksamkeit den äusseren Gegenständen zuwenden, und anfangen, unsere Vernunft an ihnen zu üben, so finden wir, dass es einige Bewegungen und Veränderungen in ihnen giebt, die wir die Macht zu erzeugen haben, und dass es viele andere giebt, welche eine andere Ursache haben müssen. Entweder müssen die Gegenstände, wie wir, Leben und thätiges Vermögen haben, oder sie müssen durch etwas, das Leben und thätige Kraft besitzt, bewegt oder verändert werden, so wie äussere Gegenstände durch uns bewegt werden.

Unsere ersten Gedanken scheinen zu sein, dass die Gegenstände, an denen wir solche Bewegungen wahrnehmen, wie wir, Verstand und thätige Kraft besitzen. »Wo Wilde,« sagt der Abbé Raynal, »eine Bewegung sehen, welche sie sich nicht erklären können, da nehmen sie eine Seele an.« In dieser Beziehung kann man alle Menschen so lange als Wilde betrachten, bis sie fähig sind, sich zu unterrichten und ihre Anlagen in einer besseren Weise zu gebrauchen, als Wilde thun.

Die Beobachtung von dem Abbé Raynal erhält sowohl von den Thatsachen, als auch durch den Bau aller Sprachen eine hinreichende Bestätigung.

Rohe Völker glauben wirklich, die Sonne, der Mond, die Sterne, die Erde, das Meer und die Luft, die Quellen und Seen besässen Verstand und active Macht (Kraft). Ihnen Ehrfurcht zu bezeugen und ihre Gunst zu erflehen, ist ein den Wilden natürlicher Götzendienst.

Alle Sprachen tragen in ihrem Bau die Zeichen, dass sie entstanden[416] sind, während dieser Glaube herrschte. Die Unterscheidung von Verben und Participien in active und passive, welche sich in allen Sprachen findet, muss ursprünglich den Zweck gehabt haben, das wirklich Thätige (Active) von dem bloss Leidenden (Passiven) zu unterscheiden; in allen Sprachen finden wir active Zeitwörter auf diejenigen Gegenstände angewendet, in denen nach Abbé Raynal's Beobachtung die Wilden eine Seele annehmen.

So sagen wir, die Sonne geht auf und unter, sie kommt in den Meridian, der Mond wechselt, die See ebbet und fluthet, die Winde wehen. Die Sprachen wurden von Menschen gebildet, welche glaubten, diese Gegenstände hatten Leben und thätige Kraft in sich. Es war daher natürlich und geeignet, Bewegungen und Veränderungen derselben durch thätige Zeitwörter auszudrücken.

Es giebt keinen sicherern Weg, die Gedanken und Empfindungen der Nationen in einer vorgeschichtlichen Zeit zu verfolgen, als vermittelst des Baues ihrer Sprache, die trotz der Veränderung, welche die Zeit in ihr hervorgebracht hat, immer noch den Stempel der Gedanken derjenigen bewahren wird, welche sie erfunden haben. Wenn wir dieselben Gedanken in dem Bau aller Sprachen angegeben finden, so müssen diese Gedanken dem menschlichen Geschlecht gemeinsam gewesen sein als die Sprachen erfunden wurden.

Wenn einige wenige, mit höheren geistigen Fähigkeiten Begabte Musse für die Speculation finden, so fangen sie an, zu philosophiren und entdecken bald, dass viele von den Gegenständen, welche sie zuerst für verständig und thätig hielten, in Wirklichkeit leblos und passiv sind. Dies ist eine sehr wichtige Entdeckung; sie erhebt den Geist, befreit ihn von manchem gemeinen Aberglauben, und fordert zu anderen ähnlichen Entdeckungen auf.

Sowie die Philosophie vorschreitet, zieht sich Leben und Thätigkeit aus den Gegenständen der Natur zurück, und lässt sie todt und unthätig. Statt dass sie sich freiwillig bewegen, finden wir nun, dass sie nothwendig bewegt werden, statt thätig oder wirkend zu sein, finden wir, dass auf sie gewirkt wird, und die Natur erscheint als eine grosse Maschine, in der ein Rad durch ein anderes, und dies durch ein drittes gedreht wird, und der Philosoph[417] weiss nicht, wie weit diese nothwendige Reihenfolge reichen mag.90

Es existirt also eine spontane Neigung des Geistes, sich alle Fälle von Verursachung dadurch zu erklären, dass er sie dem absichtlichen Handeln von willensfähigen Agentien wie er selbst ist vergleicht. Dies ist die instinctmässige Philosophie des menschlichen Geistes, ehe er noch mit anderen unveränderlichen Folgen, als den zwischen seinem Wollen und seinen freiwilligen Handlungen bestehenden, vertraut geworden ist. So wie sich die Vorstellung von festen, zwischen den ewigen Erscheinungen stattfindenden Gesetzen der Folge allmälig herausbildet, so macht ihr die Neigung, alle Erscheinungen auf eine Willensthätigkeit zurückzuführen, langsam Platz. Da indessen die Anregungen des täglichen Lebens fortwährend mächtiger sind, als die des philosophischen Gedankens, so behält unter dem durch die Cultur gewonnenen Wachsthum die ursprüngliche instinctive Philosophie ihren Boden in dem Geiste, und setzt dem Wurzeltreiben jenes Wachsthums in den tiefen Grund hinein einen dauernden Widerstand entgegen. Aus jenem Untergrund zieht die Theorie, gegen die ich streite, ihre Nahrung. Ihre Stärke liegt nicht in dem Argument, sondern in ihrer Verwandtschaft mit einer hartnäckigen Neigung des jugendlichen Menschengeistes.

Dass diese Neigung indessen nicht das Resultat eines inhärenten Geistesgesetzes ist, ist mehr als genügend bewiesen. Die Geschichte der Wissenschaft zeigt von dem ersten Tage an, dass die Menschen weder die Wirkung von Materie auf Materie übereinstimmend für unbegreiflich, noch die Wirkung von Geist auf Materie für begreiflich hielten. Das letztere schien manchen Denkern, und manchen Schulen von Denkern, sowohl der alten, als auch der neuem Zeit, viel unbegreiflicher, als das erstere. Sobald der Geist hinreichend vertraut mit ihnen geworden war, erschienen völlig physikalische und materielle Sequenzen als vollkommen natürlich, und man hielt sie nicht allein für einer Erklärung nicht selbst bedürftig, sondern sogar für fähig, anderen Sequenzen eine Erklärung zu gewähren, ja sogar als letzte Erklärung der Dinge im allgemeinen zu dienen.[418]

In neuerer Zeit hat einer der geschicktesten Vertheidiger der Willenstheorie eine zugleich historischwahre und philosophisch scharfsinnige Erklärung von dem Scheitern der griechischen Philosophen in der physikalischen Forschung gegeben, in welcher er, glaube ich, seinen eigenen Geisteszustand unbewusst zeichnet. »In der Natur des Beweises, den sie von ihrer Ueberzeugung zu erwarten hatten, lag für sie ein Stein des Anstosses...Sie hatten die Idee nicht erfasst, dass sie nicht erwarten durften, die Processe der äusseren Ursachen, sondern nur deren Resultate, zu verstehen; und es war daher die ganze physikalische Philosophie der Griechen ein Versuch, die Wirkung mit ihrer Ursache geistig zu identificiren, nach einem nicht allein nothwendigen, sondern auch natürlichen Connex zu forschen; wo sie unter natürlich das verstanden, was ihrem eigenen Geiste per se irgend eine Präsumtion zuführte... Sie wollten einen Grund sehen, warum das physikalische Antecedens dieses besondere Consequens hervorbrachte, und ihr ganzes Streben ging in Richtungen, in denen sie solche Gründe finden konnten«.91 Mit anderen Worten, sie waren nicht damit zufrieden, bloss zu wissen, dass eine Erscheinung immer auf die andere folgt, sondern sie glaubten, das wahre Ziel der Wissenschaft nicht erreicht zu haben, wenn sie in der Natur der einen Erscheinung nicht etwas wahrnehmen konnten, woraus man vor der Probe hatte wissen oder vermuthen können, dass das andere auf es folgen werde; dies ist gerade das, was der Schriftsteller, der diesen Irrthum so klar nachgewiesen hat, in der Natur der Willenserscheinung wahrzunehmen glaubt. Um den Fall vollständig darzustellen hätte er noch hinzufügen sollen, dass diese frühen Denker dies nicht allein zu ihrem Ziel machten, sondern dass sie mit dem dabei erreichten Erfolg ganz zufrieden waren; dass sie nicht allein nach Ursachen suchten, die bei der blossen Angabe derselben den Beweis ihrer Wirksamkeit mitbrachten, sondern dass sie auch völlig glaubten, sie hätten solche Ursachen gefunden. Der Reviewer kann klar einsehen, dass dies ein Irrthum war, weil er nicht glaubt, dass zwischen materiellen Erscheinungen Beziehungen existiren, welche erklären können, warum sie einander erzeugen; aber gerade das Beharren der Griechen in diesem Irrthum[419] zeigt, dass ihr Geist meinem andern Zustand war; sie waren im Stande, aus der Vergleichung von physikalischen Thatsachen mit anderen physikalischen Thatsachen die Art von geistiger Befriedigung herzuleiten, die wir mit dem Worte Erklärung verbinden, und von der uns der Recensent will glauben machen, sie wäre bloss in der Zurückführung der Erscheinungen auf einen Willen zu finden. Wenn Thales und Hippo die Feuchtigkeit für die allgemeine Ursache, das ewige Element hielten, wovon alle anderen Dinge nur die unendlich mannigfaltigen fühlbaren Offenbarungen wären, wenn Anaximenes dasselbe von der Luft, Pythagoras von den Zahlen behauptete u.s.f., so glaubten sie alle, sie hätten eine wirkliche Erklärung gefunden, und beschieden sich, bei dieser Erklärung als einer letzten stehen zu bleiben. Die gewöhnlichen Sequenzen des äussern Universums schienen ihnen ohne die Annahme einer allgemeinen Thätigkeit, wodurch Antecedens und Consequens verknüpft werden, nicht weniger unbegreiflich als ihrem Kritiker, aber sie dachten nicht, dass der durch den Geist ausgeübte Wille die einzige diesem Erforderniss entsprechende Thätigkeit wäre. Feuchtigkeit, Luft öder Zahlen machten auf ihren Geist gerade einen solchen Eindruck, dass ihnen verständlich schien, was ihnen sonst unbegreiflich vorkam, und das Verlangen ihres Fassungsvermögens erhielt dadurch volle Befriedigung.

Nicht die Griechen allein »wollten einen Grund sehen, warum das physikalische Antecedens diese besondere Folge hervorbrachte,« irgend einen Connex, »der ihrem eigenen Geiste per se eine Präsumtion zuführte.« Unter den neueren Philosophen stellte Leibnitz als einen selbstverständlichen Grundsatz auf, dass alle physikalischen Ursachen ohne Ausnahme in ihrer eigenen Natur etwas enthalten müssen, was uns verständlich macht, dass sie im Stande sind, gerade die Wirkungen zu erzeugen, welche sie erzeugen. Weit entfernt, die Willensthätigkeit als die einzige Art von Ursache gelten zu lassen, welche den innern Beweis ihres eigenen Vermögens mit sich führt, verlangte er ein, in natürlicher Weise und per se urwirkendes, physikalisches Antecedens als eine Bürgschaft des Zusammenhangs zwischen dem Wollen selbst und dessen Wirkmagen. Er weigerte sich entschieden, den Willen Gottes als eine genügende Erklärung von etwas anderm als Wundern anzuerkennen, und suchte beharrlich nach etwas, das die Naturerscheinung[420] besser erkläre, als die blosse Zurückführung auf einen göttlichen Willen.92

Umgekehrt schien manchen Denkern die Wirkung des Geistes auf die Materie (welche, wie man uns jetzt sagt, nicht allein selbst keiner Erklärung bedarf, sondern auch die Erklärung aller anderen Wirkungen ist) selbst die grosse Unbegreiflichkeit zu sein. Gerade um über diese Schwierigkeit hinwegzukommen, erfanden die Cartesianer die gelegentlichen Ursachen. Sie konnten nicht begreifen, dass Gedanken in einem Geiste Bewegungen in einem Körper hervorbringen konnten, und dass körperliche Bewegungen Gedanken erzeugen konnten. Sie konnten keinen nothwendigen Zusammenhang, keine aprioristische Beziehung zwischen einer Bewegung und einem Gedanken sehen. Und da die Cartesianer, mehr als eine jede andere philosophische Schule vor oder nach ihnen, ihren eigenen Geist zum Maass aller Dinge machten, und sich grundsätzlich weigerten, zu glauben, die Natur habe das gethan, wovon sie keinen Grund sehen konnten, dass sie dies musste: so behaupteten sie, es wäre unmöglich, dass eine materielle und eine geistige Thatsache einander Ursache sein könnten. Sie betrachteten sie als blosse Gelegenheiten, bei denen das wirkliche Agens, Gott, seine Macht als Ursache auszuüben für angemessen hielt. Wenn jemand seinen Fuss bewegen will, so ist es nicht sein Wille, der ihn bewegt, sondern (so sagen sie) Gott bei Gelegenheit seines Willens. Nach diesem System ist Gott die einzige urwirkende Ursache, nicht qua Geist oder qua willensbegabt, sondern qua allmächtig. Diese Hypothese wurde, wie gesagt, ursprünglich durch die supponirte Unbegreiflichkeit einer realen gegenseitigen Wirkung zwischen Geist und Materie an die Hand gegeben; aber später wurde sie auch auf die Wirkung von Materie auf Materie ausgedehnt, denn bei näherer Prüfung fanden sie auch diese unbegreiflich, und daher ihrer Logik nach unmöglich. Der Deus ex machina wurde zuletzt herbeigerufen, um bei der Gelegenheit des Zusammentreffens von Stahl und Feuerstein einen Funken zu erzeugen, oder bei Gelegenheit des Herabfallens eines Eis dasselbe zu zerbrechen.

Alles dies neigt ohne Zweifel, dass die Menschen nach ihrer Anlage im allgemeinen nicht damit zufrieden sind, zu wissen, dass[421] die eine Thatsache beständig Antecedens und die andere Folge ist, sondern dass sie nach etwas suchen, was dies zu erklären scheint, – etwas aneu hou to aition ouk an pot' eiê aition. Wir sehen aber auch, dass dieses Verlangen durch eine rein physikalische Thätigkeit vollständig befriedigt werden kann, vorausgesetzt dass man viel vertrauter mit ihr sei, als mit dem, das sie zu erklären berufen ist. Es erschien Thales und Anaximenes unbegreiflich, dass die Antecedentien, welche wir in der Natur sehen, die Sequenzen hervorbringen sollten, es schien ihnen aber ganz natürlich, dass es Wasser oder Luft thaten. Die Schriftsteller, welche ich bekämpfe, erklären dies zwar für unbegreiflich, aber sie können begreifen, dass der Geist oder der Wille per se eine urwirkende Ursache, eine causa efficiens ist, während die Cartesianer nicht einmal dies begreifen konnten, sondern peremptorisch erklärten, dass keine Erzeugungsweise irgend einer Thatsache begreiflich ist, ausgenommen die directe Vermittlung eines allmächtigen Wesens. So bewiesen auch sie, was sich in einem jedem Stadium der Geschichte der Wissenschaft bestätigt findet: dass sowohl das, was die Menschen begreifen, als auch das, was sie nicht begreifen können, zum grossen Theil eine Sache des Zufalls ist, und gänzlich von ihrer Erfahrung und ihren Denkgewohnheiten abhängt; dass sich die Menschen durch das Cultiviren der erforderlichen Ideenassociationen unfähig machen können, irgend ein gegebenes Ding zu begreifen, und dass sie sich in den Stand setzen können, die meisten Dinge zu begreifen, so unbegreiflich sie ihnen auch im Anfang erscheinen mögen. Dieselben Thatsachen in der geistigen Geschichte eines Jeden, die bestimmen, was ihm begreiflich oder unbegreiflich ist, bestimmen auch, welche von den verschiedenen Sequenzen in der Natur ihm so natürlich und plausibel erscheinen werden, dass es keines anderen Beweises ihrer Existenz bedarf, um gleich unabhängig von der Erfahrung und Erklärung durch ihr eigenes Licht ersichtlich zu werden.

Nach welcher Regel soll man aber zwischen der einen und der andern Theorie dieser Art entscheiden? Die Theoretiker verweisen uns nicht auf einen äusserlichen Beweis, sondern ein jeder von ihnen beruft sich auf seine eigenen subjectiven Gefühle. Der eine sagt, die Succession C, B scheint mir per se natürlicher, begreiflicher und glaubwürdiger, als die Folge A, B; ihr seid daher im[422] Irrthum, wenn ihr glaubt, dass B von A abhängig ist; ich bin gewiss, wenn ich auch keinen weiteren Beweis dafür gehen kann, dass C zwischen A und B eintritt, und die wirkliche und einzige Ursache von B ist. Der andere entgegnet: die Successionen A, B und C, B erscheinen mir gleich natürlich und begreiflich, oder die letztere eher mehr als die erstere; A ist im Stande, ohne eine jede andere Vermittlung B zu erzeugen. Ein dritter stimmt mit dem ersten darin überein, dass er unfähig ist, zu begreifen, A könne B erzeugen, aber er findet die Sequenz D, B noch natürlicher oder dem Gegenstand verwandter, als die C, B, und zieht seine D Theorie der C Theorie vor. Es ist klar, dass hier kein universales Gesetz wirkt, wenn nicht das Gesetz, dass die Vorstellungen eines jeden Menschen durch seine individuelle Erfahrung und seine Denkgewohnheiten regiert und beschränkt werden. Wir sind berechtigt von allen dreien zu sagen, was ein jeder von ihnen von den beiden anderen sagte, nämlich dass sie eine besondere Folge von Erscheinungen, welche ihnen, bloss weil sie damit vertrauter waren, natürlicher und begreiflicher vorkam als andere Folgen, zu einem ursprünglichen Gesetz des menschlichen Geistes und der äussern Natur erhoben. Und von dieser Verurtheilung kann ich die Theorie, welche das Wollen für eine urwirkende Ursache, für eine causa efficiens erklärt, nicht ausnehmen.

Ich kann diesen Gegenstand nicht verlassen ohne auf einen anderweitigen, in dem Folgesatz dieser Theorie enthaltenen Fehlschluss aufmerksam zu machen, auf den Fehlschluss in der Folgerung nämlich, dass weil das Wollen eine urwirkende Ursache, es folglich auch die einzige Ursache und das directe Agens in der Erzeugung sogar dessen ist, was allem Anschein nach durch etwas Anderes erzeugt wird. Von dem Wollen ist nicht bekannt, dass es ausser der Nerventhätigkeit direct noch etwas anderes erzeugt, denn der Wille hat nur vermittelst der Nerven einen Einfluss auf die Muskeln. Wenn man daher auch zugestehen wollte, eine jede Erscheinung habe eine urwirkende und nicht bloss eine phenomenale Ursache, und das Wollen sei in dem Falle der besondern Erscheinung, von der bekannt ist, dass sie durch dasselbe erzeugt wird, diese urwirkende Ursache: sollen wir deshalb mit jenen Schriftsteller sagen, dass weil wir keine andere urwirkende Ursache kennen, und unbewiesen keine annehmen dürfen,[423] es auch keine andere giebt und dass das Wollen die directe Ursache aller Erscheinungen ist? Man könnte kaum eine Folgerung von einer unerhörten Tragweite machen. Weil es unter der unenlichen Mannigfaltigkeit von Naturerscheinungen eine giebt, nämlich ein besonderer Thätigkeitsmodus gewisser Nerven, der als Ursache, und wie wir für jetzt annehmen, als seine urwirkende Ursache einen Zustand unseres Geistes hat; und weil dies die einzige efficiente Ursache ist, deren wir uns bewusst sind, die einzige, deren wir uns der Natur des Falle nach bewusstsein können, da es die einzige ist, die in uns selbst liegt: sind wir dadurch berechtigt zu schliessen, dass alle anderen Erscheinungen dieselbe Art von urwirkender Ursache haben müssen, wie diese so sehr specielle, beschränkte, und ganz besondere menschliche oder thierische Erscheinung ? Eine Parallele zu diesem Probestück von einer Generalisation bietet der in neuerer Zeit wieder auflebende Streit über die Pluralität der Welten, in dem die streitenden Theile mit so sichtbarem Erfolg einander über den Haufen warfen. Auch hier haben wir nur die Erfahrung eines einzelnen Falles, die Erfahrung dieser Welt, in der wir leben, aber dass diese bewohnt ist, wissen wir absolut und sogar ohne dass ein Zweifel möglich wäre. Wenn nun jemand auf diesen beweis hin folgern wollte, dass ein jeder Himmelskörper, Sonne, Planet, Mond, Komet, Fixstern oder Nebelfleck ohne Ausnahme bewohnt ist, und der inhärenten Beschaffenheit der Dinge nach sein muss, so würde seine Folgerung genau so aussehen, wie die der Schriftsteller, welche schliessen, dass weil das Wollen die urwirkende Ursache unserer körperlichen Bewegungen ist, sie auch die urwirkende Ursache von allem Andern im Weltall sein muss. Es ist wahr, es giebt Fälle, in welchen wir von einem einzigen Fall auf eine Menge von Fällen generalisiren dürfen; aber es müssen Fälle sein, welche dem bekannten Falle gleichen, und nicht Fälle, die keinen andern Umstand mit ihm gemein haben, als dass es eben Fälle sind. Ich besitze z.B. keinen directen Beweis davon, dass ausser mir irgend ein Geschöpf Leben hat, und dennoch schreibe ich anderen menschlichen Wegen und Thieren mit vollkommner Gewissheit Leben und Empfindung zu, ich schliesse aber nicht, dass bloss weil ich lebe, auch alle anderen Dinge leben. Ich schreibe gewissen anderen Dingen ein Leben zu, das meinem eigenen Leben gleicht, weil sie es durch[424] dieselbe Art von Indicationen kundgeben, durch welche sich das meinige kundgiebt. Ich finde, dass ihre Erscheinungen und die meinigen sich nach demselben Gesetze richten, und aus diesem Grund glaube ich, dass beide von der gleichen Ursache stammen. Ich dehne demnach den Schluss nicht weiter aus, als seine Gründe reichen. Die Erde, das Feuer, die Berge, die Bäume sind bemerkenswerthe Agentien, aber ihre Erscheinungen richten sich nicht nach denselben Gesetzen wie meine Handlungen, und ich glaube daher nicht, dass die Erde oder das Feuer, die Berge oder die Bäume animalisches Leben besitzen. Aber die Anhänger der Willenstheorie verlangen von uns, dass wir folgern, die Willensthätigkeit verursache Alles, und zwar aus keinem andern Grund, als weil sie ein besonderes Ding verursacht, und obgleich dieses eine Phänomen, weit entfernt ein Vorbild aller natürlichen Phänomene zu sein, ein durchaus eigenthümliches ist, dessen Gesetze kaum mit irgend anderen Erscheinungen der unorganischen oder organischen Natur eine Aehnlichkeit haben.


Zusatz zu dem vorhergehenden Capitel.

Der Verfasser des zweiten Burnett Prize Essays (Dr. Tulloch), welcher die in den vorhergehenden Capiteln aufgestellte Lehre durch viele Seiten hindurch bestritten, hat mich einigermaassen dadurch überrascht, dass er eine Thatsache geläugnet hat, welche ich für zu bekannt hielt, um eines Beweises zu bedürfen – die nämlich, dass es Philosophen gegeben hat, welche in der physikalischen Erklärung von Naturerscheinungen dieselbe vollständige Befriedigung des Geistes fanden, von welcher man uns sagt, sie wäre bloss in der Willenstheorie zu finden, und dass andere die Willenstheorie auf denselben Grund hingeworfen haben, auf den sich ihre Vertheidigung stützt, nämlich auf den Grund der Unbegreiflichkeit hin. Die Behauptung des Essayisten wird noch viel entschiedener von einem gewandten Recensenten der Essays vertreten, dieser sagt:93 »Zur Erläuterung führt Herr Mill zwei Fälle an, den Fall von Thales und Anaximenes, von denen er angiebt, der eine habe die Feuchtigkeit, der andere die Luft für den Ursprung aller Dinge gehalten, und den Fall von Descartes und Leibnitz, von denen er behauptet, sie hätten die Wirkung von Materie auf[425] Materie für die grosse Unbegreiflichkeit gehalten. In Betreff des ersten dieser Fälle zeigt nun der Autor – was unserer Ansicht nach jetzt kaum noch einen Zweifel zulässt – dass die griechischen Philosophen im Gegentheil entschieden als oberhalb ihrer ersten materiellen Quelle stehend das nous oder die göttliche Intelligenz, als die efficiente und ursprüngliche Quelle von Allem anerkannten; in Beziehung auf den zweiten Fall zeigt er, dass der Modus, nicht die Thatsache dieser Wirkung auf die Materie als unbegreiflich dargestellt wurden.«

Nie sind in einem einzigen Ausspruch soviele historische Irrthümer zusammengedrängt worden, als in diesem. Die Behauptung, Thales habe das Wasser bloss als das Material in der Hand des nous betrachtet, stützt sich auf eine Stelle in Cicero's de Natura Deorum, und wer die genaueren Geschichtschreiber der Philosophie befragen will, der wird finden, dass sie dieses als eine blosse Grille von Cicero behandeln, die sich auf keine Autorität stützt und eines jeden Grundes entbehrt, und dass sie Vermuthungen aufstellen in Beziehung auf die Art und Weise wie Cicero zu diesem Irrthume möge verleitet worden sein. (Man sehe Ritter, B. I., p. 211, 2te Aufl.; Brandis, B. I., p. 118 -19, 1ste ed.; Preller, Historia Philosophiae Graeco-Romanae p. 10. »Schiefe Ansicht, durchaus zu verwerfen,« »augenscheinlich folgernd statt zu berichten;« »quibus vera sententia Thaletis plane detorquetur,« sind die Ausdrücke dieser Schriftsteller.) Was Anaximenes betrifft, so behauptete er sogar nach Cicero, nicht dass die Luft das Material war, aus welchem Gott die Welt machte, sondern dass die Luft ein Gott wäre: »Anaximenes aëra deum statuit,« oder nach St. Augustin, dass es das Material wäre, aus dem die Götter gemacht wären, »non tamen ab ipsis (Diis) aërem factum; sed ipsos ex aëre ortos credidit.« Diejenigen, welche mit der metaphysischen Terminologie des Alterthums nicht vertraut sind, dürfen sich nicht (wie Dr. Tulloch) missleiten lassen, wenn sie angegeben finden, Anaximenes habe seinem universellen Element, der Luft, psychê (in der Uebersetzung Seele, oder Leben) zugeschrieben. Die griechischen Philosophen erkannten mehrere Arten von psychê an, die nährende (nutritive), die empfindende (sensitive) und die verständige (intellective).94 Sogar die Neuern schreiben, als eine anerkannt richtige Sache, den Pflanzen Leben zu. Soweit wir hinter die Meinung von Anaximenes kommen können, wählte er die Luft als das universale Agens, weil sie ohne eine ausserhalb ihrer selbst zu findende äussere Ursache ewig in Bewegung ist, was er als die Aeusserung einer spontanen Kraft, als das Princip des Lebens und der Thätigkeit aller Dinge, Menschen und Götter eingeschlossen, ansah. Wenn dies nicht heisst, sie als causa efficiens hinstellen, so hat der Streit ganz und gar keinen Sinn.

Wenn Anaximenes oder Thales oder einer ihrer Zeitgenossen die Ansicht gehabt hätte, dass nous wäre die urwirkende Ursache, so hätte die Entstehung dieser Lehre nicht das ganze Alterthum hindurch dem Anaxagoras zugeschrieben werden können. Das Zeugniss von Aristoteles ist in Beziehung auf diese frühzeitigen Speculationen vollkommen entscheidend.[426] Nachdem er vier Arten von Ursachen, oder vielmehr vier verschiedene Bedeutungen des Wortes Ursache aufgezählt hat, nämlich das Wesen (die Essenz) eines Dinges, die Materie desselben, den Ursprung der Bewegung (causa efficiens) und die Endursache, fährt er fort: die meisten der früheren Philosophen erkannten bloss die zweite Art Ursache an, die Materie eines Dinges, tas en hylês eidei monas ôêthêsan archas einai pantôn. Als sein erstes Beispiel nennt er Thales, den er als den in dieser Ansicht von dem Gegenstand vorangehenden bezeichnet, ho tês toiautês archêgos philosophias, und geht sodann zu Hippo, Anaximenes, Diogenes (von Apollonia), Hippasus von Metapontum, Heraclit und Empedocles über. Anaxagoras (fährt er fort) lehrte indessen eine andere Lehre, wie wir wissen, und es wird angegeben, dass Hermotimus von Clazomenae sie vor ihm gelehrt habe. Anaxagoras stellte den Philosophen vor, dass wenn diese verschiedenen Theorien von dem universalen Material auch wahr wären, doch noch eine andere Ursache nöthig wäre, um die Transformationen des Materials zu erklären, indem das Material nicht seine eigenen Veränderungen hervorbringen kann, ou gar dê ge hypokeimenon auto poiei metaballein heauto; legô d' oion oute to xylon oute ho chalkos aitios tou metaballein hekateron outôn, oude poiei to men xylon klinên ho de chalkos andrianta, all' heteron ti tês metabolês aition, nämlich die andere Art Ursache, hothen hê archê tês kinêseôs – eine efficiente Ursache. Aristoteles zollt dieser Lehre grossen Beifall (er sagt von ihr, sie lasse ihren Schöpfer als den einzigen nüchternen Mann unter faselnden Menschen erscheinen, oion nêphôn hephanê par' eikê legontas tous proteron); aber während er den Einfluss beschreibt, den sie auf spätere Betrachtungen ausübte, bemerkt er, dass die Philosophen, denen gegenüber diese unübersteigliche Schwierigkeit hervorgehoben worden war, durchaus nicht gefühlt hätten, dass es eine Schwierigkeit sei, ouden edyscheranan en heautois. Es ist gewiss unnöthig, mehr für den Beweis der von Dr. Tulloch und seinem Recensenten geläugneten Thatsachen zu sagen.

Nachdem Aristoteles angedeutet, dass jene älteren Denker darin irrten, dass sie die Nothwendigkeit einer urwirkenden Ursache nicht anerkannten, nennt er noch zwei andere urwirkende Ursachen, zu denen sie statt zur Intelligenz ihre Zuflucht hatten nehmen können tychê, der Zufall, und to automaton, die Spontaneität. Diese verwirft er als nicht hinreichend würdige Ursachen für die Ordnung im Universum, oud' au tô automatô kai tê tychê tosouton epitrepsai pragma kalôs eichen; aber er verwirft sie nicht als unfähig irgend eine Wirkung, sondern nur als unfähig jene Wirkung hervorzubringen. Er selbst anerkennt tychê und to automaton als dem Geist coordinirte Agentien in der Erzeugung der Erscheinungen des Universums, indem das ihnen zugewiesene Gebiet aus allen Classen von Erscheinungen zusammengesetzt ist, von denen nicht angenommen wird, sie folgten aus einem gleichförmigen Gesetz. Indem Aristoteles so den Zufall unter die urwirkenden Ursachen aufnahm, fiel er in einen Irrthum, dem die Philosophie gegenwärtig zwar entwachsen ist, der jedoch keineswegs auch dem Geist des modernen Denkens so fremd ist, als es auf den ersten Blick hin scheinen dürfte. Die Philosophen schrieben den Resultaten der Abstraction noch in einer naheliegenden Zeit eine reale Existenz zu, und manche[427] schreiben ihnen dieselbe noch gegenwärtig zu. Der Zufall hat aber ebenso grosse Ansprüche auf diese Würde, als viele andere abstracte Schöpfungen des Geizes; er erhielt einen Namen, und warum sollte er keine Realität sein? Was to automaton betrifft, so wird es sogar noch jetzt von allen Denkern, welche die sogenannte Freiheit des Willens aufrecht erhalten, als eine der Erzeugungsweisen der Erscheinungen angenommen. Dasselbe selbstbestimmende Vermögen, welches jene Lehre dem Wollen beilegt, setzten die Alten auch in einigen anderen Naturerscheinungen voraus, ein Umstand, der auf mehr als eine der supponirten unbesiegbaren Glaubensnothwendigkeiten ein starkes Licht wirft. Ich habe dies hier angeführt, weil dieser Glaube des Aristoteles oder vielmehr der griechischen Philosophen im allgemeinen der Theorie, der menschliche Geist sei durch seine Beschaffenheit gezwungen, die Willensthätigkeit für den Ursprung aller Kraft und die urwirkende Ursache aller Erscheinungen zu halten, eben so verderblich ist, als die Lehre von Thales und der Jonischen Schule.95[428]

In Beziehung auf die neueren Philosophen (Leibnitz und die Cartesianer), welche ich ihrer Behauptung wegen angeführt habe, dass die Wirkung des Geistes auf die Materie, weit entfernt, der einzig begreifliche Ursprung der materiellen Erscheinungen zu sein, selbst unbegreiflich sei: so ist der Versuch, dieses Argument durch die Behauptung zu widerlegen, der Modul, nicht die Thatsache der Wirkung des Geistes auf die Materie wäre von jenen als unbegreiflich dargestellt worden, ein Missbrauch des Privilegiums, mit Zuversicht über Schriftsteller zu schreiben ohne sie zu lesen; denn die geringste Kenntniss von Leibnitz würde die so von ihm sprechenden belehrt haben, dass die Unbegreiflichkeit des Modus, und die Unmöglichkeit der Thatsache in seinem Geiste miteinander zu verwechselnde Ausdrücke waren. Was war sein Princip vom hinreichenden Grund, dem Eckstein seiner Philosophie, von dem die prästabilirte Harmonie, die Monadenlehre, und alle besonders charakteristischen Ansichten von Leibnitz Folgesätze sind? Es war, dass nichts existirt dessen Existenz nicht a priori bewiesen und erklärt werden kann, indem bei zufälligen Thatsachen Beweis und Erklärung aus ihren Ursachen abgeleitet wird, die aber nicht die Ursachen sein könnten, wenn nicht etwas in ihrer Natur läge, das zeigt, dass sie fähig sind, jene besondere Wirkung hervorzubringen. Und dieses, die Erzeugung von physikalischen Wirkungen erklärende »etwas« war er im Stande, in vielen physikalischen Ursachen zu finden, er konnte es aber nicht in einem endlichen Geiste finden, von dem er daher ohne Bedenken behauptete, er sei unfähig, irgend welche physikalische Wirkungen hervorzubringen. »On ne saurait concevoir,« sagt er, »une action réciproque de la matière et de l'intelligence l'une sur l'autre;« und man hat daher nur die Wahl (behauptet er) zwischen den gelegentlichen Ursachen der Cartesianer und seiner eigenen prästabilirten Harmonia, nach welcher kein innigerer Zusammenhang zwischen unserem Wollen und unseren Muskelthätigkeiten besteht, als zwischen zwei Uhren, welche aufgezogen werden, um in einem und demselben Augenblick zu schlagen. Aber in Beziehung auf physikalische Ursache empfand er nicht die gleichen Schwierigkeiten, und durch all seine Speculationen hindurch, wie in der bereits angeführten Stelle bezüglich der Gravitation, weist er es entschieden von der Hand, irgend eine Thatsache, die nicht aus der Natur ihrer physikalischen Ursache zu erklären ist, als ein Theil der Natur anzusehen.

In Betreff der Cartesianer (nicht Descartes's, denn dieses Versehen habe ich nicht gemacht, obgleich der Recensent von Dr. Tulloch's Abhandlung es mir zuschreibt) nehme ich eine fast auf den Zufall hin gewählte Stelle von Mallebranche, der von den Cartesianern am meisten bekannt ist, und der, wenn auch nicht der Erfinder, doch der Hauptvertreter des Systems der gelegentlichen Ursachen ist. Nachdem er in Theil II., Cap. 3 seines sechsten Buchs zuerst ausgesprochen hat, dass die Materie nicht das Vermögen haben kann, sich selbst zu bewegen, argumentirt er[429] weiter, dass auch der Geist nicht das Vermögen haben kann, sie zu bewegen. »Quand on examine l'idée que l'on a de tous les esprits finis, on ne voit point de liaison nécessaire entre leur volonté et le mouvement de quelque corps que ce soit, on voit au contraire qu'il n'y en a point, et qu'il n'y en peut avoir« (in der Idee eines endlichen Geistes liegt nichts, was erklären kann, dass er die Bewegung der Körper verursacht); »on doit aussi conclure, si on vent raisonner selon ses lumières, qu'il n'y a aucun esprit créé qui puisse remuer quelque corps que ce soit comme cause véritable et principale, de même que l'on a dit qu'aucun corps ne se pouvait remuer soi-même;« so ist nach ihm die Idee des Geistes eben so unverträglich mit der Ausübung von thätiger Kraft, wie die Idee von der Materie. Aber wenn wir, nicht einen geschaffenen, sondern einen göttlichen Geist betrachten, fährt er fort, so ändert sich die Sache, denn die Idee von einem göttlichen Geist schliesst Allmächtigkeit ein, und die Idee der Allmächtigkeit enthält die Idee von der Fähigkeit Körper zu bewegen. Auf diese Weise ist es die Natur der Allmacht, welche sogar die Bewegung der Körper durch den göttlichen Willen glaubwürdig und begreiflich macht, während sie, soweit sie von der blossen Natur des Geistes abhängig war, unbegreiflich und unglaubwürdig gewesen wäre. Wenn Mallebranche nicht an ein allmächtiges Wesen geglaubt hätte, so würde er eine jede Einwirkung von Geist auf Körper für eine bewiesene Unmöglichkeit gehalten haben.96

Eine Lehre, die noch genauer das Gegentheil der Willenstheorie von der Verursachung ist, kann nicht wohl ersonnen werden. Die Willenstheorie lagt, wir erkennen durch Anschauung oder directe Erfahrung die Wirkung unseres eigenen geistigen Wollens auf die Materie, hieraus können wir folgern, dass alle andere Wirkung auf die Materie die eines Willens ist, und wir können so ohne irgend einen andern Beweis wissen, dass die Materie unter der Herrschaft eines göttlichen Geistes steht. Leibnitz und die Cartesianer behaupten im Gegentheil, dass unser Wollen auf die Materie nicht wirkt und nicht wirken kann, und dass nur die Existenz eines allregierenden, eines allmächtigen Wesens die Sequenz zwischen unserm Wollen und unseren Körperthätigkeiten erklären kann. Wenn wir bedenken, dass eine jede von diesen Theorien, welche als Theorien der Verursachung an den zwei entgegengesetzten äussersten Enden einer möglichen Divergenz stehen, die absolute Unbegreiflichkeit einer jeden andern, von ihr verschiedenen, Theorie als ihren Beweis, und zwar als ihren einzigen Beweis anruft, so sind wir im Stande, den Werth dieses Beweises zu bemessen; und wenn wir die Willenstheorie gänzlich auf die Behauptung gebaut sehen, wir wären durch unsere geistige Beschaffenheit gezwungen, unsere Willensthätigkeiten als urwirkende Ursachen anzuerkennen, und finden dann, dass andere Denker behaupten, wir wüssten, dass sie solche Ursachen nicht sind und nicht sein[430] können, und dass wir nicht begreifen können, sie wären solche Ursachen: so glaube ich haben wir ein Recht zu sagen, dass dieses supponirte Gesetz unserer geistigen Constitution nicht existirt.

Dr. Tulloch hält es (p. 45) für eine genügende Antwort hierauf, zu sagen (als wenn dies jemand geläugnet hätte), dass Leibnitz und die Cartesianer Theisten waren und glaubten, der Wille Gottes sei eine urwirkende Ursache. Gewiss thaten sie dies, und die Cartesianer glaubten sogar (nicht jedoch Leibnitz), dass er die einzige derartige Ursache sei. Dr. Tulloch verkennt die Natur der Frage vollständig. Ich habe nicht wie Dr. Tulloch über den Theismus geschrieben, sondern gegen eine besondere Theorie der Verursachung, die wenn sie unbegründet ist, weder dem Theismus noch sonst etwas anderem eine wirksame Stütze sein kann. Ich fand, dass behauptet worden war, das Wollen sei die einzige urwirkende Ursache, weil keine andere urwirkende Ursache begreiflich ist. Dieser Behauptung setzte ich die Beispiele von Leibnitz und den Cartesianern entgegen, welche eben so positiv behaupteten, dass der Wille als eine urwirkende Ursache selbst nicht begreiflich sei, und dass die Allmächtigkeit, welche alle Dinge begreiflich macht, die Unbegreiflichkeit allein beseitigen könne. Dies hielt ich und halte noch für eine bündige Antwort auf das Argument, auf dem diese Theorie der Verursachung erkanntermaassen ruht. Gewiss aber habe ich mir nicht eingebildet, dass der Theismus mit dieser Theorie verbunden wäre; auch habe ich nicht erwartet, dass man mir vorwerfen würde, ich hätte geläugnet, dass Leibnitz und die Cartesianer Theisten waren, weil ich läugnete, dass sie jener Theorie anhingen.[431]

Quelle:
John Stuart Mill: System der deduktiven und inductiven Logik. Band 1, Braunschweig 31868, S. 382-432.
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