Vorwort.

[5] Seit dem Erscheinen der zweiten Auflage unseres Universal-Lexikons sind nun fast achtzehn Jahre verstrichen, und schon lange gab sich im gebildeten Publikum das Verlangen nach einer zeitgemäßen Umarbeitung desselben kund. So über alle Erwartung groß indeß der Erfolg der zweiten Auflage des Werkes war, und so klar es sich auch herausstellte, daß der Plan desselben mit richtiger Erkenntnis des herrschenden Bedürfnisses angelegt war, so fürchtete der Begründer des Unternehmens doch, daß bei den schwankenden Zeitverhältnissen, die nach dem März des Jahres 1848 eintraten, eine neue, vollständige Umarbeitung des Ganzen ein gewagtes Beginnen sein würde. Um aber die fortdauernde Nachfrage befriedigen zu können, entschloß er sich zu einem neuen revidirten Abdruck, welcher als dritte Auflage im Jahre 1849 begonnen und 1852 beendigt wurde. Zugleich begann er die Herausgabe von Supplementen zur zweiten und dritten Auflage, welche, alphabetisch geordnet und dadurch zum bequemen Nachschlagen geeignet, das Hauptwerk in zweckmäßiger Weise ergänzten. Diese Supplemente (6 Bände, 1851 bis 1854) erhielten eine Fortsetzung in den Neuesten Ergänzungen (2 Bände, 1855 bis 1857), mit denen die dritte Auflage abgeschlossen wurde.

Wenn wir jetzt mit einer vierten, abermals von Grund aus revidirten und umgearbeiteten Auflage vor das deutsche Publikum hintreten, so glauben wir nicht erst nöthig zu haben, unser Unternehmen zu rechtfertigen oder ihm Empfehlungsbriefe auf den Weg zu geben. Wir sind uns wohl bewußt, daß wir eine große, eine schwierige Aufgabe zu lösen haben, denn die Anforderungen an unser Werk sind mit der allgemeinen Bildung mehr und mehr gestiegen, und es bedarf des ausdauerndsten Fleißes und der strengsten kritischen Sorgfalt, um Mängeln der früheren Ausgaben abzuhelfen und Lücken auszufüllen und Alles einzufügen, was die letzten Decennien an Errungenschaften in den Wissenschaften und au Entdeckungen in der Technik ebenso wie an Ereignissen allerwärts in dem Menschen-, Staaten- und Völkerleben und auf den Kriegsschauplätzen Wichtiges und Wissenswerthes gebracht haben.

Wissenschaftlicher Ernst, uninteressirte Freude an den Resultaten der Forschung auf allen Gebieten des Wissens, und das daraus hervorgehende Streben, die allgemeine Bildung zu heben und zu fördern und Jedem Gelegenheit zu geben, sich über das Wissenswerthe aus den Wissenschaften, Künsten, Gewerben, aus der Literatur und Geschichte der Vergangenheit und Gegenwart zu belehren: das war die Basis, auf welcher das Universal-Lexikon entstanden ist, und das ist sie jetzt noch, worauf dasselbe in seiner Erneuerung steht. Nicht der materielle Gewinn, der namentlich bei der ersten, unter den schlimmsten Auspicien begonnenen Auflage gleich Null war, sondern das Bewußtsein, etwas Zeitgemäßes und dem allgemeinen Bedürfniß Entsprechendes geliefert zu haben und dafür die reichste Anerkennung im In- und Auslande zu finden, war dem leider zn früh verstorbenen Begründer des Werkes der höchste und schönste Lohn seiner Arbeit.

Unterstützt von einer großen Anzahl tüchtiger, theils schon an den früheren Ausgaben betheiligter, theils neu gewonnener Mitarbeiter, hoffen wir mit dieser neuen Auflage den Beweis zu liefern, daß wir an den Grundsätzen, welche den Ruf des Werkes begründeten, festgehalten haben. Wir können diese Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, ohne den unzähligen Gönnern und Freunden des Universal-Lexikons in allen Schichten des gebildeten Publikums, sowohl für ihre anerkennenden und uns ehrenden Zeugnisse von dem Werthe und der Brauchbarkeit des Werkes, wodurch sie[5] unsern Muth und unser Streben in dieser großen Arbeit belebt und gehoben haben, als auch für ihre höchst werthvollen Beiträge, wodurch sie zur Verbesserung mancher in die früheren Ausgaben eingeschlichener Fehler und zur Vermehrung des Reichthums in dieser neuen Ausgabe sehr viel beigetragen haben, unsern besten Dank zu sagen und damit die ergebenste Bitte zu verbinden, daß sie sich geneigt fühlen möchten, mit den Gaben solcher Beiträge auch für die Fortsetzung dieser Ausgabe fortzufahren.

Nur Ein, gelegentlich ausgesprochenes hartes Urtheil über das Universal-Lexikon ist uns zu Gesicht gekommen, nämlich des Herrn Rüppell in Frankfurt, welcher in dem Archiv für Frankfurts Geschichte, Heft VII., S. 65, die ihm gewidmete Biographie »ein Muster von lügenhaften und sinnlosen Mittheilungen« über ihn zu nennen beliebt hat. Von einem Manne, welcher an einer Begriffsunklarheit leidet, wie sie Herr Rüppell in der angeführten Stelle beurkundet (welche Absicht sollte wohl das Universal-Lexikon haben, von einer Person unwahre Mittheilungen zu erdichten, um ihr zu schaden?), und welcher sich so unwissend in der deutschen Literatur zeigt, daß er unter Anderm weder den Namen des Herausgebers des Universal-Lexikons recht schreiben kann (er schreibt »Pierrer«), noch im Jahr 1855 weiß, daß von dem Universal-Lexikon seit 1833 (nicht 1835!) eine neue Auflage erschienen ist, welche eine, aus der Feder eines hochgeachteten Mitarbeiters (des seligen Bürgermeisters v. Meyer in Frankfurt!) geflossene Umarbeitung der Biographie von ihm enthält – mag das Universal-Lexikon ein solches unbesonnenes Urtheil mit in den Kauf nehmen.

Erfreulich und wohlthuend war uns auch die Theilnahme, mit welcher die neue Bearbeitung unseres Universal-Lexikons schon jetzt von Seiten der Presse, wie von dem Publikum begrüßt wurde.

Einen von mehreren Seiten gegen uns geäußerten Wunsch wollen wir hier nicht unberührt lassen. Er betrifft das raschere Erscheinen des Werkes. Soweit es möglich ist, werden wir durch Vermehrung der Redaclionskräfte demselben nachzukommen bemüht sein, und wir glauben die Vollendung des Ganzen in vier Jahren versprechen zu können. Noch schneller vorwärts zu gehen, liegt kaum im Bereich der Möglichkeit, soll dies nicht auf Kosten der Genauigkeit und Zuverlässigkeit des Inhalts geschehen. Wenn uns das Beispiel eines encyclopädischen Werkes entgegengehalten wird, welches, Ende vorigen Jahres erscheinend, nur drei Jahre zu seiner Vollendung brauchen will, so kann uns dies keineswegs zu einer Übereilung unserer Arbeit antreiben, da unser Werk mit jenem weder dem Umfang noch der Bearbeitungsart nach etwas gemein hat. Der momentane materielle Gewinn soll uns nicht verführen, die wissenschaftliche Ehre und den guten Ruf unseres Werkes auf das Spiel zu setzen. Unbeirrt und mit gleicher Gewissenhaftigkeit wie ehedem, werden wir das klar vorgezeichnete Ziel verfolgen, und wir hoffen unsere Arbeit mit dem befriedigenden Bewußtsein zu Ende zu führen, daß wir ein Werk geliefert haben, welches lieber etwas sein als scheinen will.

Der Preis der neuen Auflage wird sich um einige Thaler höher stellen, als bei der vorhergegangenen. Dafür bietet dieselbe aber auch bedeutend mehr Material, unter anderm den ganzen Inhalt der zusammen acht Bände füllenden Supplemente und Neuesten Ergänzungen. Bringt man dabei noch die ungleich schönere äußere Ausstattung in Anschlag, so wird der Billigdenkende uns dieser Preiserhöhung wegen nicht tadeln.

Altenburg, im Juni 1857.

Die Verlagshandlung.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. V5-VI6.
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