3. Geographisches Gebiet

der Kommendaverhältnisse.

[332] Es ist hier nicht der Ort, auf Grund des außerordentlich reichen Materials den Entwicklungsgang der Kommenda und societas maris in den einzelnen Kommunen zu verfolgen; hinsichtlich Pisas soll eine gesonderte Betrachtung in Kapitel IV nachgeholt werden, da das dortige Recht für unsere Zwecke ein Spezialinteresse bietet. – Eine gedrängte Uebersicht des Materials über die Kommendaverhältnisse in den einzelnen Ländern aber gehört insofern hierher, als es für uns von Interesse ist, die nicht lokale, sondern internationale Bedeutung dieser Institute zur Anschauung zu bringen.

In der Tat finden dieselben sich rund um das Mittelmeer.

In Spanien knüpft die Rechtsentwicklung an die oben zit. Stellen der lex Wisigothorum und der entsprechenden des Fuero Juzgo an, ist aber wenig selbständig, entsprechend dem zumeist in fremden Händen liegenden Handel32. Wesentlich wird das genuesische Recht kopiert, der Schwerpunkt des Interesses liegt nicht auf der Kommenda und nicht im Seehandelsrecht, sondern – so auch im Consolato del mare – im Seeschifffahrtsrecht, den Verhältnissen der Reeder zum Schiffer usw. Das rapide eindringende römische Recht absorbierte dann schon im 13. Jahrhundert die nationale Rechtsentwicklung bis auf wenige Modifikationen33. Nur in Barzelona34 hielt sich das Institut. Die Siete Partidas kennen auch hier nur römisches Recht.

Die sizilianischen und sardinischen Städte haben, soviel ersichtlich, mangels selbständigen Großhandels das Institut nicht entwickelt35.

[332] Im Seerecht von Trani36 werden noch die selbständigen Kommendatare nur als Surrogat der gewöhnlich mitgeschickten Faktoren des Kaufmanns erwähnt.

In Amalfi finden sich in der Kolonna37 die in der Kommenda entwickelten Gedanken zu einer Risiko-und Gewinnbeteiligung der Schiffsbesatzung verwertet, wie sie nur für einen primitiven Küstenhandel mit relativ kleinen Kapitalien anwendbar ist. Das eigentliche, dem Großhandel angehörige Institut scheint dort nicht selbständig entwickelt worden zu sein38.

Die sämtlichen bisher erwähnten Küstengebiete mit Ausnahme von Barcelona haben einen eigenen, dauernden Großhandel nicht besessen und deshalb das Institut oder doch seine charakteristischen Grundsätze zwar gekannt, aber nicht originell und nicht zu der kasuistischen Vollständigkeit entwickelt, wie das in den großen italienischen Seestädten der Fall war.

Von diesen wird hier Pisa behufs besonderer Betrachtung (Kapitel IV) ausgeschieden.

Venedig hat in der collegantia, welche Silberschmidt dort schon für das 10. Jahrhundert nachweist, ganz die Grundsätze der Kommenda und societas maris entwickelt, wie die erhaltenen Urkunden39 klar ergeben. Aus diesen geht zugleich hervor, daß[333] auch hier der Träger der collegantia der eigentliche Unternehmer sein kann; die collegantia bildet eine Form werbender Kapitalanlage40.

Unzweifelhaft ist in der Verfassung, in welcher die Kommenda und societas maris uns in den Statuten und Urkunden von Genua, an welches sich die südfranzösischen Statuten anlehnen41, entgegentritt, die normale Gestaltung beider Institute zu erblicken. Die genuesischen Vertragsformulare werden wörtlich benutzt von sämtlichen Nationen des Mittelmeers in dem großen internationalen Handelsverkehr im Orient zur Zeit der Kreuzzüge42. In Genua selbst ist die Form der Kommenda und societas maris anscheinend die nationale Rechtsform des Fernhandels. Kein außerhalb der compagna communis Stehender darf an dieser Form teilnehmen; in den Urkunden treten die ersten Geschlechter der Stadt, die Auria und Spinulla u.a., vorzugsweise häufig als Kommendanten auf. Sehr oft hat derselbe Kommendant sein Kapital gleichzeitig in mehreren, auf die differentesten Artikel bezüglichen societates stecken.

Die statutarischen Bestimmungen sind von Silberschmidt ausführlich analysiert, soweit das juristische Interesse reicht; es soll daher hier nicht abermals ausführlich darauf zurückgekommen werden. Im wesentlichen enthalten sie dispositives[334] Recht, regeln das Verhältnis unter den socii, und auch hier geben sie kein vollständiges Bild. Sie wie alle italienischen Statuten enthalten vielmehr – was für die Interpretation von Bedeutung ist – wesentlich einzelne Punkte, welche in praxi zweifelhaft geworden waren und Schwierigkeiten machten. Solche entstanden insbesondere über die gerade wegen des Schwankens der wirtschaftlichen Bedeutung zwischen »einseitiger Arbeitsgesellschaft« und »einseitiger Kapitalgesellschaft« (in Lastigs Sinn) oft zweifelhafte Frage, inwieweit der Kommendatar Anweisungen des Kommendanten bzw. socius stans während der Reise nachzukommen habe, wie weit er zu Abweichungen von der vorgesehenen Route ohne eigene Gefahr befugt sei, ferner naturgemäß über die Folgen des Todes des tractato im Auslande und dergl.

Die Unselbständigkeit des tractator ist die Regel, das Gegenteil wird meist besonders stipuliert durch die Klausel, er solle die societas tragen, quocunque iverit.

Die statutarischen Bestimmungen in Genua sind bezüglich dieses Instituts ungemein stabil geblieben, noch die Redaktion von 1567 enthält nennenswerte Aenderungen nicht. Erst in der Statutenausgabe von 1588/9 finden sich erhebliche Differenzen, von denen noch die Rede sein wird43. Damals hatten die Kommenda und die societas maris in ihrer alten Form eine größere Bedeutung im Handelsverkehr längst nicht mehr; der Handel selbst hatte andere Bahnen eingeschlagen, der Seeverkehr des Mittelmeers stand nicht mehr obenan in der Welt und seine alten Formen mußten anderen Platz machen, welche freilich zum Teil auf deren Schultern stehen. Die Urteilssammlungen des 16. Jahrhunderts – die Decisiones Rotae Genuensis, Rotae Lucensis, Rotae Florentinae, Rotae Romanae – erwähnen der Kommenda und societas maris in ihrer alten Form nicht mehr.


Quelle:
Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Hrsg. von Marianne Weber. Tübingen 21988, S. 332-335.
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