Tanz, Spiel.

[107] Die Heuchler und Scheinheiligen sagen wohl, daß man sich nicht unter Leuten freuen und lustig machen solle. Aber das ist wider Gottes Wort, das den Menschen nicht zum Einsiedler machen und in eine Wüste einsperren oder in einen Kerker einschließen will. Ich könnte den Heuchlern wohl sagen, daß der Herr selbst auf eine Hochzeit gegangen, und also keinen Misfallen hat an Freude und Lust, da es doch auf Hochzeiten nicht traurig zugehet. Solches alles läßt Christus gehen und man soll es auch gehen lassen, daß man nicht ein Gewissen darob mache. Es lieget Gott nichts an solchem Wesen und er hat keinen Abscheu daran, wo nur Glaube und Liebe bleibet; so fern, wie gesagt, daß es mäßig sei, mit Vernunft und Verstand. Aber solcher Uebermaas, als zu unsern Zeiten gehet, ist aus der Weise – da man nicht froh und lustig ist, sondern sauset und brauset, lärmet und tobet, und treibet viel böses Wesens dabei, das die Heiden nicht getrieben haben.[107] Das ist denn große Sünde, da man sich nicht beträget als Christenleute, sondern als Narren und Gecken. Da mag ich nicht sein, wo es so zugehet. – Und wenn sie dann aus solch einem Gelag heraus kommen, dann will es nicht fort mit der Arbeit, da steckt ihnen das vorige Leben noch im Kopf, und werden von Tage zu Tage wilder. Welches ist aber nun das rechte Maaß? Das sollte die Vernunft lehren und ein Exempel nehmen an frommen und christlichen Leuten. Willst du es recht machen, so thue auch unter frohen Leuten gutes, und siehe immer, wo es hinaus will, daß nichts böses geschehe, und der Name Gottes nicht gelästert werde, auch dem Nächsten kein Schaden widerfahre. – Ob es denn auch Sünde sey, pfeifen und tanzen, sintemal man spricht, daß viel Sünde vom Tanzen komme? Weil es nun Landes Sitte ist, gleichwie Gäste laden, schmücken, essen, trinken, fröhlich sein, weiß ich es nicht zu verdammen, ohne die Uebermaaß, so es unzüchtig oder zu viel ist. Daß aber Sünden da geschehen, ist des Tanzens Schuld nicht allein; sintemal auch wohl über Tisch und in der[108] Kirche dergleichen geschehen; gleichwie es nicht des Essens und Trinkens Schuld ist, daß etliche dabei unmäßig werden. Wo es aber züchtig zugehet, lasse ich bei Hochzeiten und andern Festen der Sache ihr Recht und Gebrauch, und tanze immerhin. Der Glaube und die Liebe läßt sich nicht austanzen noch aussitzen, so du züchtig und mäßig darinnen bist. Die jungen Kinder tanzen ja ohne Sünde; das thue auch und werde ein Kind, so schadet dir der Tanz nicht. Sonst, wo Tanzen an ihm selbst Sünde wäre, müßte man es den Kindern auch nicht zulassen. – Das Spielen aber mag ich gar nicht leiden, dieweil daraus kein Nutzen entsteht, sondern eitel Zeitverderb ist, und man doch seine Zeit besser anwenden könnte und sollte. Wo es aber um Geld geht, muß ich es gar verbieten. Denn es ist offenbar, daß die Spieler, die Gewinnstes halber spielen, mit ihrer Begierde und Geitz sündigen, und darum sind sie auch Diebe vor Gott und begehren eines andern Gut. Denn es spielt keiner mit dem andern, daß er ihm sein Geld oder Gut geben wollte, sonst könnte er es ihm wohl geben ohne[109] Spielen. Desgleichen er spielet nicht, daß er verlieren wollte oder eines Fremden Nutzen als seinen eigenen Nutzen suchen. Also aber ist Spielen allezeit wider die Liebe und kömmt aus dem Geitz; denn ein Spieler sucht seinen Gewinn mit eines andern Schaden oder zum wenigsten suchet er nicht seines Nächsten Nutzen als seinen eigenen. Freilich raubet er nicht fremdes Gut wider den Willen des Herrn desselben, der mit Willen das Spiel ist eingegangen. Denn sie setzen beide mit gutem Willen das Ihre auf und wagen es dahin. Darum wer verspielet, der verspielet das Seine mit seinem Wissen und Willen. Denn es ist höchst billig, daß, wer Gefahr liebet, derselbe darinnen umkomme; es wäre denn, daß sie betrüglich gespielet hätten, welches das schändlichste unter allen ist. Doch wäre es die beste Strafe, daß, wo es sein möchte, sie alle verlören. Denn das wäre ein billig Recht des Spieles, dieweil sie alle einer wie der andere, mit ihrer eigenen Gefahr, ihren Geitz gegen den Nächsten üben. Oder es wäre auch gut, daß die Obrigkeit ihnen den Gewinn nähme, und legte ihn an gemeinen[110] Nutzen, weil sie mit ihrem Spielen wider das Gebot der christlichen Liebe thun.

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 107-111.
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