Tadelsucht.

[207] Mir sind Leute genug vorgekommen, die alles tadeln und heruntersetzen, es mag ihnen aufstossen, was da will. Ueberall finden sie zu meistern und zu klügeln. Nur ihre Werke und Arbeiten gefallen ihnen. Zu denen sollte Christus aufstehen und sagen: Du Heuchler was siehest du den Splitter in deines Nächsten Augen und den Balken in deinem Auge wirst du nicht gewahr. Diese Begierde zu tadeln ist unter allen Ständen eingerissen, unter Gelehrten, Künstlern und Handwerksleuten. Jeder tadelt des Genossen Arbeit, Geschicklichkeit, Fleiß, Thun und Wandel. Das sind aber gerade immer die schlechtesten, die alles tadeln und nichts besser machen können. Und wenn du es auch besser machen kannst, so schone nur des Nächsten[207] Ehre und guten Namen, und höhne ihn nicht, welches nicht allein Sünde ist, sondern auch vielen Streit und Zank macht, wie es auch Sprüchw. 22, 10. heißt: Treibe den Spötter aus, so gehet der Zank weg, so höret auf Hader und Schmach.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 207-208.
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