Wucher und Zinnsen.

[200] Vom Wucher aber ist so viel zu wissen, daß Christus lehret: Was du willst, daß dir die Leute etc. Nun sehet zu, wo die bleiben, die übermäßige Zinnse und Wucher nehmen, und sich freuen, wenn sie die Leute recht pressen können. Die sind doch wahrhaftig keine Christenmenschen.[200] Ja sprichst du: wenn das wahr wäre, so wären gar wenig Christen jetzt in der Welt, ist es doch allenthalben Sitte worden, daß man auf großen Gewinnst nur leihet und den Armen gar nicht borget? Antworte ich: es sei Sitte oder nicht Sitte, so ist es nicht christlich, noch göttlich, noch natürlich. Darum sind wenig gute Bäume, weil wenige gute Früchte tragen. Und alle, die sechs, sieben oder mehr aufs hundert nehmen, vom geliehenen Gelde, die sind Wucherer; darnach sie sich wissen zu richten und heißen des Geizes abgöttische Diener und können nicht selig werden, sie mögen denn Buße thun. Desgleichen so du den Armen nicht umsonst borgest und von Korn und anderer Waare mehr oder bessers forderst, das ist Wucher und gestohlnes Gut. Ja sprechen sie wohl: ich thue doch den Leuten einen Dienst und Wohlthat, und sie sind es sehr gern zufrieden. Ich danke dir für deinen Dienst. Erzählt man doch von einem Riesen, der einen Reisenden anfiel, und ihm den Dienst thun wollte, daß er zuvor seine Gesellen, darnach ihn zuletzt wollte fressen. Das ist auch ein feiner[201] Dienst gewesen! Solche Dienste thun auch jetzt Bauern, Bürger und Vornehme, kaufen auf, halten inne, machen theure Zeit, steigern Korn und alles, was man haben muß, wischen darnach den Mund und sprechen: »Ja was man haben muß, das muß man haben; ich lasse es den Leuten zu Dienste, könnte und möchte ich es doch wohl behalten«. Also wird denn Gott fein getäuschet. Aber irret euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten. »Ja, sprechen auch wohl die Wucherer, sie schenken mir es, ich brauche es nicht zu fordern, und ein Geschenk darf man wohl nehmen«. Aber dein Gewissen kann es nicht läugnen, daß du es nicht nimmst als ein frei Geschenke, sondern als einen erzwungenen Gewinnst. – Und lieber Gott, was entsteht nicht für Noth und Elend aus dem Wucher. Die armen Leute werden ausgesogen und ausgemergelt, und ganze Städte gehen dadurch zu Grunde. Das sahen auch schon die Heiden ein, daher auch unter einigen Völkern der Wucher verboten wurde. Was sollen nun wir Christen thun? Sollen wir nicht auch solchen Mord verbieten? Denn wer einem andern[202] seine Nahrung aussauget, der thut eben so großen Mord, als der einen Hungers sterben und zu Grunde richten ließe. Solches thut aber ein Wucherer und sitzet unterdessen auf seinem Stuhle sicher, so er billiger hängen sollte am Galgen und von so viel Raben gefressen werden, als er Gülden gestohlen und erpreßt hätte.

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 200-203.
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