Föhr – eigenthümlicher Gebrauch dieser Dänischen Insel.

[127] Im Sommer ist die ganze Insel männerlos. Die Männer verstehen nur zur See zu fahren. Das weibliche Geschlecht versiehet alle häuslichen Arbeiten. Es pflüget, es säet, es erndtet, und fährt die Männer zur Kirche, wenn sie zu Hause sind. Sie steigen wie die Herren vom Wagen, und die Weiber sorgen für die Pferde.

Die Männer auf Föhr haben viel Kern, und wenig Schaale. Sie gehören nicht zu den Geschöpfen, die da am liebsten leben, wo sie gebohren sind. Der Knabe von zwölf Jahren nimmt [127] den Quersack auf den Rücken, und wandert im Frühjahr den nächsten großen Seestädten mit seinen Landsleuten zu. Er wird Schiffsjunge, dann Matrose, und, wenn er alle Meere durchfahren hat, und in der Schifffahrtskunst unterrichtet ist, Steuermann und Schiffer.

Die angenehmste Unterhaltung findet man bei dem dortigen Postmeister. Hier sieht man die Seemänner versammelt, und merkt es bald, daß sie ein Stück des Erdballs gesehen, und Eigenthum erworben haben.

Im Winter besuchen sie ihre Frauen und den Postmeister, wo sie Zeitungen lesen, oder trinken, oder ihre letzte Reise erzählen.

Frägt man nach Cypern, nach Tunis, nach Venedig, nach Boston, Batavia, Petersburg, London; frägt man wornach man will, so finden sich hier Männer, die als Augenzeugen von Allem Nachricht geben.

[128] Sie haben das weibliche Geschlecht nicht in Spinnstuben, das männliche nicht im Dorfe kennen lernen. Sie kennen einen Theil der rohen und gesitteten Menschen aller Länder, aller Welttheile. Die braunen, die schwarzen, die kupferfarbenen, die weißen Menschen haben ihre Sitten, ihre Begriffe, ihren Charakter originell gebildet.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 127-129.
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