Ring-Beschenkung.

[237] Der Ring ist ein Erbstück des Alterthums, dessen Werkmeister eben so tief in Vergessenheit liegt, als das Andenken dessen, der den ersten Kranz gewunden hat. Aegypter und Hebräer bedienten sich seiner schon in den frühesten Zeiten: von den Aegyptern erhielten ihn die Griechen, und von diesen die Völkerschaften Italiens; worunter er insbesondre von den Hetruskern zu den Römern kam.

Die Römer bedienten sich in den ersten Zeiten ihrer Republik, gleich den alten Deutschen und andern Völkern, bloß eiserner Ringe. Goldene waren anfänglich nur ein Vorzug derer, die in wichtigen Angelegenheiten als Gesandte verschickt wurden, und nächst diesen wurden sie der Charakter des Senatoren- und Ritterstandes. Als endlich die Eitelkeit plebejischer Damen die goldenen Finger junger Ritter zu beneiden anfing, und ihnen doch ein unhöfliches Gesetz Gold untersagte; so nahmen sie ihre Zuflucht zum Silber. [238] Eisen blieb gemeiniglich nur das Eigenthum der Sclaven, außer daß man es auch wol als Symbol der Tapferkeit zuweilen am Finger derer erblickte, die als Helden auf dem Triumphwagen so eben das Fest ihrer Siege feierten. Später hingegen bekamen nicht nur die beklommenen Wünsche der gemeinen Damen Luft, sondern es gab sogar eine Zeit, wo man beide Hände dergestalt einschmiedete, daß nicht nur jeder Finger, sondern auch jedes Fingergelenk, rechts und links seinen Ring hatte.

Die ursprüngliche und Hauptbestimmung des Ringes aber scheint nicht sowohl der Schmuck, als vielmehr ein Petschaft gewesen zu seyn. Und in dieser Beziehung eben ist er ein so allgemein übliches Pfand der Verlobten geworden. Der Bräutigam gab seiner Geliebten einen Ring, als Symbol, daß ihre getroffene Verabredung, als unverbrüchlich, hiemit so gut, wie untersiegelt sey. Diese Bedeutung hatte er bei den Griechen und Römern, wie bei den ältesten Hebräern und andern Völkern, deren die Geschichte gedenkt; [239] so daß der Gebrauch, Ansprüche des Herzens durch Ringe zu verpfänden, eine vor Alter bereits grau gewordene Sitte war, als das Christenthum entstand. Die ersten Christen behielten den so bedeutungsvollen Ring desto williger bei, je reiner er von allem Religionsbezug aus den Händen der Römer kam. Und wie er vordem bloß zum Unterpfande der Verlobung diente, ohne bei den Ceremonien der Verehlichung selbst von Gebrauch zu seyn, so flochten sie ihn bald nachher auch in die Feierlichkeiten des Altars mit ein, um die Verlobung des neuen Paars nochmals vor den Augen der Gemeine zu bestätigen.

An welcher Hand man den Ring führte, war übrigens nicht bei allen Völkern einerlei. Die Juden hatten ihn an der rechten; daß aber andre, namentlich Griechen und Römer, ihn am vierten Finger der linken trugen, wo er nun noch angebracht wird, sollte den Grund haben, weil dieser Finger eine Ader enthalte, die mit dem Herzen in genauer Verbindung stehe. Den Ring hingegen [240] am Mittelfinger zu tragen, wurde für ein unsittliches Symbol gehalten.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 237-241.
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