Rolandssäulen-Errichtung.

[243] Roland (Rutland) war ein berühmter Feldherr und Schwestersohn Carls des Grossen, aus dem achten Jahrhunderte nach Christi Geburt, der bei dem Rückzuge des Kaisers aus Spanien auf dem Pyrenäischen Gebirge von den Vasken erschlagen wurde. Unter vielen fabelhaften Erzählungen will man auch die Rolandssäulen, auch Rolanda und Rulandsbilde genannt, von ihm herleiten, welche noch in den neuesten Zeiten in verschiedenen Orten des [243] nördlichen Deutschlands, z.B. im Hollsteinischen, zu Halle, Prenzlau, Perleberg, Brandenburg, Stendal, Magdeburg und vielen andern Städten angetroffen werden, und gewöhnlich auf dem Markte stehen. Sie bestehen aus großen steinernen Statüen oder hölzernen Bildern, zum Theil in colossalischer Form, die einem Manne in völliger Rüstung, mit einer Krone auf dem Haupte und dem Schwerdte in der rechten, dem Reichsapfel oder Reichsadler aber in der linken Hand, vorstellen. Diese Säulen nun sollen zum Andenken des großen Roland und seiner Tapferkeit von den Sachsen, nach deren Bezwingung durch Carl den Großen, errichtet worden seyn. Allein dieser Held stand mit den Sachsen nicht einmal in der entferntesten Verbindung; die Figur der Statüen läßt sich nicht auf ihn beziehen, und der Ursprung derselben fällt wenigstens zwei Jahrhundert später. Die richtige Meinung ist wol, daß diese Statüen mit den Weichbildern völlig einerlei sind. Ein Weichbild (von Weich, Wik, d.h. Stadt, Ort, und Bild) ist nehmlich ein in den Städten aufgerichtetes Zeichen [244] des Gerichts, und bedeutet, daß die Stadt ihre eigne Gerichte und Statuten unter kaiserlichem Schutze ausüben dürfe; daher auch diese Säulen die Reichsinsignien an sich führen. Der Name Rulands- oder Rolandssäulen kommt dann vom Worte Rügen, d.h. Gericht hegen, besonders aber anklagen und verdammen, und Land oder Bezirk her; es sind also Säulen, die ein Rügeland, d.h. einen besondern Gerichtsbezirk, bezeichnen.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 243-245.
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