Valentinstag in England.

[338] In England und Schottland feierte man auf eine eigne Weise den 14ten Februar, den die römische Kirche dem heiligen Valentin widmete. Man gab am Morgen dieses Tages genau Acht, wen man zuerst von Personen, außer den Hausgenossen, erblickte oder begegnete. Diesen hielt man für seinen Valentin, der die Funktion auf [338] sich hatte, den erstern für dies Jahr vor Thorheiten, Fehlern, und Unglück, soviel er wußte und konnte, freimüthig zu warnen. Eine löbliche Gewohnheit; sie konnte die Quelle vieles Guten werden! Und wenn auch hunderte sehr ungeschickt und untauglich zum Warnen waren, so war doch wol hie und da einer, der sein Amt geschickt verwaltete, und halb im Ernste, halb im Scherz den andern auf einen guten Weg führte. Durch eine freundschaftliche Warnung könnte manche Thorheit verhütet werden; aber wer nicht einen besondern Beruf dazu hat, darf immer nicht sehr auf Dank und eine humane Aufnahme rechnen. Hier gab die Landessitte den Beruf. Jetzt ist diese Gewohnheit, wenigstens in vielen Gegenden Englands, schon längst ausgeartet. Da kommt die Jugend beiderlei Geschlechts zusammen. Man schreibt die Namen der Jünglinge und Mädchen auf Zettel, und jedes zieht, wie beim Loosen, einen Namen. Das Ganze hat keine ernsthafte Tendenz mehr, sondern ist bloß ein Gegenstand gesellschaftlicher Belustigung.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 338-339.
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